Anleitung für den Umgang mit Arschlöchern
Wie man sich gegen Rüpel, Grobiane und Unsympathen richtig wehrt, erklärt Robert Sutton, Professor an der Eliteuni Stanford.

Der Begriff ist wirklich sehr unakademisch: Arschloch. Das Arschloch aber, dieser überaus unangenehme Mitmensch, ist Forschungsgegenstand von Robert Sutton, renommierter Professor an der amerikanischen Eliteuni Stanford und gemäss des Magazins «Businessweek» einer der «10 einflussreichsten US-Akademiker, die auch ausserhalb der universitären Welt für Denkanstösse sorgen».
Sutton schrieb sieben wissenschaftliche Bücher über Management, das mit Abstand erfolgreichste hiess – ganz und gar unwissenschaftlich – «The No Asshole Rule». Gespickt mit Daten und Fakten, zeigt er darin auf, wie schädlich, nun, das Wort lässt sich fortan nicht vermeiden, Arschlöcher für Firmen sind: Sie machen andere krank und verursachen damit immense Kosten. Berechnungen zufolge belaufen sie sich allein für die USA auf 24 Milliarden Dollar jährlich.
Arschlöcher kosten viel Geld
Die TAC («total asshole costs») setzen sich zusammen aus den Absenzen der psychisch und physisch erkrankten Kollegen, den daraus entstehenden Gesundheitskosten sowie der nachweisbar sinkenden Produktivität und Leistungsbereitschaft all jener, die mit dem Unsympathen zusammenarbeiten müssen. Ein kluges Unternehmen, so schreibt Sutton, sei angesichts dieser Schadensbilanz dafür besorgt, dass Mitarbeitende mit einem ausgeprägten charakterlichen Defizit gar nicht erst eingestellt werden.
Das trug ihm zwar den nicht sehr professoralen Übernamen «the asshole-guy» ein, aber Sutton traf einen Nerv, weltweit. Allein in den USA verkaufte sich sein Buch 800 000 Mal, es wurde in Dutzende Sprachen übersetzt, auf Deutsch hiess es «Der Arschloch-Faktor». Das war vor zehn Jahren. Jetzt legt Sutton mit einem Nachfolger nach: «The Asshole Survival Guide».
Netflix hat eine No-Asshole-Rule
Es geht darin nicht mehr darum, wie Unternehmen für einen zivilisierten Umgang am Arbeitsplatz sorgen können, sondern darum, wie Angestellte überleben, wenn eine Firma sich eben gerade nicht darum schert. Denn während etwa Netflix, die Royal Bank of Canada, Air New Zealand oder die weltweit grösste und sehr erfolgreiche Billigfluglinie Southwest längst eine No-Asshole-Rule verabschiedet haben und diese auch konsequent umsetzen, legt die Mehrheit der Unternehmen diesbezüglich immer noch eine erstaunliche Ignoranz an den Tag. Deshalb, und weil es einen dünkt, die Arschlöcher würden immer mehr oder zumindest immer lauter, kommt das Buch genau zum richtigen Zeitpunkt.
«Ich bin zwar kein Fan des Präsidenten, aber an allem ist er nun auch nicht schuld. Arschlöcher gab es vor ihm und wird es nach ihm geben.»
Robert Sutton ist ein vergnügter Mann. Er lacht schallend ins Telefon, bevor er sagt, dass sein Ratgeber nichts mit der Wahl von Donald Trump zu tun habe: «Ich bin zwar kein Fan des Präsidenten, aber an allem ist er nun auch nicht schuld. Arschlöcher gab es vor ihm und wird es nach ihm geben.» Zudem mache eine bestimmte Parteiangehörigkeit einen nicht automatisch zu einem solchen. Das zu denken, sei vielmehr klassisches Arschlochverhalten.
Eine schlechte Phase zu haben, ist kein Problem
Just das ist die Prämisse von Suttons Buch: Nicht vorschnell andere als Arschloch bezeichnen, sondern sich zunächst fragen, ob man sich nicht gerade selbst wie eines verhält. Davor ist niemand gefeit, und das ist auch nicht weiter schlimm, jeder und jede hat mal einen schlechten Tag, schlechte Phasen gar. Sutton geht es um etwas anderes: um Rüpelhaftigkeit mit System.
Um den Chef, der Sitzungen dazu nutzt, jemanden klein zu machen. Die Arbeitskollegin, die stets zuckersüss ist, aber hintenrum Gift versprüht, Lügen erzählt. Den Kollegen, der das, worüber man in der Kaffeepause so nebenbei gesprochen hat, kurz darauf als seine Idee präsentiert. Denjenigen, der andere wie Luft oder Dreck behandelt, unhöflich ist und unanständig, grob, rücksichtslos, egoistisch, unkollegial, hinterhältig, unfair, intrigant, aggressiv. Oder eben: ein Arschloch.
Wenig Schlaf begünstigt Rücksichtslosigkeit
Der subjektive Eindruck, dass es von dieser Sorte immer mehr gibt, der Umgang immer ruppiger wird, täuscht nicht. Gemäss Robert Sutton haben wir den «peak asshole» erreicht, also eine Art Höchststand der A-Gattung. Die Gründe für die rasante Vermehrung der Grobiane sind verblüffend simpel: Wenig Schlaf einer 24-Stunden-Gesellschaft gepaart mit zunehmender Hektik begünstigen rücksichtsloses Verhalten.
Und dieses wiederum sei so ansteckend wie ein Grippevirus: «Es ist nichts so einfach, wie Menschen in einer Versuchssituation temporär zum Arschloch zu machen. Man setzt sie unter Druck, entzieht ihnen den Schlaf und behandelt sie grob, das reicht schon», sagt Sutton.
Die Gefahr ist gross, dass man zum Arschloch wird
Das Schlimmste ist, dass man sich daran gewöhnt: Arschlöcher seien wie ein Gestank, den man zunächst kaum ertrage, nach einer Weile aber nicht mehr wahrnehme. Die Gefahr ist daher gross, dass man selbst eines wird. Und das gilt es zu vermeiden. Denn entgegen dem, woran man in gewissen Branchen immer noch glaubt, ist es weder ein Kompliment, ein Arschloch zu sein, noch nötig, um Karriere zu machen.
Sutton sagt: «Warren Buffett ist kein Arschloch, Tim Cook auch nicht. George Bush und Barack Obama sind es genauso wenig, deshalb kamen die beiden gut miteinander aus. Es gibt keine einzige Studie, die zeigt, dass Arschlöcher gewinnbringend wären.» Es gebe hingegen Tausende Studien, die das Gegenteil bewiesen.
Keine Hilfe zu erwarten von der Personalabteilung
Die Fakten scheinen also klar, bloss: So international verständlich der Terminus Arschloch ist, so wenig entspricht er einer allgemeingültigen juristischen Definition. Wie soll man damit bei der Personalabteilung vorstellig werden und erklären, dass einem ein ebensolches die Freude an der Arbeit vermiest?
Gar nicht, sagt Sutton. «Weil von dort meist keine Hilfe zu erwarten ist.» Oft erweise es sich sogar als Bumerang, weil das Arschloch, mit allen Wassern gewaschen oder hierarchisch höhergestellt, am längeren Hebel sitze. Man muss sich also selbst helfen. Voraussetzung dafür: «Know your asshole.» Ist jemand ein Arschloch, weil ihm oder ihr der Erfolg zu Kopf gestiegen? Dann ist eine höfliche Kritik unter vier Augen eventuell erfolgversprechend.
Hält da einer oder eine Freundlichkeit für Schwäche und trampelt deswegen auf einem rum? Hartes Zurückschlagen kann sich lohnen. Hat man es mit einem Narzissten zu tun? Niemals die direkte Konfrontation suchen, man kann nur verlieren; besser im Hintergrund agieren. Geht es einfach um die Freude am Plagen, am Demütigen? Dann wirds ganz, ganz düster. Da hilft gemäss Sutton nur noch Humor, innere Distanzierung oder kündigen.
Ein rücksichtsloser Chirurg ist eine Gefahr
Aber gewinnen damit nicht letztlich eben doch die Arschlöcher, und die Anständigen können schauen, wo sie bleiben? «Das stimmt nicht!», ruft Sutton fröhlich. Ein Arschloch zu sein, lohne sich nur kurzfristig – längerfristig zahle es sich nicht aus. Man mache sich zu viele Feinde, irgendwann fehle einem die nötige Unterstützung, werde hängengelassen.
«Ein Arschloch zu sein, lohnt sich nur kurzfristig.»
Zudem sei er Optimist, es werde sich etwas ändern, wenn auch nur langsam. «Weil die Beweislast derart eindeutig ist und die Eindeutigkeit derart eindrücklich, dass Firmen es sich gar nicht mehr leisten können, weiterhin Arschlöcher zu beschäftigen», sagt Sutton. Wie überzeugend das Argument Geld in diesem Zusammenhang ist, zeigt das Beispiel der führenden US-Spitäler, in denen ebenfalls die No-Asshole-Rule eingeführt wurde.
Und zwar nachdem zahlreiche Studien nachgewiesen hatten, dass die Fehlerquote von Pflegeteams mit einem despotischen Chef signifikant höher ist. Die Erkenntnis daraus: Wenn ein Chirurg mit seinem rüpelhaften Verhalten den Mitarbeitenden gegenüber zu einem Risiko für Patienten und Arbeitgeber wird, ist er unerwünscht, egal, wie brilliant er auch sein mag. Sorry, Arschloch.
Video: Hass in Zuckerguss
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