80 Tage inhaftiert – in der Luxus-Suite des Ritz-Carlton
Der Kampf gegen die Korruption in Saudiarabien treibt seltsame Blüten: Beschuldigte werden im Luxushotel eingesperrt – bis sie sich freikaufen.

Zum Ende seiner Fünf-Sterne-Gefangenschaft hat Saudi-Arabiens reichster Mann eine kleine Führung durch die Räume gewährt, in denen ihn die Regierung mehr als 80 Tage festgehalten hatte – ohne dass er mit der Öffentlichkeit kommunizieren durfte. Den Reporterinnen der Agentur Reuters wurde gestattet, die Suite im Hotel Ritz-Carlton von Riad zu filmen, dem teuersten Haus der Stadt: ein privates Büro, vor sich eine Tasse mit einem Porträt von sich selbst, ein Speisesaal mit einer Tafel für 14 Personen ebenso wie die Küche. «Meine Salate, meine Cola Light», sagte Prinz Alwaleed bin Talal. Er fühle sich wie zu Hause, sein Friseur besuche ihn.
«Es gibt überhaupt kein Problem, alles ist gut», sagte der Prinz, der einen sauber gestutzten Bart trug und dessen Vermögen Forbes 2017 auf 17,4 Milliarden Dollar schätzte, Platz 37 unter den reichsten Menschen der Welt. Seine Inhaftierung sei ein «Missverständnis», es gebe keine Anklage, er werde seine Unschuld beweisen.
Bin Talal, 62, der weltbekannte Investor, der Anteile an Citigroup, Apple, Twitter, Time Warner und Hotelketten hält, war der prominenteste unter elf Prinzen sowie Hunderten Geschäftsleuten und Angehörigen der politischen Elite des Königreichs, die am 4. November vergangenen Jahres in Gewahrsam genommen worden waren. Kronprinz Muhammad bin Salman wolle mit der beispiellosen, im Geheimen vorbereiteten Kampagne die Korruption bekämpfen, hiess es – zumindest offiziell. Und damit 100 Milliarden Dollar für die Staatskasse zurückholen.
Das «Missverständnis», von dem bin Talal sprach, ist offenbar durch eine Zahlung in unbekannter Höhe beigelegt worden; laut Wall Street Journal verlangte Riad mindestens sechs Milliarden Dollar. Regierungsquellen liessen lediglich verlauten, der Generalstaatsanwalt habe am Samstagmorgen die Einigung mit bin Talal akzeptiert; dieser sei vormittags in sein Haus in Riad zurückgekehrt, was Verwandte bestätigten. Nur dass er weiter die Geschäfte seiner Kingdom Holding führe, wurde mitgeteilt.
Potenzielle Rivalen kaltstellen?
Keine Seite machte weitere Details bekannt, weder über die Vorwürfe noch über den Deal. Kurz nach seiner Festnahme sprachen Regierungsmitarbeiter von schweren Straftaten wie Geldwäsche, Bestechung und Erpressung. Nun hiess es lediglich, wer eine Einigung mit dem Generalstaatsanwalt erziele, habe sein Fehlverhalten schriftlich eingestanden und zugesagt, es nicht zu wiederholen.
Im Interview sagte bin Talal, dass er die ambitionierten Reformen des Kronprinzen unterstütze; beide sind Enkel von Staatsgründer Abdualziz al-Saud. Öffentlich hatte bin Talal schon zuvor die Reformen begrüsst, privat soll er sich weniger begeistert geäussert haben. Es gab in seinem Fall und bei einigen anderen inhaftierten Prinzen mindestens Gerüchte, der erst 32 Jahre alte Thronfolger Muhammad bin Salman, von vielen nur bei seinen Initialen MBS genannt, wolle Kritiker und potenzielle Rivalen kaltstellen. Das Video hatte wohl auch den Sinn, die körperliche Unversehrtheit des Prinzen zu beweisen, nachdem es Gerüchte gab, Insassen des Ritz seien gefoltert worden.
Andere Inhaftierte sind inzwischen wieder in ihren alten Stand eingesetzt worden – wohl nachdem sie ihre Unschuld bewiesen hatten. So leitete der ehemalige Finanzminister Ibrahim al-Assaf die Delegation des Königreichs in Davos und nimmt im Range eines Staatsministers auch wieder an Kabinettssitzungen teil. Ihm war zur Last gelegt worden, er habe beim Ausbau der Grossen Mosche von Mekka Geld unterschlagen und Insiderinformationen für Grundstücksgeschäfte benutzt. Wie al-Assaf sollen bislang etwa 90 Inhaftierte freigekommen sein. 95 andere Beschuldigte, die keine Deals schlossen, sollen in ein Gefängnis überstellt worden sein; ihnen stehen Prozesse bevor.
Nun, da bin Talal ausgezogen ist, öffnet das Ritz am 14.Februar wieder für Gäste. Die Zimmerpreise beginnen bei 560 Euro die Nacht.
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