Als Exiltunesier zum Zuschauen verdammt
Angst um seine Familie und Stolz auf seine Landsleute – zwischen diesen Gefühlen schwankt der Tunesier Ahmed Ben Njima zurzeit.
Von Simona Pfister Horgen – Zurzeit blickt die ganze Welt gebannt nach Tunesien. Auch Ahmed Ben Njima versucht, die Geschehnisse in seinem Heimatland zu verfolgen – so gut das von der Schweiz aus geht. Denn der 34-jährige Araber lebt seit fünf Jahren mit seiner Schweizer Frau in Horgen und arbeitet in der Fabrikbeiz in Wädenswil. Doch seine Eltern und der jüngere Bruder wohnen weiterhin in ihrem Haus in Munastir an der Küste Tunesiens. Die Gefühle, welche die Proteste und der politische Umsturz in seinem Geburtsland in Ahmed Ben Njima auslösen, sind ambivalent: «Ich freue mich natürlich sehr darüber, dass der korrupte und diktatorische Präsident Ben Ali endlich abgesetzt ist. Doch gleichzeitig mache ich mir Sorgen um meine Familie. Im Moment herrscht in den Strassen das Chaos.» Zwischen Stolz und Skepsis Weil mit der bisherigen Regierung auch die staatstreue Polizei grösstenteils abdanken musste, treiben in Tunesien momentan Kriminelle und Plünderer ihr Unwesen. In seinem Heimatdorf hätten sich darum die Jungen zusammengetan und bewachten die Häuser mit Stöcken – auch sein Elternhaus. Bisher mit Erfolg: «Meiner Familie geht es so weit gut, und sie ist von Diebstählen verschont geblieben», berichtet der junge Mann, der von seiner Umgebung Midu genannt wird. Täglich telefoniert er mit seinen Eltern, um sich zu versichern, dass sie wohlauf sind. Durch die Telefonate erfährt Ahmed Ben Njima auch von den wichtigsten Ereignissen, die seine Heimat bewegen. Ausserdem hat er einen Nachrichtendienst auf seinem iPhone eingerichtet, der ihm aus aller Welt die neusten Meldungen zu Tunesien zusendet. «Wenn ich von den Protesten meiner Landsleute lese, würde ich am liebsten gleich mitmarschieren», erzählt Ahmed Ben Njima. Es erfülle ihn mit Stolz, wenn er sehe, was sein Volk die letzten Tage erreicht habe. «Die Menschen im Land haben sich mit einem friedlichen Protest aus einer gewalttätigen Diktatur befreit.» Bisher seien Demonstrationen jeweils im Keim erstickt worden. Doch gegen diese aufgewühlte Masse hätten sich selbst der diktatorische Herrscher und die omnipräsente Polizei nicht mehr wehren können. Zweifel an der Wirkung Mit der Unterdrückung, aber auch mit Korruption und fehlenden Grundrechten soll es jetzt vorbei sein, wünscht sich Ahmed Ben Njima. «Ich hoffe, das Land wird sich grundlegend verändern. Auch in Tunesien muss es Menschenrechte und eine wirkliche Demokratie mit Parlament geben.» Seine grösste Sorge ist, dass die Demonstrationen nicht konsequent zu Ende geführt werden und nach den Wahlen wieder dieselben Politiker in der Regierung sitzen wie bisher. Friedlich – wie die Schweizer Aber auch wenn es zu einem wirklichen Wandel käme, würde Ahmed Ben Njima niemals endgültig nach Tunesien zurückkehren wollen. «Ich liebe die Schweiz. Hier herrschen wirkliche Freiheit, Sicherheit und Menschenrechte.» Für Tunesien könne die Eidgenossenschaft deshalb ein Vorbild sein, findet er. Auch weil die Tunesier ähnlich seien wie die Menschen hier: «Wir sind wie die Schweizer kultivierte, ruhige und freundliche Leute. Wir wollen nur ein friedliches Leben in Würde führen. Ich glaube, das haben wir in den letzten Tagen bewiesen.» Der Tunesier Ahmed Ben Njima leidet mit seiner Familie.Foto: Reto Schneider
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