65 Jahre im Zirkuswagen
Der Zirkus Stey besinnt sich auf seine Wurzeln. Mit traditionellen Jongleur- und Seilnummern, lustigen Tierauftritten und einem traurigen August.
Uster - Der Anblick eines Zirkuszelts weckt bei vielen schöne Kindheitserinnerungen. Die Älteren erinnern sich an die Zeit, als Pferde, Ziegen, Schweine und Hunde noch die Stars der Manege waren; Tiger, Seelöwen und Elefanten suchte man im Zirkus damals vergeblich. «Wir werden den Zuschauern das bieten, was sie von einem klassischen Zirkus erwarten», sagt Alt-Zirkusdirektor Rolf Stey, der es liebt, in die Rolle des traurigen August zu schlüpfen. Er ist ein Clown, der wenig spricht - umso ausdrucksstärker ist seine Mimik. Sogar die Kinder, die soeben noch laut johlten und tobten, sind plötzlich mucksmäuschenstill.
Das traditionelle Programm mit einer Pferdedressur- und einer Jongliernummer und dem als Frosch verkleideten Schlangenmenschen Denis Navolnev, der seine Gliedmassen so lange zurechtbiegt, bis er in eine kleine Glaskiste passt, scheint anzukommen: «In Effretikon war die Stimmung super, die Kinder waren richtig begeistert», schwärmt Stey senior. «Mein Motto war stets: Wenn ich es nicht schaffe, dass die Leute zufrieden sind, mache ich keinen Zirkus mehr.»
Als Kind gefiel Rolf Stey das nomadenhafte Leben. «Ich dachte: Es muss langweilig sein, stets am gleichen Ort zu wohnen. Ich ging alle paar Tage an einem anderen Ort zur Schule und hatte überall Kollegen und Freunde.» Mit drei lernte Rolf das Balancieren auf einem Seil - wie bei seinen Vorfahren fliesst auch in seinen Adern Zirkusblut. Rolfs Grossvater hatte 1949 das erste Zirkuszelt gekauft. Die Familie Stey sei jedoch bereits im Mittelalter mit einem offenen Wandertheater umhergezogen, weiss der 65-Jährige zu berichten.
Weltberühmte Messernummer
Die Blütezeit der Zirkusse begann nach dem Zweiten Weltkrieg. Rolf Stey führte viele Jahre lang eine Messernummer auf, die ihn weltberühmt machte. Er war der einzige Messerwerfer, der auf einem Seil balancierte und von dort aus Messer auf eine sich drehende Scheibe warf, an die sich seine Frau Irene klammerte. Mit dieser Nummer trat er in der ganzen Welt und in unzähligen TV-Shows auf. In den 80er-Jahren gab es in der Schweiz gegen 20 Zirkusse - mehr als je zuvor. Einige Familien, die stetig grösser geworden waren, teilten sich und gründeten neue Zirkusse: So ist etwa der Zirkus Royal ein Abkömmling des Zirkus Stey. Die Konkurrenz wuchs, was dazu führte, dass einige Zirkusse pleite gingen. Bis in die 70er-Jahre habe man mit einem Zirkus noch Geld verdienen können, findet Rolf Stey, heute sei es ein Kampf ums Überleben. Am Ende dieser Saison entscheidet sich, ob der Sommerzirkus Stey, den mehrere Generationen kennen, weiterexistieren wird. In den letzten Jahren sei vieles schwieriger und komplizierter geworden. Uster zum Beispiel sei früher eine zirkusfreundliche Stadt gewesen. Heute sei ein grosser administrativer Aufwand nötig, damit man eine Bewilligung erhalte, Plakate aufzuhängen. «Solche Bewilligungen sind teuer - das können wir uns als kleiner Zirkus nicht leisten. Dabei sind wir dringend auf Werbung angewiesen, damit wir überleben können.»
Rolf Stey hat die Zügel Anfang Saison seinem Sohn Martin übergeben, steht ihm aber weiterhin mit Rat zur Seite. Er glaubt daran, dass die laufende Saison erfolgreich wird. «Ich habe ein gutes Gefühl, die Leute haben unser neues Programm, mit dem wir zu unseren Wurzeln zurückgekehrt sind, positiv aufgenommen.» Ein Highlight sind die Tiernummern: Die tschechische Miss Helena schlägt mit ihrem Hund zusammen Purzelbäume; als sie einen Handstand macht, springt das Tier zwischen ihren Beinen hindurch. Der Esel lässt die Ziege auf sich reiten und auch das auf seinen Namen hörende Schwein zieht das Publikum in seinen Bann. Bis Ostermontag gastiert der Zirkus Stey in Uster, danach in Dübendorf (7. und 8. April), Gossau (13. und 14. April) und Mönchaltorf (20. und 21. April). Rolf Stey liebt das Zirkusleben, obwohl manches schwieriger geworden ist. Foto: Christoph Kaminski
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