«Ältere müssen beim neuen Job weniger Lohn akzeptieren»
Daniel Neugart hilft älteren Arbeitslosen bei der Stellensuche. Er erklärt, wieso ein stärkerer Kündigungsschutz nicht hilfreich wäre.
Sie trainieren ältere Stellensuchende. Was sind das für Leute?
Sehr unterschiedliche, quer durch den Gemüsegarten. Die Mehrheit ist bereits arbeitslos, immer häufiger melden sich Leute aber auch präventiv.
Gibt es Gemeinsamkeiten?
Wer zu mir kommt, will nicht einfach zu Hause Bewerbungen schreiben und Absage um Absage kassieren. Alle leiden unter der altersbedingten Stigmatisierung.
Der Wirtschaft gehts gut, die Arbeitslosigkeit sinkt. Wird sich das Problem nicht von allein lösen?
Das sehe ich anders. Jobs finden jene, die sich klemmen und etwas unternehmen. Unsere Generation muss begreifen, dass der Arbeitsmarkt, den wir kannten, nicht mehr existiert. Im modernen, flexiblen Arbeitsmarkt gelten ganz andere Spielregeln.
Die Wirtschaft ist der Ansicht, ältere Arbeitnehmer müssten vor allem billiger werden. Sie sollten den Arbeitgeberbeitrag für die Pensionskasse selbst bezahlen. Was halten Sie davon?
Das ist total daneben. Die Kosten des Strukturwandels dürfen nicht einseitig auf die Stellensuchenden abgewälzt werden.
Zu welchem Beitrag wären Sie bereit?
Wir müssen bereit sein, Teilzeitstellen oder Abstriche beim Lohn zu akzeptieren. Manchmal sind zwei Jobs nötig, um davon leben zu können. Niemand, der auf der Suche ist, stellt auf stur.
Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (Skos) informierte heute, dass die Zahl der über 55-jährigen Sozialhilfeempfänger innert fünf Jahren um 50 Prozent gestiegen ist. Was läuft falsch?
Wir haben es verschlafen, den Sozialstaat der fortschreitenden Alterung der Gesellschaft anzupassen. Für ältere Stellensuchende ist vor allem schlecht, dass die Beitragssätze für die Altersvorsorge mit zunehmendem Alter steigen. Das muss sich ändern.
Wie?
Die Beitragssätze für die Altersvorsorge sollen über das ganze Erwerbsleben gleich bleiben. Und für jene, die heute über 55 sind, braucht es Übergangsmassnahmen. Das Ziel des von mir gegründeten Arbeitnehmer- und Arbeitslosenverbands Save50plus ist ein altersneutraler Arbeitsmarkt. Einen stärkeren Kündigungsschutz, wie ihn die Gewerkschaften fordern, lehnen wir hingegen ab. Denn dieser würde uns erst recht vom Arbeitsmarkt ausschliessen.
Warum?
Weil die Arbeitgeber niemanden einstellen wollen, dem sie nicht mehr kündigen können.
Was halten Sie von der Skos-Forderung, wonach ältere Arbeitslose nicht mehr ausgesteuert werden sollen?
Das finden wir sinnvoll.
Ihr heutiges Engagement gründet auf eigenen Erfahrungen. Welchen?
Mit 40 wurde ich erstmals arbeitslos. Danach probierte ich aus, was es neben der Vollzeit-Festanstellung sonst noch für Arbeitsmodelle gibt. Mir wurde klar, dass die Amerikanisierung im Arbeitsmarkt unabwendbar ist. Mit 50 machte ich mich selbstständig und gründete den Verband Save50plus.
Haben Sie Tipps für Betroffene?
In unserer Generation konnte man noch Bäcker lernen und Bäcker bleiben. Das geht heute nicht mehr. Ständige Aus- und Weiterbildung ist Pflicht. Da müssen wir über 55-Jährigen uns selbst an der Nase nehmen. Zudem sollte man Argumente bereit haben, um im Bewerbungsgespräch Vorurteile gegenüber älteren Arbeitnehmenden entkräften zu können.
Gibt es No-Gos?
Niemand soll meinen, dass Erfahrung allein zu Forderungen berechtigt.
Man ist ein Bittsteller?
Auf keinen Fall. Der Stellensuchende muss aber hervorstreichen, wie seine Fähigkeiten dem Arbeitgeber nützen können.
Über 55-Jährige sind in der Schweiz nicht häufiger arbeitslos als andere. Wie gross ist das Problem überhaupt?
Künftig werden weniger Arbeitstätige für mehr Rentner aufkommen müssen. Das wird so oder so teuer. Wir können es uns schlicht nicht leisten, dass Arbeitnehmende schon vor der Pensionierung aus dem Arbeitsprozess ausscheiden.
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