«50 Champagnersorten sind zu viel»
Für Shoppingcenter war es ein miserables Jahr – neue Konzepte müssen her. Doch manchmal wird übers Ziel hinausgeschossen, meint Verbandsleiter Marcel Stoffel.

Herr Stoffel, das Migros-Kaufhaus Globus baut sein Angebot radikal um: weniger Waren, mehr Erlebnis. Die Frauenetage soll eine Bar mit 50 verschiedenen Champagnersorten erhalten. Sieht so das Shoppingcenter der Zukunft aus? Als ich das las, musste ich lachen. 50 verschiedene Champagnersorten sind zu viel – bei einer derart grossen Auswahl könnten die Kunden leicht überfordert werden. Globus möchte ein exklusives Ambiente schaffen. Dabei orientiert man sich an vergleichbaren Häusern im Ausland. Das halte ich grundsätzlich für richtig. Der letzte Globus-Umbau liegt erst gut 10 Jahre zurück. Das zeigt, dass die damalige Ausrichtung langfristig nicht richtig war.
Franz Carl Weber geht einen anderen Weg. Das Erlebnisangebot wird abgebaut, stattdessen herrscht Konzentration aufs Hauptgeschäft: Spielzeug. Ist das der richtige Weg? Ja. Die Kunden gehen zu Franz Carl Weber wegen des Spielzeugs, nicht um Pizza zu essen. Zusatzangebote sind gut, doch sie können die Marke auch verwässern. Speziell dann, wenn es sich um Fachgeschäfte handelt – so wie Franz Carl Weber.
Die Einkaufscenter haben mit drastischen Umsatzeinbussen zu kämpfen. Für 2016 werden Rückgänge von bis zu drei Prozent prognostiziert, mehr noch als im Vorjahr. Welche Häuser sind betroffen? Es verlieren jene, die in den letzten Jahren keine Investitionen tätigten, aktuelle Entwicklungen verschliefen und Kundenbedürfnisse ignorierten. Mittelgrosse Einkaufscenter mit 20'000 bis 25'000 Quadratmetern sind oft betroffen. Speziell dann, wenn sie sich nicht klar positionieren, dann verlieren sie zweistellig. Ein Shoppingcenter muss sich entscheiden: möchte es sich als einfacher Nahversorger positionieren oder als Freizeitdestination. Letzteres braucht viel Platz, der in der Schweiz fehlt.
Schweizer Einkaufszentren nach Verkaufsfläche in Quadratmetern. (Grafik: Marc Fehr)
Welche Einkaufscenter stehen auf der Gewinnerseite? Die Einkaufscenter der jungen Generation – etwa das Sihlcity in Zürich oder das Westside in Bern. Sie ergänzen den Detailhandel mit Freizeitangeboten wie Wellnessanlagen oder Kinos. Ein hoher Gastronomieanteil ist zudem förderlich. Viele Leute kommen dann zwar nicht zum Einkaufen. Doch ihre Aufenthaltsdauer in den Zentren verlängert sich. Studien belegen, dass dies zu mehr Umsatz führt.
Die SBB-Shop-Villes haben sich gut entwickelt. Sie profitieren unter anderem von den liberalen Öffnungszeiten, die an Bahnhöfen gelten. Ist das nicht unfair gegenüber den herkömmlichen Shoppingcentern? Unfair ist, dass die liberalen Einkaufszeiten nicht schweizweit gelten. Das ist einer der Gründe, weshalb der Onlinehandel den Einkaufshäusern den Rang abläuft. Ein Kunde, der sich am Sonntag für einen Brillenkauf entscheidet, möchte dies gleich tun. Er wartet nicht, bis das Shoppingcenter auftut, sondern erledigt den Kauf im Internet. Oder er geht in den Zürcher Hauptbahnhof. Die SBB-Standorte haben die schweizweit grösste Flächenproduktivität.
Viele Schweizer Einkaufszentren gelten als Auslaufmodell, als unhip. In China oder den USA verbringen etliche Menschen ihre Freizeit in riesigen Shoppingmalls. Sie sind die Marktplätze der Neuzeit. Weshalb gelingt das nicht in der Schweiz? In der kleinräumigen Schweiz existiert bereits eine grosse Dichte an Freizeitangeboten – oftmals in unmittelbarer Distanz. Ein Shoppingcenter dient deshalb in erster Linie immer noch zum Einkaufen. Doch auch in der Schweiz sind solche Freizeitdestinationen im Kommen. Zurzeit ist der Anteil an Verkaufsfläche noch viel zu hoch. Ich gehe davon aus, dass mittelfristig 25 Prozent der Fläche für Alternativangebote genutzt wird. Es braucht eine Umnutzung – hin zu mehr Gastronomie etwa.
Restaurants gibt es in der Schweiz bereits an jeder Ecke. Brauchte es nicht etwas Mut und Kreativität? Im Ausland feiern Shoppingcenter mit Golf-Abschlagplätzen oder Fallschirmsprung-Simulationen grosse Erfolge. Das Problem liegt oftmals bei der Umnutzung. Sie ist sehr kostenintensiv und manchmal scheitern Projekte auch an strengen Bauauflagen. Bei neueren Einkaufszentren gibt es die Vision für Spasselemente. Etwa die Mall of Switzerland in Ebikon LU. Dort soll eine Indoor-Surfwelle entstehen.
Schweizer Einkaufszentren nach Umsatz (in Millionen Franken).
Viele Schweizer Shoppingcenter stehen in der Agglomeration, in der Nähe von Autobahnausfahrten. Das sind nicht unbedingt Orte, wo man gerne die Freizeit verbringt. Wenn das Angebot attraktiv ist, nehmen die Leute auch längere Wege in Kauf. Kommt dazu: Solche Shoppingcenter brauchen viel Platz. Platz, der meist nur auf einer grünen Wiese in der Agglo vorhanden ist.
Gibt es zu viele Shoppingcenter in der Schweiz? Zu viel schlechte. Das eine oder andere Einkaufscenter wird sicherlich verschwinden. Speziell dann, wenn die Vision fehlt.
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