
Ich bin Jahrgang 1944 und lernte, dass man Erwachsene mit Sie anspricht. Mir fällt aber auf, dass es immer mehr Firmen gibt, die sich angeblich modern geben und ihre Kunden per Du ansprechen. Das stört mich – bin ich von gestern? P.W.
Lieber Herr W.,
Sie sind nicht von gestern. Beziehungsweise: Dann bin ich auch von gestern, und ich bin dreissig Jahre jünger, was heisst, dass wir schon zu zweit sind. Und da draussen sind noch viel mehr, die sich an dieser Duzerei stören. Wir sind viele!
Wenn es von gestern sein soll, sich an dieser verbalen Kumpanei zu stören, dann ist es auch von gestern, Bitte und Danke und Entschuldigung zu sagen, dann bin ich noch so gerne die Anführerin der Ewiggestrigen, dann ziehe ich Jeanne-D'Arc-artig in die Schlacht und verteidige diese Umgangsformen, die kein Verfallsdatum haben, weil es sich um ewige Werte handelt. Die wiederum hält man hoch, das ist eine Frage der inneren Integrität, das ist man sich selbst und der Umwelt schuldig.
Da können uns die Duz-Enthusiasten noch lange mit offenem Mund anstarren und uns bieder nennen – wir klappen denen sanft die Kinnlade hoch und erklären noch sanfter, dass sie einem Irrtum unterliegen. Dass das Duzen eben gerade nicht unkonventionell und modern und aufgeschlossen ist. Denn meist erschöpfen sich diese angebliche Unkonventionalität und Modernität und Aufgeschlossenheit just darin – weshalb Duz-Enthusiasten nicht selten dieselbe verkrampfte Lockerheit an den Tag legen wie jene, die in der Freizeit «Freizeitkleidung» tragen.
Unsereins, lieber Herr W., besitzt keine «Freizeitkleidung».
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Als 75-Jähriger geduzt?
Ob es sich gehört, wenn Firmen ihre Kunden duzen.