«Abschussgesetz»: Tierschützer drohen mit Referendum
Geben kantonale Behörden jagdbare Tiere während der Schonzeit zum Abschuss frei, sollen Umweltverbände dagegen nicht mehr rekurrieren dürfen. Der Plan der Bürgerlichen ist umstritten.

Am Anfang stand dieser Auftrag: Der Bundesrat soll einen Entwurf für die Anpassung des Jagdgesetzes «zum Zweck der Bestandesregulierung bei Wolfspopulationen» vorlegen, verlangte der Bündner Ständerat Stefan Engler in einer Motion. Das war 2014.
Heute, fünf Jahre später, ist aus der Forderung des CVP-Politikers eine reich befrachtete Gesetzesrevision erwachsen. Übernächste Woche wird der Nationalrat über die Regulierung bedrohter Arten wie Wolf, Luchs oder Biber befinde. Das geltende Jagd- und Schutzgesetz sei ein Kompromiss zwischen Schutz, Regulierung und Jagd, bilanzieren die Umweltverbände. Aus den geplanten Neuerungen ergebe sich nun aber ein «Abschussgesetz». Sollte der Nationalrat die Vorlage nicht «deutlich verbessern», ergreifen die Verbände das Referendum.
«Schnellschüsse» befürchtet
In der Öffentlichkeit bislang kaum beachtet ist ein weiteres vorgesehenes Novum im Rahmen der Revision: Entscheiden kantonale Behörden, jagdbare Tiere wie Wildschweine oder Kormorane während der Schonzeit abzuschiessen, sollen Verbände in Zukunft nicht mehr dagegen rekurrieren dürfen. So fordert es die bürgerliche Mehrheit der vorberatenden Umweltkommission des Nationalrats. Damit liessen sich aus ihrer Sicht insbesondere in der Landwirtschaft Verluste verhindern, wenn etwa Hirsche Obstkulturen schädigen würden. «Bis die Beschwerde erledigt ist, ist die Obstkultur zerstört», sagt der Walliser Nationalrat Franz Ruppen (SVP). «Man muss sofort handeln.»
Geschützte Tiere wie den Wolf würde die Einschränkung nicht betreffen.
Der Plan ist umstritten. «Wir befürchten, dass es mehr Schnellschüsse geben wird und diese zur Regel werden», sagt Sara Wehrli von Pro Natura. 2018 zum Beispiel hiess das Kantonsgericht Freiburg eine Beschwerde der Umweltorganisation gut, die sich gegen Abschussbewilligungen für Wildschweine und Rehe während der Schonzeit gerichtet hatte. Wie viele solcher Fälle es in den letzten Jahren gegeben hat, war gestern nicht in Erfahrung zu bringen. Jedenfalls wären solche Rekurse in Zukunft nicht mehr möglich. Zwar beträfe die Einschränkung die – besonders sensiblen – Fälle von geschützten Arten wie dem Wolf nicht. Wehrli von Pro Natura befürchtet allerdings eine «Salamitaktik» des Parlaments.
Vorwurf der «systematischen Verhinderungspolitik»
Bereits in der Vergangenheit versuchten bürgerliche Kreise, das Verbandsbeschwerderecht einzuschränken, etwa mit jener von FDP-Exponenten lancierten Volksinitiative, die dieses Recht dann ausschliessen wollte, wenn es um Entscheide des Volks oder von Parlamenten geht. Auslöser war ein Beschwerdeverfahren gegen das geplante Hardturmstadion in Zürich. Das Stimmvolk verwarf das Ansinnen 2008 mit einer Zweidrittelmehrheit.
Von einer «systematischen Verhinderungspolitik», wie damals den Umweltverbänden vorgeworfen, ist heute im bürgerlichen Lager kaum die Rede. Betont wird vielmehr der «grosse Verwaltungsaufwand», der wegfalle, wenn ein Abschuss nicht mehr formell verfügt und beschwerdefähig publiziert werden müsse.
Nur noch Bund als Korrektiv
Sollten sich die Bürgerlichen durchsetzen, bleibt als mögliches Korrektiv nur noch das Bundesamt für Umwelt (Bafu). Würden die Fachleute von Umweltministerin Simonetta Sommaruga (SP) ihre Aufsichtsrolle folglich verstärkt wahrnehmen? Das Bafu hält dazu fest, die Kantone besprächen bereits heute oft die geplanten Abschüsse, bevor sie diese verfügen. Das Bafu könne so beratend einwirken. Zudem prüfe es alle publizierten kantonalen Verfügungen, sagt eine Sprecherin. «Auch in Zukunft wird das so bleiben.»
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