Arzt spricht von «Massenmord in Syrien»
Der französische Kriegschirurg und Mitbegründer von Ärzte ohne Grenzen Jacques Bérès war 12 Tage lang in Homs. Er berichtet über Grausamkeiten des Assad-Regimes.
Der französische Chirurg Jacques Bérès hat nach einem Einsatz in Homs den «Massenmord» in der syrischen Protesthochburg angeprangert. «Es muss alles getan werden, um dies zu stoppen», forderte er am Dienstag in Genf.
Bérès hatte 12 Tage lang in Homs gearbeitet, während die Stadt von den Truppen von Präsident Baschar al-Assad beschossen wurde. Das Vorgehen des Regimes sei «ungerecht und nicht zu rechtfertigen», sagte er am 4. Gipfel für Menschenrechte und Demokratie, den mehrere Nichtregierungsorganisationen organisiert hatten.
Nach Syrien gelangte Bérès illegal über die Grenze zum Libanon. Dabei half ihm die Vereinigung für Hilfe für Opfer in Syrien (AAVS). Die grossen internationalen Hilfsorganisationen scheuten das Risiko, Ausländer auf illegalem Weg nach Syrien zu bringen, sagte er.
Bérès hat 40 Jahre Erfahrung als Kriegschirurg und ist Mitbegründer von Ärzte ohne Grenzen. Die Hilfe, die er geleistet habe, sei nicht mehr als ein Tropfen in einem Ozean, sagte er, aber besser als gar nichts.
Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Die syrischen Streitkräfte haben die seit Monaten von abtrünnigen Soldaten kontrollierte Stadt Idlib nahe der Grenze zur Türkei eingenommen und damit in ihrem Kampf gegen den bewaffneten Widerstand im Land wieder an Boden gewonnen. Gleichzeitig warf die Arabische Liga dem Regime vor, bei der blutigen Niederschlagung der Proteste Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben.
Zudem berichtete die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) von Landminen, die Truppen nahe der Grenze zur Türkei gelegt hätten. Ungeachtet der anhaltenden Verurteilung aus dem Ausland und der chaotischen Lage im Land kündigte Präsident Baschar Assad Parlamentswahlen an.
Widerstand in drei Stadtteilen
Die syrischen Truppen hätten nach ihrer dreitägigen Offensive in Idlib die Stadt unter Kontrolle, berichteten die regierungsnahe Zeitung «Al-Watan» und das Syrische Observatorium für Menschenrechte (SOHR). Allerdings gibt es laut SOHR in drei Stadtteilen noch Widerstand. Eine offizielle Verkündigung der Einnahme Idlibs gab es nicht. Nach Augenzeugenberichten war den in der Stadt verschanzten abtrünnigen Soldaten die Munition ausgegangen.
Beobachter fürchteten, die Kämpfe um Idlib könnten das Ausmass der Kampfhandlungen in der Stadt Homs annehmen. Dort wurde der Stadtteil Baba Amr vor seiner Einnahme fast einen Monat von Regierungstruppen belagert, hunderte Zivilisten kamen ums Leben.
Forderung nach Untersuchung
Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil Elarabi, warf dem Regime vor, mit der Tötung der Zivilisten Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben. Es sei weder ethisch noch moralisch, die Verantwortlichen für die Toten in Homs und Idlib ohne Strafe davonkommen zu lassen, sagte er in Kairo. «Es muss eine unabhängige internationale Untersuchung geben, die aufklärt, was dort passiert und die die Verantwortlichen für diese Verbrechen entlarvt und sie vor Gericht bringt.»
Nach Angaben des SOHR und der zweiten grossen syrischen Menschenrechtsorganisation, den Örtlichen Koordinationskomitees (LCC), wurden heute in der Nähe des Dorfes Marit Schurin in der Provinz Idlib sechs Leichen gefunden. Nach Angaben des LCC waren die sechs in einem Krankenwagen unterwegs, als sie von Soldaten aufgehalten und erschossen wurden.
Human Rights Watch warf dem Regime vor, mit dem Legen von Landminen auf Fluchtrouten in die Nachbarländer Libanon und Türkei für den Tod weiterer Zivilisten verantwortlich zu sein. «Jede Verwendung von Anti-Personen-Minen ist skrupellos», sagte Steve Goose von HRW. Nach Angaben der UN-Flüchtlingsagentur sind seit Beginn der Proteste gegen Assad 230.000 Syrier geflohen.
Parlamentswahl im Mai
Assad kündigte indessen eine Parlamentswahl für den 7. Mai an. Sie war ursprünglich für März angesetzt gewesen, wurde aber nach dem Verfassungsreferendum im vergangenen Monat verschoben, da nun auch neuen politischen Parteien eine Teilnahme erlaubt ist. In der Vergangenheit hatte bei Wahlen die Nationale Progressive Front, zu der auch Assads regierende Baath-Partei sowie elf assoziierte Gruppen gehören, die Wahlen und das 250 Abgeordnete umfassende Parlament dominiert. Gleichwohl ist unklar, wie unter den von Gewalt geprägten Umständen in dem Land eine Wahl abgehalten werden kann.
Der UN-Sondergesandte für Syrien, Kofi Annan, forderte Antworten auf konkrete Vorschläge zur Beendigung dieser Gewalt. «Sobald wir ihre Antwort haben, wissen wir, wie wir reagieren müssen», sagte der UN-Gesandte am Dienstag bei einem Besuch in der Türkei, wo er auch mit dem Vorsitzenden des oppositionellen syrischen Nationalrats, Burhan Ghaliun, zusammentraf. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan kündigte an, dass das nächste Treffen der Freunde Syriens am 2. April in Istanbul stattfinden werde. Die Türkei hofft auf eine Teilnahme Russlands und Chinas, die die vorherige Konferenz in Tunesien gemieden hatten.
Die USA haben die vom syrischen Staatschef Bashar al-Assad für den 7. Mai angesetzte Parlamentswahl als verfehlt bezeichnet. «Inmitten von Gewalt» Wahlen zu einer «Ja-Sager»-Kammer zu veranstalten sei «lächerlich», sagte US-Aussenamtssprecherin Victoria Nuland.
SDA/wid/kpn/kle
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