Ankara bittet um ausländische Hilfe für Bebenopfer
Viele Obdachlose, ethnische Diskriminierung und Plünderungen: Die Situation nach dem Erdbeben in der Türkei scheint ausser Kontrolle. Nun gesteht Ministerpräsident Erdogan Fehler im Krisenmanagement ein.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat Fehler beim Krisenmanagement nach dem verheerenden Erdbeben im Osten des Landes zugegeben. Die Regierung beschloss zugleich, nun doch internationale Hilfe für die Versorgung der betroffenen Menschen anzunehmen. Gut 66 Stunden nach dem Erdbeben in der Provinz Van bargen die Rettungskräfte am Mittwoch eine 27-jährige Frau aus den Trümmern in der Stadt Ercis.
Im Erdbebengebiet im Osten der Türkei ist es derweil nach Angaben des türkischen Roten Halbmonds zu Plünderungen gekommen. Der Leiter der Organisation, Ahmet Lutfi Aker, sagte der Nachrichtenorganisation AFP am Mittwoch, am Montag und Dienstag seien 17 Lastwagen mit Hilfsgütern des Roten Halbmonds in der Provinzhauptstadt Van und in der am stärksten betroffenen Stadt Ercis geplündert worden. Die Polizei in Van bestätigte Plünderungen. Bewohner von Ercis sagten, unbekannte Täter hätten am Dienstag einen mit Zelten beladenen Lkw aus der Provinz Agri angehalten. Sie hätten den Fahrer geschlagen und die Zelte mitgenommen, offenbar um sie auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen.
Obwohl die Situation in der vom Erdbeben betroffenen Region nach Einschätzung Erdogans unter Kontrolle ist, räumte der Regierungschef in Ankara Probleme beim Krisenmanagement ein. In den ersten 24 Stunden habe es Versäumnisse gegeben, gab er zu. Er halte diese jedoch angesichts des Ausmasses der Krise für akzeptabel.
Wut in der Bevölkerung wächst
Unter den Betroffenen in der Provinz Van machte sich derweil Unzufriedenheit breit. Zahlreiche Menschen machten heute ihrer Wut über das langsame Verteilen von Zelten Luft. Einige warfen den Behörden zudem ethnische Diskriminierung vor. In der Region leben überwiegend Kurden, die eine Minderheit in der Türkei sind. Erdogan wies die Kritik zurück und sagte, die 17'000 bereitgestellten Zelte seien «völlig ausreichend». Auch Diskriminierungsvorwürfe wies er zurück. Die Regierung habe die Erdbebenopfer immer als türkische Staatsbürger wahrgenommen und nicht als Kurden oder Türken.
Türkische Diplomaten teilten mit, dass die Regierung in Ankara nun doch ausländische Hilfe für die Versorgung der Opfer annehmen werde. Angesichts des dringenden Bedarfs an Notunterkünften für die obdachlos gewordenen Menschen habe die Regierung ihre Meinung geändert. Vor allem auf Fertigbau-Notunterkünfte und Container will die Türkei demnach zurückgreifen. Rund 30 Länder hatten Ankara ihre Unterstützung angeboten, die die Regierung zunächst zurückgewiesen hatte. Nun will die Türkei sogar Hilfe aus Israel annehmen. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern sind seit der Stürmung einer Gaza-Hilfsflotille durch ein israelisches Kommando im vergangenen Jahr äusserst angespannt. Dabei waren neun türkische Aktivisten getötet worden.
Immer noch werden lebende aus den Trümmern geborgen
Drei Tage nach dem Erdstoss der Stärke 7,2 konnten die Rettungskräfte in der Stadt Ercis eine 27-jährige Frau aus den Trümmern ziehen. «Sie war unsere Mieterin. Sie haben sie vor einer Stunde geborgen», berichtete Akif Goltas der Nachrichtenagentur AFP. Die Rettungskräfte hätten die ganze Nacht nach der 27-Jährigen gesucht, die Medienberichten zufolge als Lehrerin arbeitet. Sie leidet den Rettungskräften zufolge an Herz- und Atmungsproblemen. Am Abend zuvor hatten die Suchtrupps bereits einen zehnjährigen Jungen gerettet und ins Krankenhaus gebracht. Mittlerweile gehen die türkischen Behörden von mehr als 460 Todesopfern aus. Über 1350 Menschen wurden demnach verletzt.
Die Hoffnung, weitere Überlebende zu finden, schwand indes immer mehr. Die Kälte machte den Menschen zu schaffen und am Mittwochabend wurde Schneefall erwartet. «Wir werden weitermachen, Schicht für Schicht, aber ab morgen kommen sicherlich die Bulldozer», sagte ein Mitglied der Rettungskräfte. An manchen Stellen begannen die Aufräumarbeiten mit schwerem Gerät bereits.
In einem Gefängnis in Ercis protestierten Häftlinge gegen die Entscheidung der Behörden, sie trotz Schäden am Gebäude nicht an einen sichereren Ort zu verlegen. In der Nacht waren Schüsse zu hören, Rauch stand am Himmel, nachdem Häftlinge ihre Decken angezündet hatten.
AFP/mrs
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