5G: Swisscom passt den Zeitplan an
Der Ständerat hält fest am strengen Strahlenschutz für Handyantennen. Jetzt müssen die Mobilfunkanbieter bei der Lancierung des neuen 5G-Netzes über die Bücher.

Einmal mehr haben die Strahlengegner die mächtigen Lobbyisten der Schweizer Mobilfunkanbieter ausgestochen. Knapp lehnte es der Ständerat am Montag ab, die Strahlenschutzwerte für Mobilfunkantennen zu lockern. Die kleine Kammer stimmte gegen eine entsprechende Motion.
Bereits im Dezember 2016 hatte der Ständerat einen ähnlichen Vorstoss aus dem Nationalrat knapp abgelehnt. Die Lockerung der Grenzwerte beim Strahlenschutz gilt als Voraussetzung dafür, dass die Mobilfunkanbieter das neue 5G-Netz rasch aufziehen können.
Wie die gut organisierten Strahlengegner den Ständerat erneut von ihrem Anliegen überzeugen konnten, liess Géraldine Savary (SP, VD) in der Debatte vom Montag durchblicken: «Wir haben Hunderte Briefe von Personen erhalten, die schon heute unter nicht ionisierender Strahlung leiden. Diese Leute leben auf unserem Territorium, und wir müssen ihre Anliegen berücksichtigen.»
Pläne überdenken
Die Schweizer Mobilfunkanbieter hingegen müssen nach dem Entscheid des Ständerats ihre Pläne für 5G noch einmal überdenken. Marktführer Swisscom bestätigte, am vorgezogenen Start von 5G per Ende Jahr festzuhalten. Vorgesehen ist, das schnelle Netz punktuell auszurollen. «Allerdings wird es jetzt nicht mehr möglich sein, wie geplant bis zum Jahr 2020 die Bevölkerung breit mit dem neuen Mobilfunkstandard abzudecken», sagte Swisscom-Sprecher Armin Schädeli.
Der staatsnahe Anbieter mit seinen 6,6 Millionen Mobilfunkkunden hatte bei der Bevölkerungsabdeckung ähnliche Werte wie bei der aktuellen Spitzentechnologie 4G ins Auge gefasst: über 99 Prozent bis in zwei Jahren. Weil nun dafür mehr Antennenstandorte nötig werden und die Baubewilligungen zeitaufwendig sind, rechnet die Swisscom mit Verzögerungen. «Das 5G-Netz wird lückenhaft sein, und das volle Potenzial von 5G wird nicht genutzt werden können», sagte Schädeli.
Video: Sunrise und Huawei testen 5G
Heftig fällt die Reaktion bei Sunrise aus, der Nummer zwei im Schweizer Mobilfunkmarkt. Sunrise-Sprecher Rolf Ziebold sprach von einem «schwarzen Tag für die Schweiz. Wir sind sehr enttäuscht und haben auf den richtigen Entscheid der Politik gehofft.» Der Ständerat habe gegen neue Technologien entschieden. Die Schweiz werde nicht oder nicht so schnell wie in den übrigen Ländern in den Genuss von all den neuen 5G-Anwendungen kommen.
Die Anbieter müssten rund 15'000 zusätzliche Antennen in der Schweiz bauen, um eine breite Abdeckung zu erreichen. «Wir prüfen nun eingehend, wie stark sich der Entscheid des Ständerats auf unsere Einführungspläne für 5G auswirkt», sagte Ziebold. Sunrise-Chef Olaf Swantee hatte angekündigt, das Unternehmen wolle im Jahr 2020 ein «starkes 5G-Netz» haben. Mit Sunrise telefonieren 2,4 Millionen Kunden mobil.
5G-Funktionen eingeschränkt
Salt bedauert das Votum der kleinen Kammer. «Dadurch wird die Weiterentwicklung unseres Netzes beeinträchtigt», sagte Salt-Sprecher Benjamin Petrzilka. Die Nummer drei mit 1,2 Millionen Kunden fordert weiterhin von der Politik, dass sie die Grenzwerte für die Strahlung von Handyantennen erhöht. «Nur so kann 5G in der Schweiz sinnvoll lanciert werden», sagte Petrzilka. Salt hält ebenfalls an den Plänen zur Lancierung des schnellen Mobilfunkstandards in der Schweiz fest.
Als Zeitpunkt ist das Jahr 2020 vorgesehen. «Beim Start von 5G ist aber von einer eingeschränkten Funktionalität des Netzes auszugehen», sagte Petrzilka. Für Nutzer bedeutet das eine geringere Verfügbarkeit und tiefere Übertragungsgeschwindigkeit, da die Antennen aufgrund der strengen Grenzwerte nicht die volle Sendeleistung für 5G abrufen können.
Grenzwerte künstlich erhöhen
Weil der Strahlenschutz in einer Verordnung festgeschrieben ist, kann der Bundesrat die Grenzwerte eigenmächtig ändern. Dem Vernehmen nach verzichtet die Mobilfunkbranche darauf, direkt bei der Landesregierung zu intervenieren. Der Grund ist, dass sich die Anbieter geringe Chancen für einen Alleingang des Bundesrats ausmalen. Doris Leuthard hatte am Montag im Ständerat angedeutet, den Entscheid der kleinen Kammer zu respektieren. Mit Blick auf die entsprechende Motion sagte die Bundesrätin den Ständeräten: «Wenn Sie das abweisen, werden wir das weiterhin in die Schublade legen.»
Branchenkenner sehen als winzige Chance der Einflussnahme, dass die Ausführungsbestimmungen der Verordnung angepasst werden. Beispielsweise liesse sich das Messverfahren in der Schweiz so abändern, dass die Grenzwerte künstlich erhöht würden. Als Massstab könnte das Ausland dienen: Hierzulande gelten beim Strahlungsschutz feste Höchstwerte, in Europa hingegen nur Durchschnittswerte.
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