Was einen durch die «Zurich Gameshow» im Messezentrum in Oerlikon führt, ist nicht der Übersichtsplan der sechs Ausstellungshallen und drei Stockwerke. Es ist nicht die Zeittafel, die alle Acts ankündigt, «Showmatches» und «Game Screenings» auf der «Zurich Game Masters Stage» oder der «Show Stage». Es sind nicht einmal die zahlreichen Überschriften auf jeder Etage oder die Namen der Aussteller. Was durch die Gameshow führt wie ein Kompass, ist die Stimme von Super Mario.
«It's-a me, Mario!», ruft Charles Martinet, wann immer er dieses Wochenende beim Nintendo-Stand auftaucht, Halle 4. Und es sind viele Male. Seit 27 Jahren ist der Kalifornier der Synchronsprecher von Super Mario, diesem italienischen Klempner mit der roten Mütze, diesem liebenswürdigen Kerl aus Brooklyn, Hauptfigur des populärsten Videospiels von Nintendo – und des wohl bekanntesten Spiels überhaupt.
Den 62-jährigen Martinet erkennt hier jeder. Trotzdem trägt er, als wolle er lieber ganz sicher gehen oder zumindest seine Rolle als Werbegesicht perfekt erfüllen, ein T-Shirt mit Mario-Aufdruck unter seinem offenen Hemd. Alle Welt hat Martinets Mario-Stimme im Ohr, er selbst hat den dicklichen Italiener auf seinem Herzen. Und wahrscheinlich hat er ihn sogar auch dort drin – 27 Jahre sind eine lange Zeit zusammen.
Bilder: Sie wollen nur spielen
Eigentlich war geplant, mit Martinet an diesem Samstagnachmittag durch die Messe zu flanieren und allenfalls in einem Game gegen ihn anzutreten. Sich also von dieser vertrauten Stimme leiten und begleiten zu lassen. Aber sobald man mit dem grossgewachsenen Mann den abgeschotteten Büroraum verlässt, in den er sich zwischen seinen Auftritten zurückzieht, stösst man nur auf Hindernisse. Sofort versammelt sich eine Menschentraube um ihn, die immer praller wird. Er ist der Fixpunkt für alle, die hierhergekommen sind, und das soll so bleiben: Die Fotos gelingen besser, wenn er stillsteht.
«Ich bin Influencer, ich brauchte noch ein Video mit ihm!», ruft einer, der sich Eko LP nennt. Andere wittern ihre Chance, endlich ein Autogramm zu ergattern. Nach über hundert Interessierten, die Schlange gestanden waren, muss die Autogrammstunde mit Martinet eine Stunde zuvor abgebrochen werden.
Video: Der Mann hinter Super Mario
«Es ist die Stimme aus ihrer Kindheit», erklärt Martinet das grosse Interesse an seiner Person. Sie erinnere die Leute an die Unschuld und Leichtigkeit längst vergangener Tage. Mario berühre die Herzen mit seiner lustigen, plappernden Art. Also gibt sich auch Martinet lustig und plappernd, wenn er wieder auf die Bühne beim Nintendo-Stand steigt. Er erzählt, wie er damals, 1991, den Job als Synchronsprecher für «Super Mario» bekommen hat. Ein Freund wusste von diesem Vorsprechen, allerdings lief dieses bereits. Erst weigerte sich der ausgebildete Schauspieler Martinet, überhaupt hinzugehen. Er wollte nicht so spät noch auftauchen, das gehöre sich nicht. «No! No! No! No! No! No!», habe er seinem Freund gesagt, und seine Stimme ist jetzt wieder diese lieblich krähende von Mario. «No! No! No! No! No! No!», dazu fuchtelt Martinet übertrieben mit seinen Händen.
Die Gamer echoen
Er kennt beim Reden keinen Punkt, kein Komma, und man weiss nicht genau, ob das jetzt dem typisch Italienischen geschuldet ist, das er bloss imitiert, oder doch der ihm eigenen amerikanischen Plauderlaune. Nur manchmal wird Martinet plötzlich still – immer wenn er wartet, bis einer aus dem Nintendo-Team seine Worte für das Schweizer Publikum übersetzt hat. Auch dieses «No! No! No!», den allerkleinsten Nichtsatz.
Martinet spricht mit der Stimme der Kindheit, also tritt er so auf, als würden ihm lauter Kinder zuhören. Einige der Anwesenden, die auf dem Boden vor der Bühne sitzen, müssen tatsächlich über diese Art Scherz lachen. Ihre Schultern wippen, während ihre Gesichter von den Handys verborgen sind, mit denen sie ihren Super Mario filmen.
Und dann, fährt Martinet zufrieden fort, sei er doch zum Vorsprechen gegangen, habe ohne zu überlegen losgelegt, weil die Zeit drängte. «It's-a me, Mario! Let's-a make Pizza together!», habe er gesagt, und immer so weiter, bis das Tonband voll war. Weil er instinktiv gehandelt habe, aus dem Herzen, habe er den Job schliesslich auch bekommen. «Jippieee! Yahoooo!», ruft er jetzt, und es klingt beinahe schon schrill, dazu schlägt er sich mit den Händen auf die Schenkel. Auf Deutsch folgt artig: «Yuppieee! Juheeee!»
Irgendwann ist auch die tröstliche Stimme von Mario erschöpft.
Fragt man jene nach Martinet, die sich nicht in Super Marios Ecke eingefunden haben, nicken die meisten dieser überwiegend männlichen Besucher zwischen zehn und fünfzig. Klar kennen sie ihn, er sei ja ein Highlight dieser Messe. «It's-a me, Mario!», echoen sie, und es ist das Einzige, das man an der Messe klar vernehmen kann. Oder das einzig Warme, Menschliche, das man vernimmt: Der Rest geht unter im konzentrierten Dauerflüstern vor den zahlreichen Bildschirmen. In den hallenden Moderatorenstimmen, die auf irgendeiner Bühne oder in irgendeiner Ecke eine Sensation, eine Neuheit oder eine neue Spielrunde ankündigen. Es geht auch unter zwischen all den Cosplayern, jenen Besuchern also, die sich als ihre Lieblingsspielfiguren verkleidet haben und mit ihren Schwertern, Sicheln und Schutzschildern oft in Gruppen wie überirdische Wesen durch das Messegelände wandeln.
Aber irgendwann ist auch Charles Martinets Vokabular, ist jene tröstliche Stimme von Mario erschöpft. Als einer der Zuschauer zu ihm auf die Bühne tritt und das neueste Game spielen darf, «Nintendo Switch Super Mario Odyssey», das Ende dieser Woche erscheint, sitzt Martinet neben ihm und kommentiert die Spielzüge, die auf einen grossen Bildschirm übertragen werden. «Jippieee!», sagt er, und: «Yahoooo!» Es klingt etwas müde. Und auf einmal ziemlich mechanisch.
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An der Gamer-Messe mit Super Mario
Es ist Zürcher Gameshow, und alle gehen hin, die sich gerne als Fantasyfigur verkleiden oder die Stimme der Game-Kultfigur hören wollen.