Dieser Mann jagt den Football-Weltrekord
Jacob Barnor fliegt gerade kreuz und quer durch die USA, er will alle Stadien der National Football League in Rekordzeit gesehen haben. Ein teurer Spass.

Wenigstens am Dienstag gibt es kein Bier. Dafür viel Schlaf, Erholung, ein Bad im Pool vielleicht. Eines aber sicher nicht: Bier. Und bloss kein Football. Da ist Jacob Barnor konsequent.
Das Leben des 24-jährigen Engländers aus Leeds ist anstrengend derzeit: Er jagt den Weltrekord, Partien in sämtlichen Stadien der National Football League (NFL) und Heimspiele aller 32 Teams in weniger als 84 Tagen, 10 Stunden und 25 Minuten zu besuchen. Dies ist bislang die Bestmarke, aufgestellt vor vier Jahren durch die Amerikanerin Alicia Barnhart.
Crazy? «Ja. Aber ich wollte sowieso einmal im Leben alle NFL-Stadien gesehen haben. Wieso also nicht alle in der kürzestmöglichen Zeit?», fragt Barnor am Telefon zurück. Er ist gerade in San Francisco erwacht und hat da die zweite Hälfte seiner Reise noch vor sich. Gut zwei Wochen später ist er bei 20 Stadien angelangt, und Barnor weiss trotzdem noch immer, in welcher Stadt er gerade erwacht: Letzten Montag war es New York, am Donnerstag Minneapolis, gestern Indianapolis. Kreuz und quer. 27 Inlandflüge hat er gebucht.

Und wenn am Donnerstag, 27. November, das Spiel zwischen den Atlanta Falcons und den New Orleans Saints abgepfiffen wird und Barnor seinen Plan durchgezogen hat, wird er Weltrekordhalter sein. Mit 84 Tagen und ungefähr 3 Stunden. Alle 2,6 Tage wird er ein Spiel gesehen haben.
«Es ist fantastisch», ruft er durch neun Zeitzonen ins Handy, «die beste Erfahrung meines Lebens.» Barnor arbeitet bei einem englischen Buchmacher, Spezialgebiet: US Sports. Er hat keine Partnerin und keine Kinder, aber in seinen ersten Berufsjahren schon genug angespart, um sich eine solch verrückte Idee leisten zu können. Eigentlich dachte er, er spare für ein Haus, «aber was will ich mit 24 mit einem Haus?», fragt er sich irgendwann. «Bin ich schon so erwachsen?» Stattdessen beantragt er drei Monate unbezahlte Ferien.
Bis zu 25'000 Franken kostet die Reise
Als im April die NFL den Spielplan veröffentlicht, setzt sich der Footballfan um 1 Uhr morgens an den Computer und klickt sich bis 6 in der Früh durch alle Möglichkeiten. Wenige Tage später steht der Reiseplan. Danach bucht er die Flüge, reserviert Mietautos, sucht Hotels, Hostels, Airbnbs – und bestellt die Eintrittskarten, sie gehen besonders ins Geld. Auf dem Zweitmarkt sind in gewissen Stadien kaum Tickets unter 150 Dollar zu erhalten. 15 000 bis 20 000 Pfund dürfte ihn die Reise kosten, rechnet er vage vor, gegen 25 000 Franken also, «doch so ganz genau weiss ich das erst am Schluss».

Seit Anfang September ist Barnor unterwegs, und der Rhythmus ist hoch. Jeden Donnerstag und fast jeden Montag sieht Barnor einen Match – den Sonntag dazwischen, den Hauptspieltag der NFL, verbringt er in einem geografisch günstig gelegenen Stadion. Montag, Mittwoch und Freitag (oder Samstag) sind Reisetage, bleibt: der Dienstag. «Und am Dienstag brauche ich kein Football, kein Bier, ich will noch nicht einmal ans Tageslicht», sagt er lachend.
Faszinierendes Tailgate
Denn an Spieltagen gibt es Alkohol genug. Zyniker behaupten: Nur deshalb treffen sich die Amerikaner überhaupt zum Football. Tailgate nennt sich die Tradition, die in den USA vor jedem Spiel zu beobachten ist: Horden von Fans, die auf dem Stadionparkplatz Bier in sich reinkippen und Rippchen, Chicken-Wings oder Hotdogs verzehren. Vom Grill auf der Ladefläche des Pick-ups, versteht sich – daher der Name Tailgate.
Dass es sogar eine «Tailgating Hall of Fame» gibt, kam Barnor entgegen: An sie wandte er sich, um Kontakte zu knüpfen. Allein zu feiern, mag einmal gehen – drei Monate hält das keiner durch. Dank der «Hall of Fame»-Mitglieder findet Barnor an jedem Spielort Gesellschaft und sammelt Fanutensilien in allen erdenklichen Farben – wobei ihm die Sachen seiner San Francisco 49ers die liebsten bleiben. Doch bei den Spielen trägt er sowieso nur das Shirt, das ihn als «Football Wanderer» identifiziert. «32 Games, 84 Days, 1 World Record», steht darauf geschrieben.

Damit das «Guinnessbuch der Rekorde» ihn als Rekordhalter akzeptiert, muss Barnor einige Bedingungen erfüllen. Er trägt ständig einen GPS-Tracker auf sich und filmt den Kick-off sowie den letzten Spielzug jeder Partie. Und: Ein Funktionär des Heimteams muss seine Anwesenheit mit einer Unterschrift beglaubigen.
Nicht immer klappt das einfach so. Als er bei den New England Patriots zu Gast ist, fehlt ihm ein Kontakt. Erst nach einem Hilferuf auf Twitter am Spieltag selbst meldet sich ein Offizieller bei ihm, gibt ihm die Unterschrift – und führt ihn kurzerhand durch das Stadion. Überhaupt zeigen sich die Clubs gastfreundlich. In Jacksonville schenken ihm die Jaguars ein Ticket-Upgrade. In Miami darf er nach dem Spiel aufs Feld. Die Denver Broncos porträtieren den Football-Wanderer auf ihren Social-Media-Kanälen.
Das Visum läuft bald ab
Fehler darf sich Barnor bei seinem Abenteuer keine leisten. Oder krank werden. «Oder sonst Mist machen», wie er sagt. Denn seinen strikten Zeitplan muss der Brite nicht nur einhalten, um den Weltrekord zu brechen. Sondern auch, um nicht das Gesetz zu brechen. Am Tag nach seinem letzten Match an Thanksgiving geht der Rückflug von Atlanta. Es ist sein 90. Tag in den USA: Das Touristenvisum läuft ab.
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