«Alternative Fakten sind auch bei uns populär»
Mit Jean-Jacques Aubert sprach Barbara Reye
Nehmen Sie am March for Science in Genf teil?
Ja, selbstverständlich gehe ich dort hin. Als Professor der Universität Neuenburg und Präsident der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) fühle ich mich geradezu verpflichtet, ein Zeichen für die Freiheit der Forschung zu setzen.
Warum findet in Zürich, der grössten Wissenschaftsmetropole der Schweiz, keine Aktion statt?
Das ist für mich ein Rätsel. Vielleicht denken die Zürcher, dass ein March for Science zu wenig bringt. Vielleicht hat aber auch einfach keiner die Initiative ergriffen. Ich kann es nicht genau sagen. Wichtig ist, dass zumindest ein Ort in der Schweiz an dieser einzigartigen, weltweiten Bewegung dabei ist. Ich hoffe, dass möglichst viele auch aus der Deutschschweiz nach Genf kommen.
Der Solidaritätsmarsch ist auch ein Weckruf, dass in den USA wissenschaftliche Erkenntnisse geleugnet und sogenannte alternative Fakten kreiert werden. Ist dieses Phänomen neu?
Nein, überhaupt nicht. Seit mehr als zwei Jahrzehnten wissen wir, dass der Mensch einen negativen Einfluss auf die Entwicklung des Klimas hat. Dennoch gibt es Leute, die dies weiterhin verneinen. Nicht nur in den USA sind solche Lügen populär, sondern auch bei uns.
Gibt es ein weiteres Beispiel, wie auch hier Fakten verdreht werden?
In der Politik halten sich einige solcher Unwahrheiten hartnäckig. Zum Beispiel, dass junge Leute, die an der Universität Geistes- und Sozialwissenschaften studieren möchten, sich gleich arbeitslos melden können. Die Statistik zeigt jedoch das Gegenteil. Sie kommen auf dem Arbeitsmarkt oft besser unter als Naturwissenschaftler. Diese Zahlen werden aber seit Jahren von Politikern ignoriert. Natürlich kann sich der Trend wieder ändern. Doch im Moment ist es noch so.
Donald Trump plant grosse Budgetkürzungen. Er will etwa die staatlichen Stiftungen für Kultur und Kunst sowie für Geisteswissenschaften streichen.
Das würde die USA bei vielen Projekten zurück ins Steinzeitalter versetzen. In meinem Kanton Neuenburg ist die Kultur zum Glück nach wie vor heilig, und man hat dort nichts gekürzt. Allerdings leider in anderen Bereichen wie etwa Bildung, Gesundheit und Sozialem, die deutlich grössere Budgets und auch etwas mehr Spielraum haben. Viele Probleme aus den USA treten in der Schweiz erst ein paar Jahre später auf.
Wirkt sich Trumps Politik auch auf die Forschung der Schweiz aus?
Die USA sind für viele Forscher aus anderen Ländern jetzt nicht mehr so attraktiv wie früher. Doch die grossen Eliteuniversitäten wie Columbia oder Harvard sind nur wenig betroffen, weil sie privat sind. Es ist höchstens das Klima im Land, das sich extrem verschlechtert hat. Wem dies nicht egal ist, geht dann lieber woanders hin, nach Kanada, Deutschland, Frankreich, China oder in die Schweiz. Von daher könnten in Zukunft mehr Forscher aus den USA zu uns kommen und weniger von uns dorthin gehen.
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