Die Teams nennen sich Devils und Black Hawks, Green Warriors und OldHook, es gibt die Tigers und Füchse. Sie tragen Namen, wie sie in anderen Sportarten auch gängig sind, aber sie vereint eine besondere Leidenschaft: Einradhockey. Ja, genau: Sie kurven elegant auf einem Einrad durch die Halle; sie sind ausgerüstet mit Eishockey-Stöcken; und die Akrobaten unter den Teufeln, Kriegern, Tigern, Füchsen und wie sie alle heissen, gefallen mit ausgefeilter Technik. Wenn es aussieht, als würde der Tennisball an der Stockschaufel kleben. Wenn sie vor dem gegnerischen Tor die Lücke finden und erfolgreich abschliessen. Wenn sie durch die Halle düsen, ohne dabei den Eindruck zu erwecken, sich zu verausgaben.
An diesem Sonntag treffen sich in der Winterthurer Rennweghalle die Besten des Landes in dieser Sparte, es ist eines der Turniere, die zur Schweizer Meisterschaft zählen. Die Wülflinger Füchse sind die Organisatoren. Dazu gehört, dass sie eine kleine Festwirtschaft führen. Sie verkaufen Kaffee und selbst gebackenen Kuchen, am Mittag kochen sie Pasta, und wenn am Ende ein Gewinn von 200 Franken für die Clubkasse übrig bleibt, buchen sie das als Erfolg ab.
Gelbe, Rote und Schwarze Karte
Jeweils fünf Spieler stehen sich gegenüber, die Teams setzen sich aus Frauen und Männern zusammen, aus Routiniers und Jungen. Zweikämpfe werden zuweilen hart geführt. Fouls können mit Gelb sanktioniert werden, was einer Ermahnung gleichkommt. Wer übertreibt, sieht Rot und wird für zwei Minuten auf die Strafbank geschickt. Für gravierendes Fehlverhalten bleibt dem Schiedsrichter die Möglichkeit, die Schwarze Karte zu zeigen. Das bedeutet: mindestens fünf Minuten Ausschluss.
Eigentlich wünschen sich die Beteiligten, dass sie mit dieser Veranstaltung wenigstens einen kleinen Schritt aus der Anonymität machen. Und künftig mehr als ein paar Zuschauer anlocken. Bloss: Wie kommt man überhaupt auf die Idee, Einradhockey zu spielen? Warum nicht nur Einrad oder nur Hockey, sondern beides kombiniert?
In vielen Fällen ist es ein Zufall – wie bei Adrian Schenkel. Als der 29-jährige Programmierer aus St. Gallen vor zehn Jahren seiner Freundin zusieht, wie sie in einer Halle auf dem Einrad und mit Hockeystock dem Ball nachjagt, fragt er sich zuerst: Was ist das für eine seltsame Sache? Einrad? Ist doch etwas «für Meitli». Aber er denkt bald um.
Was es braucht
Schenkels sportliche Leidenschaft ist der Fussball. Bis im Team seiner Freundin ein Spieler ausfällt und er als Ersatz einspringt. Er stellt sich als Goalie zur Verfügung, weil er sich als Ungeübter am Tor festhalten kann. In einem J+S-Kurs lernt er die Kunst des Einradfahrens, steigt 2012 ins Nationalteam auf und wird Spielertrainer der Wülflinger Füchse, der linke Flügel ist seine Position. Er lernt, was es braucht, um auf hohem Niveau mitzuhalten: koordinative Fähigkeiten, Ausdauer, feine Hände und Spielintelligenz.
Jetzt ist er einer von etwa 150 Lizenzierten, die aus der Deutschschweiz kommen und auf die Ligen A (7 Equipen), B (6) und C (7) verteilt sind. Die Meisterschaft, die in der Schweiz seit 2003 existiert, dauert von Oktober bis Ende April. Wer sich für ein Turnier einschreibt, bezahlt Startgeld. In Winterthur sind das pro Gruppe 60 Franken.
Die Investitionen lohnen sich
Die Idealisten stecken einiges an Geld in ihr Hobby. Schenkel hat für sein Rad 400 Franken bezahlt, ein Stock kostet ihn 150 Franken. Wenn er international unterwegs ist, sucht er Sponsoren, um die Unkosten zu decken. 2014, als in Kanada die WM stattfand, sammelte er 1500 Franken. Am Ende des Jahres war er trotzdem tief im Minus: 5500 Franken hatte er aus dem eigenen Portemonnaie investiert. Und doch reuen ihn die Ausgaben nicht. Er hat den Ehrgeiz, zu den Besten zu gehören, und berichtet stolz, dass die Schweizer mit den Deutschen mithalten – «sie fürchten sich sogar vor unseren Schüssen».
Schenkel bemüht sich um Sponsoren. Er verschickt Dossiers, er wirbt um Nachwuchs, obwohl er weiss: «Einradhockey ist immer noch eine Randsportart unter den Randsportarten.» Einmal pro Woche trainiert Schenkel mit den Füchsen, am Freitag ist ab 20 Uhr für zwei Stunden eine kleine Halle reserviert. Wer dort dabei ist, kennt keine Motivationsprobleme. Es sind Leute wie Selina Wetter, eine 22-jährige Studentin, die sagt, sie würde diesen «mega spannenden und ästhetischen» Sport nie für einen anderen aufgeben. Derzeit bleibt ihr nur die Rolle der Schiedsrichterin, weil sie sich zuerst von einer Verletzung erholen muss.
In Winterthur zeigen alle A-Ligisten grosses Engagement, obwohl die Meisterschaft bereits entschieden ist. Die Devils aus Olten sind nicht mehr einzuholen. Schenkels Füchse haben sich im Mittelfeld festgesetzt. Der Spielertrainer ist zufrieden. Mit dem Abschneiden. Mit dem Turnier. Er sagt: «Einfach cool.»
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch
Akrobaten in der Anonymität
Sie fahren nicht nur Rad, sie spielen nicht nur Hockey – sie sind: Einradhockeyaner.