5G-Pläne von Swisscom & Co. ausgebremst
Strenger Strahlenschutz bei Handy-Antennen: Der Ständerat ist gegen eine Lockerung. Was das bedeutet.

Der Ständerat hat es gestern abgelehnt, die Strahlenschutzwerte für Mobilfunkantennen zu lockern. Die kleine Kammer stimmte gegen eine entsprechende Motion, welche die ständerätliche Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen unterbreitet hatte.
Der Entscheid fiel knapp aus. 22 Ständeräte stimmten gegen die Motion, 21 dafür. Zwei Ratsmitglieder enthielten sich der Stimme. Der Ständerat stellte sich damit gegen den Willen des Bundesrats.
Die Lockerung der Grenzwerte beim Strahlenschutz gilt als Voraussetzung dafür, dass die drei Schweizer Mobilfunkanbieter das neue 5G-Netz rasch ausziehen und betriebswirtschaftlich sinnvoll anbieten können. Die fünfte Mobilfunkgeneration ermöglicht Übertragungsgeschwindigkeiten, die 100-mal schneller sind als der heutige 4G-Standard.
Marktführer Swisscom will den Start von 5G in der Schweiz nicht nur um zwei Jahre auf Ende 2018 vorziehen, sondern führte gestern beim Medizinaltechnikunternehmen Ypsomed erste industrielle Anwendungen für 5G vor.
Dementsprechend konsterniert reagierte der staatsnahe Mobilfunkbetreiber auf das Votum im Ständerat. «Swisscom bedauert den Entscheid des Ständerates für eine moderate Anpassung der Grenzwerte, die damit immer noch weit unter den empfohlenen Grenzwerten der Weltgesundheitsorganisation und den Grenzwerten der meisten europäischen Länder zu liegen gekommen wären», sagte Firmensprecher Armin Schädeli.
Was sind die Folgen?
Den Mobilfunkkunden drohe nun Ungemach, so die Swisscom: Angesichts der überaus strengen vorsorglichen Grenzwerte könnten in städtischen Gebieten 90 Prozent aller Standorte nicht mit 5G-Antennen ausgerüstet werden. Neue Standorte zu finden, sei sehr schwierig und dauere oft lange. Schädeli: «Damit wird der Aufbau des 5G-Netzes lückenhaft bleiben, und das volle Potenzial kann in der Schweiz nicht genutzt werden.» Der Wirtschaftsstandort Schweiz müsse mit Nachteilen rechnen.
Erfreut reagierte dagegen Peter Kälin, Präsident von Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz. «Der Ständerat hat gesundheitliche Bedenken höher gewertet als die kurzfristigen Interessen der Mobilfunkanbieter», sagte der Arzt. Die Vereinigung setzt sich gegen die Lockerung der Grenzwerte bei der Mobilfunkstrahlung ein. Eine solche sei «weder gesundheitlich bedenkenlos noch für den Ausbau des Mobilfunks und die Sicherstellung der Digitalisierung notwendig», argumentiert die Organisation. Sie konnte auf die Unterstützung des Schweizer Bauernverbands, des Hausvereins Schweiz und des Dachverbands Schweizerischer Patientenstellen zählen.
Unmut über zweiten Vorstoss
Aus den Wortmeldungen in der kleinen Kammer wurde klar, dass sich viele Ständeräte vor allem darüber wunderten, innerhalb von eineinhalb Jahren erneut über eine ähnliche Vorlage befinden zu müssen. Bereits im Dezember 2016 lehnte der Ständerat einen Vorstoss aus dem Nationalrat für höhere Grenzwerte für Mobilfunkantennen knapp ab, nachdem Gegner vor möglichen gesundheitlichen Auswirkungen gewarnt hatten.
Er sei sich der «unbefriedigenden» Ausgangslage bewusst, sagte Hans Wicki (FDP, NW), Sprecher der zuständigen Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen. Es gelte aber für die Schweiz, «den Anschluss an die Digitalisierung nicht zu verlieren».
Géraldine Savary (SP, VD) nannte die Wiederaufnahme des Anliegens ebenfalls «unerfreulich». Bei ihr sei so der Eindruck entstanden, Swisscom wolle einen günstigen Entscheid regelrecht erzwingen. Savary forderte, das Thema bei der Revision des Fernmeldegesetzes aufzunehmen. «Menschen, die sensibel auf Strahlung reagieren, leiden. Davon zeugen ihre Zuschriften an uns.»
«Die Kritiker sagen, dass die Krebserkrankungen zunehmen. Das ist eine Falschaussage.»
Tatsächlich waren die möglichen Folgen von Mobilfunkstrahlung für das Wohlergehen das prägende Thema während der Debatte. «Es gibt eine Gruppe von Menschen, die besonders empfindlich sind. Dies gilt es ernst zu nehmen», sagte Brigitte Häberli-Koller (CVP, TG) im Namen der Kommissionsminderheit.
Werner Hösli (SVP, GL) merkte an, dass ihm die Sachlichkeit fehle. «Die Kritiker sagen, dass die Krebserkrankungen zunehmen. Das ist eine Falschaussage.» Nicht die Strahlung selbst sei verantwortlich dafür, dass sich gewisse Leute unwohl fühlten, «sondern das Empfinden, dass die Strahlung schadet». Erwiesen sei einzig, dass die Erwärmung des Körpergewebes durch Mobilfunkstrahlung schädlich sei. Isidor Baumann (CVP, UR) fragte, weshalb die Mobilfunkanbieter den Ängsten der Bevölkerung keine Beachtung geschenkt hätten, etwa mit einem Monitoring.
Umweltministerin Doris Leuthard sagte, der Bundesrat nehme Risiken für die Gesundheit nicht leichtfertig in Kauf. Es sei schon immer eine Stärke der Schweiz gewesen, «die technische Entwicklung nicht gegen gesundheitliche Bedenken auszuspielen». Lehne der Ständerat die Motion ab, so sei das schlecht für den Wirtschaftsstandort. Doch selbst dann gilt: Über die Grenzwerte kann die Landesregierung in eigener Kompetenz entscheiden.
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