
Die Anleger und die Alpiq-Chefin zeigten sich gestern bei guter Laune. Der Aktienkurs stieg bis zum Abend um 6 Prozent. Jasmin Staiblin versprühte vor den Medien in Olten Zuversicht. Der Grund: ein drastischer Umbau der Alpiq. Gerade mal 1550 Angestellte verbleiben beim Unternehmen. Die anderen 7650 arbeiten künftig für den französischen Baukonzern Bouygues.
Dieser übernimmt von Alpiq für 850 Millionen Franken deren Gebäudetechniksparte Alpiq Intec und die deutsche Kraftanlagengruppe. Es handelt sich um das gesamte Industriegeschäft der Alpiq. Bei ihr verbleibt nur das Energiegeschäft: Wasserkraftwerke in der Schweiz, Gas-Kombikraftwerke im europäischen Ausland, Kohlekraftwerke in Tschechien, 40 Prozent am AKW Gösgen, 27 Prozent an Leibstadt, Windparks, Solaranlagen. Zudem Stromhandel und Stromvermarktung.
Alpiq verkauft nicht freiwillig
Alpiq verkauft die Sparte nicht freiwillig. Wegen der Energiestrategie 2050 des Bundes hätte die Gebäudetechnik grosses Wachstumspotenzial. Das sagte Staiblin vor vier Jahren noch selber. Die nun beschlossene Veräusserung ist eine Notlösung. Die seit Jahren tiefen Strompreise zehrten an den Mitteln. Alpiq hat im Gegensatz zu anderen Energieunternehmen keine Kleinkunden, denen sie den Strom kostendeckend verkaufen kann. Dazu kam der Frankenschock, den Alpiq wegen auslaufender Absicherungsgeschäfte erst im letzten Jahr voll zu spüren bekam. Und schliesslich stand in den letzten beiden Jahren das AKW Leibstadt monatelang still, was ebenfalls ins Geld ging.
Die Folge: Dem Unternehmen fehlen die Mittel, um in Alpiq Intec zu investieren und das Geschäft weiterzuentwickeln. Zudem muss Alpiq seine Verschuldung reduzieren, um kreditwürdig zu bleiben. Ihr Rating liegt derzeit bei BBB oder BBB–. Das ist nur noch eine Stufe über spekulativen Anlagen. Hätte sich das Rating weiter verschlechtert, hätte Alpiq nur noch sehr teuer neues Geld aufnehmen können.
Video – Alpiq trennt sich vom Industriegeschäft
Um die Verschuldung zu senken, versuchte Alpiq in der Vergangenheit bereits, einen Teil seiner Wasserkraftwerke zu verkaufen. Doch die Suche nach Investoren verlief erfolglos. Also suchte man fortan nach Käufern für alle anderen Bereiche – ein Schritt, der verzweifelt und strategielos wirkte. Eine Notlösung. «Die Strategie hat gewissen Irrungen und Wirrungen unterlegen», schrieb ein Analyst der Zürcher Kantonalbank gestern. Mit dem nun beschlossenen Verkauf gelingt Alpiq ein Befreiungsschlag. Sofern die Wettbewerbsbehörden zustimmen, wird Alpiq erstmals seit Jahren über eine Nettoliquidität anstatt eine Nettoverschuldung verfügen.
Solothurn bedauert Verkauf
Doch der Preis ist hoch: Alpiq verkauft mit der Gebäudetechnik ein Zukunftsgeschäft. Eines, in das etwa die BKW im grossen Stil investiert, weil sie Wachstumschancen sieht. Diesen Nachteil sieht auch der Kanton Solothurn, der mit knapp 6 Prozent an Alpiq beteiligt ist. Heidi Pauli, Generalsekretärin im Finanzdepartement, sagt: «Wir haben den Entscheid mit Bedauern zur Kenntnis genommen.» Dass dieses gut laufende Geschäft ins Ausland verkauft werde, sei nicht schön. Gleichzeitig könne es für die Sparte auch eine Chance sein, wenn sie einen starken Besitzer habe, der die Mittel habe, um in sie zu investieren.
Andere Aktionäre sehen den Verkauf positiv. So etwa Martin Ebner, Finanzinvestor und Alpiq-Aktionär, der schon vor zwei Jahren vorschlug, statt der Wasserkraft den Dienstleistungsbereich «runterzufahren». Die Wasserkraft werde dereinst wegen höherer Strompreise wieder mehr wert sein, sagte er damals. Ebner liess gestern über seinen Sprecher Ralph Stadler ausrichten, er begrüsse den Entscheid der Alpiq. Er sprach von einem «fokussierteren Ansatz» als bisher.
Das bedeutet allerdings auch, dass Alpiqs Zukunft von einem Faktor abhängt: dem Strompreis. Steigt er, stehen Alpiq gute Zeiten bevor. Wenn nicht, wird es noch schlimmer, weil das stabile Industriegeschäft fehlt. Diese Preisabhängigkeit gebe es bei jedem Unternehmen, das sich auf ein Produkt konzentriere, sagt Stadler.
Der Verwaltungsratspräsident von Alpiq, Jens Alder, hatte Ebners Forderung hingegen vor zwei Jahren noch als zu riskant abgelehnt. Er bezeichnete die Wette auf höhere Strompreise als «Hochrisikostrategie», die man angesichts der Verantwortung gegenüber Mitarbeitern und Aktionären nicht fahren könne. Genau diese fährt Alpiq nun.
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Alpiq fährt eine Hochrisikostrategie
Mit dem Verkauf der Industriesparte wird Alpiq zu einem reinen Energiekonzern – und macht sich von einem Faktor abhängig: dem Strompreis.