Umweltschädliche InvestmentsAHV-Fonds übt seine Stimmrechte fast nicht aus
35 Milliarden Franken werden auch mit dem Ziel angelegt, «die Nachhaltigkeit von Unternehmen zu fördern». Die Investment-Manager stimmen aber nur an inländischen Generalversammlungen ab.

Der Ausgleichsfonds der AHV, IV und der Erwerbsersatzordnung Compenswiss mit Sitz in Genf investiert Hunderte Millionen Franken, die den Beitragszahlenden gehören, in fossile Energien. Das schrieb die «SonntagsZeitung» im Januar und zitierte unter anderem Eric Jondeau, Professor für Finanzwesen an der HEC Lausanne: «Das ist natürlich problematisch, weil einige Unternehmen, die auf der Liste stehen, sehr schädliche Aktivitäten für unseren Planeten betreiben.»
Compenswiss verteidigte sich damals; statt sich aus diesen Anlagen zurückzuziehen, sei es konstruktiver, die Firmen als Aktionär zur Energiewende zu motivieren. Unter anderem hat sich der Fonds nämlich das Ziel gesetzt, «die Nachhaltigkeit von Unternehmen zu fördern».
Allerdings nutzt er nur eine kleine Minderheit seiner Anlagen, um mittels Stimmrechten auf Unternehmensspitzen einzuwirken. Das bestätigte Compenswiss-Direktor Eric Breval am Dienstag an einer Medienkonferenz gegenüber dieser Redaktion.
Zu grosser Aufwand
«Ungefähr ein Viertel unserer Anlagen sind in Aktien», sagt er. «Wir gehen aber nur bei den Schweizer Firmen an die Generalversammlung. Sie machen etwa 4 Prozent unseres gesamten Portfolios aus.» Dessen Volumen betrug Ende 2022 total 34,6 Milliarden Franken.
Mehr als die Hälfte davon ist in Obligationen angelegt, hinzu kommen 14,1 Prozent Immobilien-Anlagen. Der Zweck des Fonds ist, Geld nachzuschiessen, sollte das Umlageergebnis der drei Sozialversicherungen der ersten Säule ins Negative drehen, was aktuell jedoch nicht der Fall ist.
Sich an GVs von ausländischen Firmen zu engagieren, sei zu aufwendig, begründet Breval das Verhalten seines Fonds. Oft reiche zudem die Zeit nicht aus, um sich auf ausländische GVs vorzubereiten, die Informationen kämen meist zu kurzfristig. Weiter tendiere der Einfluss gegen null, wenn ein Schweizer Anleger einen ausländischen Grosskonzern beeinflussen wolle.
Bei ausländischen Firmen dagegen setzt Compenswiss unter anderem auf Ausschlüsse: So strich Compenswiss vergangenes Jahr sechs Firmen aus dem Portfolio, weil sie mehr als 30 Prozent ihrer Einnahmen mit thermischer Kohle verdient hatten. «Ich glaube viel mehr ans Engagement als ans Verkaufen», zeigt sich Breval solchen Massnahmen gegenüber jedoch skeptisch. «Wenn man eine Aktie verkauft, dann kauft sie schliesslich auch jemand.»
Darum engagiere sich Compenswiss weiter im Schweizer Verein für verantwortungsbewusste Kapitalanlagen, dem auch verschiedene grosse Pensionskassen angehören. Mit ihrer kombinierten Marktmacht versuchen sie, zu den Spitzen ausländischer Grosskonzerne vorzudringen und ihre Anliegen zu präsentieren.
Grosser Verlust
Compenswiss kann dabei gerade signifikant weniger in die Waagschale werfen als noch vor einem Jahr: Neben den Aktien hat der Fonds 2022 auch bei seinen Obligationen herbe Verluste hinnehmen müssen. Total resultierte ein Minus von 12,85 Prozent, was 5 Milliarden Franken entspricht.
Damit lieferte ausgerechnet der Fonds des wichtigsten Schweizer Sozialwerks, an dem die grosse Mehrheit der Bevölkerung entweder durch Ein- oder Auszahlungen beteiligt ist, besonders schlechte Zahlen. Die meisten Pensionskassen nämlich schrieben weniger Verlust.
Breval begründet dies vornehmlich mit dem kurzen Anlagehorizont von Compenswiss: Falls zum Beispiel die AHV unerwartet Geld bräuchte, müsste der Fonds flüssig sein – die Anlagen müssen sich also konstant zu Geld machen lassen. Das schliesse Anlagen wie Immobilienprojekte in eigener Bauherrschaft oder die Übernahme ganzer Unternehmen (Private Equity) aus, die letztes Jahr trotz des schlechten Umfelds rentiert hätten.
Fehler gefunden?Jetzt melden.