
Warum zelebrieren gewisse Kreise die Legende vom Akademiker mit den zwei linken Händen? Ich kenne Ärzte, Psychiater, Germanisten, die anspruchsvolle handwerkliche Arbeiten ausführen, die jedem Handwerker gut anstehen würden.
A. S.
Lieber Herr S.
Ich scheine in einer früheren Kolumne den Eindruck erweckt zu haben, ich sei der Ansicht, ein echter Intellektueller tauge nicht zu handwerklichen Arbeiten. Nein, dieser Meinung bin ich nicht, und wenn irgendwelche Bemerkungen diesen Schluss nahegelegt haben, so tut mir das ausserordentlich leid.
Sie haben völlig recht mit ihren Einwänden. Alle Laborwissenschaften setzen zum Beispiel handwerkliches Geschick und eine bestimmte Art von Denken mit den Händen und mit Instrumenten voraus; umgekehrt sind viele handwerkliche Berufe intellektuell sehr anspruchsvoll. Auch sogenannte geisteswissenschaftliche Tätigkeit und handwerkliches Geschick können bestens zusammengehen. Ich glaube ohnehin, dass die Legende von den linken Händen mindestens in akademischen Kreisen inzwischen ziemlich angestaubt ist. Wenn sie heute noch bemüht wird, dann von antiintellektuellen Kreisen, die ihr Lob der Berufslehre vorzugsweise mit Verachtung gegenüber Soziologen, Philosophinnen, Psychologen, Ethnologinnen und Literaturwissenschaftlern (und was es sonst noch an Mädchen-Studien gibt) würzen. Dass solche Leute nichts Gescheites können, ausser klug daherzuschwätzen und dass sie eigentlich in die Produktion gehörten und dass die Theorie grau sei, die Praxis (in der Privatwirtschaft, versteht sich!) aber grün, gehört zum Standardrepertoire dieser Leute.
Das soll Volkstümlichkeit suggerieren, ist aber vor allem ein anbiederndes Ressentiment, das da auf die Leute losgelassen wird. Ein Toni Bortoluzzi ist in dieser Hinsicht weit bornierter und dünkelhafter als alle Akademiker, die ich kenne und die keinerlei Gedanken auf eine Abgrenzung von den Handwerkern verschwenden. Ich habe noch nie gelesen, dass ein Handwerker sich vor Akademikern dafür rechtfertigen musste, dass seine Tätigkeit nicht «nutzlos» genug sei, wohl aber müssen sich die angeblich «weichen» akademischen Fächer immer wieder legitimieren, wofür sie denn eigentlich gut sind.
So, wie es pfuschende Elektriker gibt, gibt es auch stümpernde Psychologen. Und auch in der so gelobten Privatwirtschaft, in der doch die harte ökonomische Realität angeblich dafür sorgt, dass überflüssiger Firlefanz keine Überlebenschance hat, blüht ein nicht zu unterschätzender Anteil von Bullshit-Tätigkeiten. (Sehen sie sich einmal die Fortbildungsangebote für gehobene Kader an.) Handwerker ist meines Wissens kein Schimpfwort, Gschtudierter schon.
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Akademiker mit zwei linken Händen?
Wer eine Universität besucht hat, ist oft nicht nur intellektuell, sondern auch manuell begabt.