Interview über offene Gärten«Abends fühle ich mich ganz erfüllt»
Am 11./12. Juni öffnen viele Gärten in der Schweiz ihre Pforten für Besucher. Andrea Frölich erzählt, warum sie und ihr Mann bereits seit zehn Jahren bei dieser Aktion mitmachen.

Frau Frölich, Sie und Ihr Mann öffnen Ihren Garten ein paarmal im Jahr für jedermann – wieso machen Sie das?
Aus verschiedenen Gründen. Wir interessieren uns für Themen wie Vernetzung und Lebenskreislauf, Werden und Vergehen – all dies lässt sich in einem Garten sehr gut veranschaulichen.
Sie möchten den Leuten also Ihre Philosophie weitergeben?
Ich möchte nicht missionieren, aber ich möchte sie ein wenig wachrütteln, zeigen, wie vernetzt und vergänglich alles ist. Ich möchte die Leute inspirieren und sie einen neuen Blickwinkel auf das Leben und die Natur einnehmen lassen.
Und teilen somit während ein paar Tagen einen sehr persönlichen Ort.
Ja, der Garten ist schon persönlich und privat, aber trotzdem nicht so privat wie das Haus. Wir schätzen den Austausch mit anderen Menschen, und nicht zuletzt haben uns die offenen Gartentage geholfen, hier anzukommen. Wir sind aus dem Unterland in die Berge gezogen und haben auf diese Weise die verschiedensten Leute aus der Region kennen gelernt.

2013 haben Sie den Garten schon kurz nach dem Anlegen das erste Mal für Publikum geöffnet. Damals war er noch mitten im Entstehen.
Das stimmt, jedoch hat sich der Garten ziemlich rasch entwickelt, und kaum jemand konnte glauben, dass er erst drei Jahre alt ist. Für einige Besucher ist genau dies die Motivation für einen Besuch: Weil sie sehen möchten, wie sich der Garten über die Jahre verändert.
Sie haben Besucher, die immer wieder kommen?
Ja, einige besuchen uns jedes Jahr. Eine Frau zum Beispiel kommt, weil sie sehen möchte, was sich rund und im Teich gerade tut. Andere kommen an jedem der möglichen Daten – also viermal im gleichen Jahr – um das Verändern des Gartens innerhalb der Saison mitzuerleben.
Was sind das für Leute?
Einige kommen aus der Stadt, andere aus dem Dorf. Einige interessieren sich vor allem für den Garten, bei anderen handelt es sich um Freunde, die sich freuen, uns mal wieder zu sehen. Einige kennen wir also, andere nicht. So treffen im Garten die unterschiedlichsten Leute zusammen – dieses Vernetzen passt sehr schön in unsere Lebensphilosophie.
Die offenen Gärten finden ohne Voranmeldung statt. Habt ihr also jeweils keine Ahnung, wie viele kommen werden?
Ja, wir öffnen um 11 Uhr den Garten und wissen nicht, was an diesem Tag auf uns zukommt. Meistens kommen zwischen 15 und 35 Leute, und interessanterweise kommen sie immer schön über den Tag verteilt. Es sind abwechslungsreiche Tage, und abends fühle ich mich ganz erfüllt.

Und Sie haben noch nie schlechte Erfahrungen gemacht?
Nicht wirklich. Während einigen Jahren kam eine Person, die jeweils sehr vereinnahmend war und uns wenig Zeit liess, uns mit anderen Besuchenden auszutauschen. Aber wir schafften es, dies auf eine gute Art zu lösen.
Wie läuft es konkret ab? Gehen Sie mit den Leuten auf einen Rundgang oder lassen Sie sie den Garten selber erkunden?
Ich erkläre jeweils zu Beginn, dass sie überall spazieren dürfen, wo der Weg frei ist. Dann sage ich noch, dass sie im Garten auf ein paar Texte stossen werden, die zum Sinnieren anregen und praktische Tipps für einen naturnahen Garten geben. Die Besuchenden erkunden den Garten dann selber, und wir stehen für Fragen zur Verfügung. Meistens setzen sie sich am Schluss an den Tisch zu Getränken und Güetzi. Da entstehen auch immer wieder schöne Situationen und Geschichten.

Zum Beispiel?
Einmal trafen zufälligerweise eine 90-jährige Handarbeitslehrerin und eine ihrer ersten Schülerinnen aufeinander. Einmal bekamen wir mit, dass eine 86-jährige Mutter noch auf der Suche war nach einem Ort für ihre Geburtstagsfeier – wir boten ihnen spontan an, bei uns im Garten unter dem Apfelbaum zu feiern, was sie dann auch taten.
Welches sind die häufigsten Fragen?
Auf einige Besuchende wirkt der Garten wild und ungeordnet. Das kommt daher, dass wir ihn sehr unkonventionell angelegt haben als Spirale und weil wir viele verschiedene, sich selber versamende Pflanzen haben. Im Gespräch versuchen wir dann zu erklären, was wir weshalb wachsen oder stehen lassen, welche Lebensräume wir bewusst geschaffen haben und was für Insekten, Vögel und Amphibien hier leben. So sehen sie den Garten auf einmal mit anderen Augen. Ich bekomme aber auch viele Inputs. Zum Beispiel mache ich den Meerrettich jedes Jahr im Herbst nach einem Rezept einer Besucherin ein.
«Der Garten ist ein fortwährender Lebensprozess, er ist im ständigen Wandel, das dürfen die Leute auch sehen.»
Wie bereiten Sie sich und den Garten darauf vor? Sind Sie tagelang am Jäten?
Ich versuche den Garten während der ganzen Saison in der Balance zu halten zwischen Chaos und Ordnung. Somit sind wir sowieso immer ein wenig mit der Pflege beschäftigt. Natürlich möchte man ihn aber an den offenen Tagen besonders schön präsentieren. Da muss ich immer wieder austarieren mit mir selber, dass es nicht zum Stress wird für mich und ich nicht das Gefühl habe, er müsse nun perfekt sein. Der Garten ist ein fortwährender Lebensprozess, er ist im ständigen Wandel, das dürfen die Leute auch sehen. Aber so ein bis zwei Tage vorher gehe ich gezielt durch den Garten und befreie vor allem die Wege. Einige der Pflanzen, die ich dabei ausgrabe, dürfen Besucher bei Interesse mitnehmen. So geht das Vernetzen, Wachsen, Werden und Vergehen an einem neuen Ort weiter.
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