2018 wird für Novartis zum Jahr des Umbruchs
Dem frisch gekürten Novartis-Chef Vasant Narasimhan bietet sich die Chance, dem Basler Pharmakonzern schon in kurzer Zeit ein neues Gesicht zu geben.
Im Februar kommenden Jahres wird der Amerikaner Vasant Narasimhan von Konzernchef Joseph Jimenez das Steuer bei Novartis übernehmen, wie der Pharmakonzern heute überraschend mitteilte. Das Basler Unternehmen begründete den Chefwechsel mit dem Eintritt in eine neue Wachstumsphase.
Es wäre in der Tat vermessen, zu behaupten, Novartis habe in den letzten beiden Jahren einen besonders guten Lauf gehabt. Der 41-jährige Narasimhan wird sich denn auch mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert sehen, die ihren Ursprung zum Teil noch vor der über siebenjährigen Amtszeit von Jimenez haben. Nachfolgend beleuchten wir die wichtigsten Themen.
1. Wie weiter mit der Augenheilsparte Alcon?
Novartis will die Öffentlichkeit bis Ende Jahr aufdatieren, wie mit der US-Tochter Alcon weiter zu verfahren ist. An diesem Fahrplan soll festgehalten werden, wie Jimenez heute an einer Telefonkonferenz sagte. Es bleibt auch bei der Aussage, dass alle Optionen in Betracht gezogen werden: ein Verkauf oder ein Börsengang der ungeliebten Sparte ebenso wie ein Verbleib im Konzern.
Die meisten Beobachter sind sich darin einig, dass die 2010 getätigte Übernahme von Alcon der wohl grösste Fehleinkauf ist, der je in der Pharmabranche getätigt wurde – annähernd vergleichbar mit dem unseligen Zusammenschluss von Daimler und Chrysler 2007 in der Autoindustrie. Verantwortlich dafür zeichnete Jimenez' Vorgänger Daniel Vasella: Knapp 52 Milliarden Dollar hatte der damals faktische Alleinherrscher bei Novartis für den Alcon-Kauf an Nestlé überwiesen.
Bei einem heutigen Verkauf oder Börsengang des Augenheilgeschäfts würden nach Schätzungen von Jimenez lediglich 25 bis 35 Milliarden Dollar in die Novartis-Kassen fliessen. Marktbeobachter veranschlagen den Alcon-Wert eher im unteren Bereich der Preisspanne, obgleich die Sparte zuletzt auf einen – wenn auch bescheidenen – Wachstumspfad einzuschwenken schien.
Novartis müsste also im Fall einer Abtretung von Alcon einen empfindlichen Abschreiber verbuchen. Doch ob es überhaupt Interessenten an diesem relativ grossen Brocken gibt, ist aus Sicht von Marktkennern alles andere als sicher. Sie verweisen auf gescheiterte Versuche von Novartis im letzten Jahr, Teile von Alcon zu veräussern.
2. Wie sollen die Umsatzeinbussen beim Krebsmittel Glivec kompensiert werden?
Im vergangenen Jahr ist der Patentschutz für Novartis' umsatzträchtigstes Medikament abgelaufen. Mit der Lancierung entsprechender Generika durch Konkurrenten werden die milliardenschweren Verkaufserlöse des Leukämie-Arzneimittels Glivec drastisch zusammenschmelzen. Besonders grosse Hoffnungen ruhen auf dem Herzmedikament Entresto, das in Fachkreisen als revolutionär gilt und bei dem Novartis einen jährlichen Umsatz von bis zu 5 Milliarden Dollar anstrebt. Im laufenden Jahr liegt die Vorgabe bei rund 500 Millionen Dollar, was aus heutiger Sicht als möglich erscheint.
Allerdings macht sich der Basler Konzern das Leben selbst schwer: Offenkundig hat man die mit der Kommerzialisierung eines derart innovativen Arzneimittels verbundenen Anforderungen unterschätzt, wie die Zürcher Kantonalbank in einem Kommentar festhielt. Abgesehen von Entresto, hat Novartis mit dem Psoriasis-Mittel Cosentyx und dem Brustkrebsmittel Kisqali noch zwei weitere vielversprechende Neulancierungen im Rennen, um die Umsatzausfälle von Glivec auszugleichen.
3. Wie kann die Generikasparte Sandoz dem Preisdruck Paroli bieten?
Die Generikaerlöse von Novartis verzeichneten im zweiten Quartal 2017 einen 5-prozentigen Umsatzrückgang. Ein wesentlicher Grund hierfür war der heftige Wettbewerb in den USA: Die Preisrückgänge liessen sich durch die schwachen Absatzsteigerungen nicht wettmachen. Eine Wende zum Besseren ist nicht absehbar – im Gegenteil: Wie Jimenez anlässlich der Quartalspräsentation deutlich machte, wird der Konkurrenzkampf auf dem US-Markt auch inskünftig primär über Preisnachlässe ausgefochten.
In diesem schwierigen Umfeld setzt Sandoz verstärkt auf sogenannte Biosimilars. Dabei handelt es sich um Nachfolgeprodukte von biopharmazeutischen Medikamenten, deren Patente abgelaufen sind. Biosimilars sind also das Pendant von Generika – mit dem wesentlichen Unterschied, dass die Gewinnmargen der Ersteren merklich grösser sind.
Novartis verspricht sich von diesem relativ neuen Tätigkeitsfeld ansehnliche Wachstumsraten in den nächsten Jahren. Zum einen werden Biopharmazeutika mit einem weltweiten Umsatzvolumen von 100 Milliarden Dollar bis 2018 ihren Patentschutz verlieren, wie Marktkenner schätzen. Zum anderen versprechen Biosimilars ein gewaltiges Einsparpotenzial gegenüber den extrem teuren biopharmazeutischen Arzneimitteln. Entsprechend gross ist das Interesse der medizinischen Leistungserbringer an diesen Nachahmerpräparaten.
4. Wo liegen die künftigen Investitionsschwerpunkte?
Nach Berechnungen von Analysten könnte Vasant Narasimhan schon demnächst vor der Frage stehen, wo und wie er 50 bis 60 Milliarden Dollar investieren soll. Die Mittel würden einerseits aus der möglichen Abtrennung von Alcon stammen. Anderseits sitzt Novartis auf zwei weiteren Beteiligungen, die keinen strategischen Wert für den Konzern haben. Das gilt für das 6-prozentige Aktienpaket am Basler Konkurrenten Roche wie auch für den 36,5-Prozent-Anteil am Gemeinschaftsunternehmen mit dem britischen Pharmariesen GlaxoSmithKline im Bereich rezeptfreier Medikamente.
Gelänge es, diese Verkäufe in absehbarer Zeit zu realisieren, würde sich dem künftigen Konzernlenker schon bald nach seinem Amtsantritt die grosse Chance bieten, mit dem Pharmakonzern zu neuen Ufern aufzubrechen. 2018 verspricht für Novartis ein spannendes Jahr zu werden.
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