100 Felswände sind besonders gefährlich
Die Gefahr von weiteren Tragödien wie in Bondo ist gross – vor allem im Wallis, in Graubünden und im Berner Oberland.
Bondo ist nur der Anfang: Immer höhere Temperaturen lassen die Gletscher schmelzen und die Permafrostböden auftauen. Die Berge werden instabiler. Seit Jahren warnen Klimaexperten vor Katastrophen.
Jetzt zeigen bislang unveröffentlichte Zahlen des Bundesamts für Umwelt (Bafu), wie massiv die Katastrophenüberwachung der Berge in der Schweiz betrieben wird – und wie gross die Gefahr tatsächlich ist. Laut Hugo Raetzo von der Abteilung Gefahrenprävention werden aktuell im gesamten Alpenraum über 100 Felsen und rutschgefährdete Hänge permanent mit Sensoren überwacht. Hinzu kommen mehrere Dutzend fix installierte Systeme, die bei Schlammlawinen Alarm schlagen. So funktionierte auch die Warnung bei der Katastrophe in Bondo.

Permanente Felsüberwachungen gibt es beispielsweise am Jungfraujoch, beim Aletschgletscher, in Braunwald GL, in Preonzo TI oder in Kaschirand SZ. Wenn Sensoren installiert werden, ist die Gefahr von den Geologen zuvor als gross eingestuft worden: Gesteinsmassen könnten ins Tal donnern, Menschen töten, Häuser, Strassen, Bahnstrecken und Kraftwerke zerstören. Alarmsysteme für Schlammlawinen gibt es unter anderem bei Leuk VS, in Guttannen BE und in Domat/Ems GR.
Pro Jahr 300 Millionen Franken Schäden
Am gefährlichsten sind die Berge in den Kantonen Wallis, Graubünden und Bern. Schätzungsweise allein 40 fix installierte Messstationen befinden sich im Wallis. Nahezu das gesamte Kantonsgebiet gehört zur Gefahrenzone. So gab es bereits in 124 von 142 Walliser Gemeinden Schäden wegen Schlammlawinen. Weiter befinden sich mindestens 15 permanente Messstationen im Kanton Graubünden und mindestens 10 im Kanton Bern. Das Berner Oberland ist mit 32 potenziellen Bergsturzgebieten stark betroffen.
Schweizer Naturkatastrophen und ihre Kosten
Die Fels- und Rutschungsmessungen sind laut Bafu-Experte Raetzo mit diversen technischen Geräten machbar. Ein geläufiges Instrument ist zum Beispiel ein Dehnungssensor, der die Verbreiterung der Spalten in den Felsen misst. Möglich sind Überwachungen aber auch mit Radarsystemen, GPS-Geräten oder Lasern. Um bei Schlammlawinen reagieren zu können, nutzen Spezialisten Geräte, die ein Pegelanschwellen des Gewässers oder Erschütterungen registrieren.
Das Bundesamt für Umwelt gibt die Liste mit den prekären Standorten nicht frei – stattdessen verweist die Bundesbehörde an die Kantone. Letztere handhaben die Offenlegung unterschiedlich. Gerade die Behörden im Wallis, in Graubünden und in Bern liefern keine komplette Liste aller Messstandorte. Zum Teil fehlt es nach der Katastrophe von Bondo an Kapazitäten – doch offenbar soll auch die Bevölkerung nicht verschreckt werden. Denn die Messstandorte befinden sich vor allem dort, wo die Infrastruktur ist und wo die Touristen hinwollen.
Tatsache ist: Die Schweizer Bevölkerung, die im Alpen- und Voralpenraum lebt, zahlt einen hohen Preis. Ein aktueller Bafu-Bericht von 2016 beziffert allein die jährlichen Schäden wegen Naturkatastrophen auf über 300 Millionen Franken. Hinzu kommen die Todesopfer: Allein in der Periode 1972 bis 2015 starben deswegen mehr als 110 Menschen.
Bewohnerin von Bondo filmte die Felsmassen
Die Kosten für die Schäden sind das eine – das andere sind die Ausgaben für den Schutz vor Naturgefahren. Sie sind horrend: Fast 3 Milliarden Franken zahlt die Schweiz jedes Jahr für die Prävention. Darin eingeschlossen sind der Bau und die Instandhaltung von Hochwasserschutzdämmen sowie die Aufforstung von Schutzwäldern. Ein weiterer wesentlicher Teil sind die Ausgaben für die Versicherungsprämien. Hinzu kommen auch Kosten für die Forschung zu Naturgefahren und die Blaulichtorganisationen.
Grossereignisse sind heute häufiger als früher
Am teuersten ist mit 860 Millionen Franken pro Jahr der Schutz vor Überschwemmungen. 500 Millionen Franken kostet der Schutz vor Stürmen. Der Erdbeben- und Gewitterschutz schlägt mit 370 Millionen Franken zu Buche. Für Lawinenverbauungen und den Schutz vor Steinschlägen, Erdrutschen und Bergstürzen sind es 300 Millionen Franken. Schliesslich sind Massnahmen gegen die Auswirkungen der Extremtemperaturen wie Hitzewellen und Waldbrände mit 150 Millionen Franken im Jahr veranschlagt.
Die Zahlen stammen aus einer Untersuchung der nationalen Plattform für Naturgefahren (Planat) von 2007. Heute dürften die Gesamtkosten für die Prävention abermals höher sein, auch weil sogenannte Grossereignisse weitaus häufiger sind als früher. So zeigt eine interne Auswertung der Naturgefahren-Plattform: In den letzten 200 Jahren gab es 16 grosse Naturkatastrophen. Davon geschahen 7 in den letzten 30 Jahren.
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