Actelion: Die Knackpunkte eines Deals mit Johnson & Johnson
Mitgründer Jean-Paul Clozel will den Löwenanteil der Forschung behalten, das reife Geschäft aber verkaufen.

Seit dem 22. Dezember verhandeln Actelion und der US-Mischkonzern Johnson & Johnson wieder. Einfach ist das nicht. Denn Jean-Paul Clozel, der die Baselbieter Biotech-Gruppe 1997 gemeinsam mit seiner Frau Martine gründete, ist sehr darauf bedacht, die Zukunft ihres Lebenswerks zu sichern. Ihr Ziel sei es, Actelion zum europäischen Gegenstück von Genentech zu machen, sagte Clozel vor dem Börsengang im April 2000.
Heute beschäftigt Actelion weltweit über 2500 Mitarbeitende und erzielte 2015 gut 2 Milliarden Franken Umsatz. Die US-Biotech-Gruppe Genentech wurde vor Jahren in Roche integriert und liefert dort einen hohen Gewinnbeitrag. Actelion-Chef Clozel dagegen will vermeiden, dass sein Lebenswerk zum Gewinnlieferanten eines Konkurrenten degradiert wird. Er will Actelion zum Ursprung zurückführen und sie wieder voll auf die Forschung konzentrieren.
Das scheint nun auch Johnson & Johnson begriffen zu haben, nachdem eine erste Verhandlungsrunde am Veto von Clozel gescheitert ist. Die neuen Kaufgespräche drehten sich neu darum, Actelion in zwei Unternehmen aufzuspalten, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters nach Weihnachten. Inzwischen wird in Umrissen sichtbar, wie ein Deal mit Johnson & Johnson aussehen könnte. Der Vorschlag, Actelion aufzuspalten, stamme von Clozel, heisst es im Umfeld der Unterhändler. Dieser wolle so verhindern, dass die Forschung nach einem Verkauf von Actelion heruntergefahren oder gar eingestellt werde.
Milliarden für die Forschung
Um dieses Ziel zu erreichen, soll der reife Firmenteil mit den im Markt etablierten Medikamenten gegen Lungenhochdruck abgetrennt und von Johnson & Johnson übernommen werden. Dazu gehören die Medikamente Tracleer sowie die Nachfolgeprodukte Opsumit und Uptravi. Sie machen zusammen fast den gesamten Umsatz und Gewinn von Actelion aus. An Johnson & Johnson gehen sollen auch die dazugehörenden Fabriken, das Marketing, der Vertrieb und die dort beschäftigten Mitarbeiter. Plus jener Teil der Forschung, der an der Weiterentwicklung der Präparate gegen Lungenhochdruck arbeitet.
Nicht aus der Hand geben will Clozel dagegen jenen Teil der Forschung, der an neuen Wirkstoffen arbeitet. Im Fokus steht die Entwicklung eines Antibiotikums gegen Darmbakterien und ein Wirkstoff zur Behandlung von multipler Sklerose. Hier haben sich die Forscher in Bereiche vorgewagt, die für Actelion Neuland sind. Ob diese Präparate die Hürden der Zulassung schaffen und ob sie am Markt erfolgreich sein werden, ist offen. Bis sie nennenswerte Gewinne erzielen, kann es jedenfalls noch Jahre dauern. Actelion steckt pro Jahr über eine halbe Milliarde Franken in die Forschung, im Bereich Forschung und Entwicklung arbeiten über 800 Spezialisten. All jene Forscher, die an der Entwicklung neuer Präparate arbeiten – und das ist der Löwenanteil – sollen bei Actelion bleiben.
Kurz: Wenn Clozel seine Vorstellung durchsetzen kann, verkauft Actelion alles, was am Markt etabliert ist und Geld bringt mitsamt dem Gros der Belegschaft an die Amerikaner. Und konzentriert sich künftig voll auf die Forschung an neuen Wirkstoffen. Um die Kontrolle über diesen zurückbehaltenen Teil der Forschung zu behalten, soll Johnson & Johnson daran nur eine Minderheit erwerben. Als Entgelt für diese Beteiligung sollen die Amerikaner die Forschungsgelder für mehrere Jahre einschiessen, die Actelion benötigt, um die neuen Mittel zur Marktreife zu entwickeln. Die Rede ist von einem Betrag von 1 bis 2 Milliarden Dollar.
Aktionäre wollen Geld sehen
Die vielen an Actelion beteiligten Anlagefonds dürften mit dem von Clozel angepeilten Deal gut leben können. Sie wollen Geld sehen. Pro Aktie will Johnson & Johnson laut Reuters 260 Dollar zahlen, Actelion als Ganzes wäre damit rund 28 Milliarden Dollar wert. Von diesem Betrag wäre indes, wie gesagt, jener Betrag abzuziehen, den die Amerikaner für eine Minderheitsbeteiligung an dem bei Actelion bleibenden Teil der Forschung einschiessen müssten. Je nach Verhandlungsergebnis blieben immer noch rund 26 oder 27 Milliarden Dollar übrig aus dem Verkauf des reifen Firmenteils, die an die Aktionäre ausgeschüttet würden. Und die Aktionäre blieben mehrheitlich beteiligt am Forschungsteil, der bei Actelion bliebe.
Die Unterhändler von Actelion und Johnson & Johnson haben dem Vernehmen nach bei der eidgenössischen Übernahmekommission vorgefühlt, ob das komplexe Konstrukt eine Chance hat. Diese Vorprüfung dauere noch an, heisst es. «Wir nehmen zu spezifischen Transaktionen nicht Stellung», sagt dazu ein Sprecher der Übernahmekommission.
In der ersten Verhandlungsrunde mit Johnson & Johnson brachte Clozel den Deal in letzter Minute mit zusätzlichen Forderungen zum Absturz. Ob er dies wieder tut, bleibt abzuwarten. Viel Spielraum hat er indes nicht mehr. Das Angebot für Actelion liegt so weit über dem Börsenkurs vor Beginn der Übernahmeverhandlungen, dass der Verwaltungsrat auf einen Deal drängen muss, über den die Aktionäre dann befinden. Die meisten dürften Ja stimmen, da sie viel Bares erhalten – plus ihren Anteil an der bei Actelion bleibenden Forschung.
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