
Vielleicht wird man diesen Carles Puigdemont in Madrid eines Tages noch vermissen. Vorderhand nicht, solange der konservative Regierungschef Mariano Rajoy und sein Partido Popular darauf setzen, mit kompromissloser Härte die katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter zu erschrecken, um in den Wahlen kurz vor Weihnachten neue Mehrheitsverhältnisse in Katalonien zu schaffen.
Aber das ist weit ungewisser als die Kurzzeitwirkung seiner Politik: Vorerst wird Rajoys harte Hand die radikalen Lager auf beiden Seiten stärken. Es ist gegenwärtig nicht mal in den Sternen absehbar, welche Partei in Katalonien am 22. Dezember so stark sein könnte, dass sie eine neue Regierung bilden könnte.
Angeklagt: Puigdemont soll sich wegen Rebellion verantworten. Video: Tamedia/Reuters
Die nationale Regierungspartei PP mit bisher nicht mal zehn Prozent der Wählerstimmen? Die Ciudadanos als nationaler Juniorpartner der PP mit etwas mehr Stimmen, aber dem Image des Strebers in Katalonien, weil sie noch früher als Rajoy schon den «Bundeszwang» nach Artikel 155 der Verfassung anordnen wollten? Die Sozialdemokraten, die zwischen dem 155er und Verhandlungen lavierten, aber letztlich nie in die Rolle eines wirksamen Vermittlers fanden?
Rajoys Kalkül?
Sie alle nicht und vermutlich auch nicht die radikalen Katalanisten der linksnationalistischen ERC und die Antikapitalisten des CUP, die nach der absehbaren Absetzung und Strafverfolgung ihrer Aktivisten stark geschwächt sein werden. Geschwächt sein wird in der Mitte auch die bürgerlich-gemässigte PDCat nach der Strafverfolgung und dem Abgang von Carles Puigdemont und der laufenden Sperre seines Vorgängers Artur Mas, sodass auch sie voraussichtlich keine neue katalanische Regierung wird bilden können.
So wird der am Freitag ausgerufene neue katalanische Staat unter der Kuratel von Madrid zwangsläufig zum gescheiterten Staat – vielleicht das Kalkül in Madrid.
Rajoy will zeigen, dass er und kein anderer künftig den Gang der Ereignisse in Katalonien bestimmt.
Bloss wird dann auch einem späteren Nachfolger Rajoys jener Gesprächspartner aufseiten Barcelonas fehlen, den Puigdemont seit der Abstimmung vom 1. Oktober hätte sein können. Dafür hatte sich der abgesetzte katalanische Regierungschef so stark verbogen, dass er in den eigenen Reihen schon als Verräter galt.

Der ehemalige Bürgermeister von Girona hatte nach den Prügelszenen der Guardia Civil gegen die Abstimmenden am 1. Oktober demonstrativ eine rote Nelke gezeigt, hatte die Unabhängigkeit am 10. Oktober nur symbolisch erklärt und am Donnerstag noch gehofft, mit seinem Einlenken zu Neuwahlen die Anwendung des Bundeszwangs verhindern zu können.
Es half nichts. Rajoy will zeigen, dass er und kein anderer künftig den Gang der Ereignisse in Katalonien bestimmt. Es wird nun zwar auch Neuwahlen im Dezember geben, aber erst einen Tag später, als es Puigdemont vorgeschlagen hatte. Sie werden nicht von Katalonien administriert, sondern von Madrid. Und es ist davon auszugehen, dass kein Parlamentarier, dessen Stimme für die Unabhängigkeit nachgewiesen werden kann, wieder kandidieren darf. Ihnen allen und der Regierung droht ein Strafverfahren, das sie unwählbar macht.
Video – Puigdemont nach der Unabhängigkeitserklärung
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Adéu, Puigdemont
Madrid hat es geschafft: Es ist den katalanischen Regierungschef los, doch schon bald könnte er vermisst werden.