Athens Talfahrt ins Bodenlose
Ein neuer Schwächeanfall des Euro und rekordverdächtige Renditen auf griechischen Staatsanleihen. Was muss noch passieren, bis einer eingreift?

Zweijährige griechische Staatsanleihen kratzen derzeit den Kurs von fast 10 Prozent. Der Wert ist in den letzten Tagen förmlich explodiert. Und weil kein Ende der Krise abzusehen ist, rasselt auch der Euro weiter in den Keller. Zwischenzeitlich erreichte die Gemeinschaftswährung das Jahrestief von 1,3199 Dollar.
Gestern wurde bekannt, dass die griechische Schuldenkrise noch dramatischer ist als bisher bekannt. Die europäische Statistikbehörde Eurostat korrigierte das griechische Haushaltsdefizit für das Jahr 2009 am Donnerstag auf 13,6 Prozent nach oben. Die bisherige Prognose lag bei 12,9 Prozent der Wirtschaftsleistung. Damit wird es nach Ansicht von Experten immer wahrscheinlicher, dass Griechenland das Rettungspaket der übrigen Euro-Staaten und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Anspruch nehmen muss.
Weitere Herabstufung
Angesichts der neuen Zahlen stufte die Ratingagentur Moody's die Kreditwürdigkeit Griechenlands am Donnerstag von A2 auf A3 herab. Erst im Dezember war eine Herabstufung von A1 auf A2 erfolgt.
Die sozialistische Regierung berät seit Mittwoch mit dem IWF und der EU-Kommission über die Überwindung der Schuldenkrise. Die übrigen Euro-Staaten und der IWF haben Griechenland Beistandskredite im Umfang von 30 Milliarden Euro in Aussicht gestellt, die allerdings mit weiteren Sparauflagen verbunden werden könnten.
Deutschlands Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble rechnet nach eigenem Bekunden aber nicht mit einer kurzfristigen Entscheidung der Regierung in Athen. Er glaube nicht, dass Griechenland vor Mitte Mai um Hilfe bitte, sagte Schäuble auf eine entsprechende Frage im Deutschlandradio.
Nur Irland hat noch grösseres Haushaltsloch
Das griechische Haushaltsdefizit hat sich voriges Jahr im Vergleich zu 2008 fast verdoppelt; damals lag es bei 7,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Ein noch grösseres Loch in der Staatskasse hat nur Irland mit 14,3 Prozent. Der niedrigste Wert wurde für Schweden ermittelt, wo sich das Defizit auf lediglich 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung belief. In der gesamten Eurozone stieg die Neuverschuldung von durchschnittlich zwei Prozent 2008 auf 6,3 Prozent im vergangenen Jahr. EU-weit wuchs das Defizit laut Eurostat von 2,3 Prozent auf 6,8 Prozent.
Die Gesamtschuldenquote Griechenlands belief sich 2009 auf 115,1 Prozent, EU-weit übertroffen nur noch von Italien mit 115,8 Prozent. Die Verschuldungsquote für Deutschland wurde mit 73,2 Prozent angegeben. In der Eurozone stieg die Quote von 69,4 Prozent Ende 2008 auf 78,7 Prozent Ende 2009 und in der Gesamt-EU von 61,6 Prozent auf 73,6 Prozent.
Eurostat warnt vor möglicher weiterer Korrektur
Eurostat warnte, dass die griechischen Zahlen tatsächlich noch schlechter ausfallen könnten als jetzt ermittelt. Die Behörde verwies auf «Unsicherheiten» über die Angaben aus Athen vor allem bei Sozialversicherungsfonds und komplexen Spekulationsgeschäften. Nach Abschluss laufender Eurostat-Untersuchungen könnten daher weitere Korrekturen notwendig werden, die sich beim Haushaltsdefizit auf 0,3 bis 0,5 Prozentpunkte und bei der Gesamtverschuldung auf fünf bis sieben Prozentpunkte belaufen könnten.
Das griechische Finanzministerium erklärte dazu, die Zweifel an den Zahlen seien auf Versäumnisse der vorherigen konservativen Regierung zurückzuführen. Diese habe bereits 2008 ausserbörsliche Zinstauschgeschäfte nicht korrekt an Eurostat gemeldet.
Zusammenstösse bei Demonstration in Athen
Wegen erwarteter Arbeitsplatzverluste und Kürzungen im Zusammenhang mit der rigorosen Sparpolitik Athens traten die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in Griechenland in einen 24-stündigen Streik. Der Ausstand legte am Donnerstag weite Teile des öffentlichen Dienstes lahm.
Im Zentrum Athens kam es zu Zusammenstössen zwischen Demonstranten und der Polizei. Die Polizei setzte Tränengas ein. Insgesamt zogen 3.000 bis 4.000 Demonstranten durch die Innenstadt. Sie trugen Plakate mit Aufschriften wie «Besteuert die Reichen» und «Nehmt uns nicht das Brot vom Tisch» bei sich. Die Gewerkschaften in Griechenland befürchten wegen der Sparpläne der Regierung tiefe Einschnitte.
ddp/cpm
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