Ägyptische Polizei verhaftet Ex-Premier in der Wüste
Nach einem blutigen Anschlag mit 15 Toten geht der ägyptische Sicherheitsapparat noch schärfer die Muslimbruderschaft vor. Die Polizei verhaftete den Premier des gestürzten Präsidenten Mursi.

Nach einem blutigen Autobombenanschlag auf eine Polizeizentrale im Norden Ägyptens gehen die Behörden wieder verschärft gegen Vertreter der islamistischen Muslimbruderschaft vor. Die Polizei nahm nach eigenen Angaben gestern den Regierungschef des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi bei dem Versuch fest, mit Hilfe eines Schleusers in den Sudan zu flüchten. Die Regierung macht die Muslimbrüder für den Anschlag verantwortlich, bei dem 15 Menschen getötet wurden.
Mursis Ministerpräsident Hisham Kandil war noch zu Amtszeiten im April zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden, weil er ein Gerichtsurteil gegen die jahrzehntealte Privatisierung eines Staatsunternehmens nicht umgesetzt hatte. Im September, zwei Monate nach Mursis Sturz durch die Armee, bestätigte ein Berufungsgericht das Urteil. Im Gegensatz zu Mursi und fast der gesamten Führung der Muslimbrüder blieb Kandil aber zunächst auf freiem Fuss. Nach dem Sturz hatte er sich zunächst gegenüber Versuchen der EU offen gezeigt, zwischen den Islamisten und der neuen, vom Militär eingesetzten Übergangsregierung zu verhandeln.
Muslimbrüder sind «Terrororganisation»
Am frühen Dienstagmorgen hatte ein mutmasslicher Selbstmordattentäter einen mit Sprengstoff präparierten Wagen in die Absperrung vor der Polizeizentrale der Stadt Mansura im Nil-Delta gerammt. Die Wucht der Explosion brachte einen Teil des Gebäudes zum Einsturz, die Druckwelle war nach Angaben von Sicherheitsvertretern noch in 20 Kilometer Entfernung zu spüren. 14 Polizisten und ein Passant starben, mehr als hundert Menschen wurden verletzt. Die Opfer wurden noch am selben Tag beigesetzt. Die Präsidentschaft rief eine dreitägige Staatstrauer aus.
Experten sehen hinter dem Anschlag die Handschrift radikaler Islamisten mit Verbindungen zu al-Qaida. Dagegen machte Regierungschef Hasem Beblawi indirekt die Muslimbrüder verantwortlich, obwohl diese den Anschlag «auf das Schärfste» verurteilten. Kurz nach dem Attentat stufte Beblawi die Muslimbruderschaft als «Terrororganisation» ein – Beobachter werteten dies als Hinweis darauf, dass die Behörden vor dem anstehenden Verfassungsreferendum noch härter gegen die Organisation vorgehen könnten.
Innenminister Mohamed Ibrahim sagte in Mansura, der Anschlag sei «ein Versuch, die Ägypter vor dem Referendum zu terrorisieren». Das Verfassungsreferendum ist nach derzeitigem Stand für den 14. und 15. Januar geplant. Wird die Verfassung vom Volk angenommen, sollen bis Jahresmitte Parlaments- und Präsidentschaftswahlen folgen.
Fast alle hohen Brüder verhaftet
Der Muslimbruderschaft, der auch Mursi entstammt, ist per Gericht de facto bereits verboten. Die Behörden werfen der islamistischen Bewegung auch vor, bewaffnete radikalislamische Aufständische auf der von andauernden Unruhen erschütterten Sinai-Halbinsel zu finanzieren und auszubilden. Nahezu die vollständige Führungsriege der Muslimbrüder und tausende andere Islamisten wurden nach Mursis Sturz verhaftet. Bei der Niederschlagung der Proteste gegen Mursis Entmachtung wurden landesweit mehrere hundert seiner Anhänger getötet.
Die US-Regierung äusserte sich am Montag «tief besorgt» über die «verschlechterten Bedingungen für die Versammlungs- und Meinungsfreiheit in Ägypten». «Die Umsetzung des verschärften Demonstrationsrechts hat zu vermehrten Festnahmen, Verhaftungen und Anschuldigungen gegen Oppositionelle, Menschenrechtler und friedliche Demonstranten geführt», kritisierte Aussenamtssprecherin Jennifer Psaki. Erst am Sonntag waren drei Aktivisten nach Protesten gegen das neue Demonstrationsrecht zu dreijährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon kritisierte, die Inhaftierung der Aktivisten widerspreche «dem Geist der ägyptischen Revolution».
SDA/rub
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