Athen wurde gerettet, Europa nicht
Ja, die Finanzminister haben die ultimative Katastrophe im letzten Moment verhindert – einmal mehr. Überschäumende Euphorie ist aber fehl am Platz.

In Europa fühlen sich selbst Siege derzeit wie Niederlagen an. Bitterer Zynismus macht sich breit: Wann, bitte, findet der nächste Krisengipfel statt?
Das Bail-out von Griechenland überzeugt weder ökonomisch noch politisch. Die jüngsten Zahlen zeigen, dass die Austeritätspolitik auf der ganzen Linie gescheitert ist. Griechenland befindet sich bereits in einer Abwärtsspirale. Trotz härtesten Sparmassnahmen nimmt die Staatsverschuldung zu, nicht ab. Selbst das 130-Milliarden-Euro-Rettungspaket wird daran wenig ändern. Im besten Fall sinkt die Schuldenquote von derzeit 160 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) bis 2020 auf 120 Prozent. Wahrlich ein heroisches Ziel.
Die Verleumdungsspirale dreht sich immer schneller
Die meisten haben Griechenland ohnehin schon abgeschrieben. Doch die Ansteckungsgefahr besteht weiter. Portugal und Irland haben alle sehr harte Sparauflagen erfüllt, die ihnen von EU, EZB und dem IWF aufgebrummt worden sind. Trotzdem stecken beide Musterschüler ebenfalls in einer Deflationsfalle, auch ihre Staatsschulden nehmen in Prozenten des BIP gesehen zu. Nun zeichnet sich in Italien und Spanien die gleiche, verhängnisvolle Entwicklung ab.
Gefährlicher noch als die ökonomische Verelendungs- ist die politische Verleumdungsspirale. Sie dreht sich immer schneller. Bilder von Angela Merkel in Nazi-Uniform sind in griechischen Zeitungen alltäglich geworden und Verschwörungstheorien jeder Couleur gibt es zuhauf. In Deutschland ist man derweil über den Nazi-Vergleich zu Recht empört. Doch gleichzeitig verlangt die «Bild»-Zeitung im Chor mit renommierten Wirtschaftsprofessoren, dass Griechenland endlich aus der Eurozone geschmissen werde. Der Hass schaukelt sich gegenseitig auf. Was, wenn es erste Terrorakte und Tote geben sollte?
Seit dem arabischen Frühling werden ähnliche Entwicklungen auch andernorts erwartet. Man spricht von einem russischen oder einem chinesischen Frühling. Warum nicht von einem europäischen? In vielen Ländern liegt die Jugendarbeitslosigkeit bereits bei 35 Prozent und mehr. Es gibt keinerlei Anzeichen, dass sich das ändern wird. Im Gegenteil: Die meisten Ökonomen gehen von einem Rückfall in eine Rezession aus. Das wird die politischen Spannungen noch verstärken. Im Süden wächst die Arbeitslosigkeit, im Norden die Abneigung, immer neue Rettungspakete schnüren zu müssen. Es ist absehbar: Bald wird es einen Krisengipfel ohne Sieg in letzter Minute geben, nicht einmal einen, der sich anfühlt wie eine Niederlage.
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