Atommüll-Fachleute kommen ins Unterland
Mit einer Informationsoffensive wollen Bund und Nagra für das Atomendlager werben. In den betroffenen Gemeinden reagiert man konsterniert und rüstet sich für eine emotionale Debatte.

Der Bund startet eine Informationsoffensive, um die Atommüll-Diskussion zu lancieren. Am 20. November (um 19.30 Uhr) findet dazu eine Informationsveranstaltung für die Bevölkerung im Unterland statt. In der Mehrzweckhalle Eichhölzli in Glattfelden wollen Vertreter der Kantonsregierung, das Bundesamt für Energie, die Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK) und die Nagra das Auswahlverfahren erläutern und die Fragen der Bürgerinnen und Bürger beantworten. Solche Veranstaltungen sind in allen acht Regionen geplant, die für das Atomendlager in Frage kommen.
Die Arbeitsgruppe Tiefenlager im Zürcher Unterland (AG TiZU) ermunterte am Freitag alle Bewohner der betroffenen Gemeinden, an der Informationsveranstaltung teilzunehmen. Der Anlass werde aber nicht von den Unterländer Gemeinden organisiert, hiess es an der Medienkonferenz in Bülach. Die Behördenvertreter würden lediglich als Zuhörer zugegen sein und die offizielle Haltung ihrer Gemeinde zu einem späteren Zeitpunkt kommunizieren.
Durch den Entscheid des Bundes sei das Unterland plötzlich wieder in den Fokus für die Entsorgung radioaktiver Abfälle geraten, sagte der Präsident der Arbeitsgruppe, Hanspeter Lienhart, SP-Stadtrat aus Bülach. «Wir sind konsterniert und machen uns Sorgen um unsere Region.» Es gelte aber auch die gesetzliche Notwendigkeit einer «Schweizer Lösung» zu anerkennen.
Anlaufstelle für besorgte Bürger
Die AG TiZU will in den kommenden Auseinandersetzungen die Interessen der Region gegenüber verschiedenen Verhandlungspartnern vertreten. Dazu zählt man die kantonale Baudirektion, den Bund und die Verursacher der radioaktiven Abfälle. Die Arbeitsgruppe fungiere auch als Anlaufstelle für besorgte Bürger und bündle die unterschiedlichen Haltungen der lokalen Bevölkerung, heisst es.
«Die Problematik löst ungeheure Emotionen aus», sagte Lienhart, der sich auch als Präsident der Planungsgruppe Unterland mit den möglichen Auswirkungen eines Endlagers auseinanderzusetzen hat. Die Unterländer Behördenvertreter zeigten sich zufrieden über die ablehnende Haltung des Kantons.
«Doppeltes Pech»
Regierungsrat Markus Kägi (SVP) bezog in Bülach erneut Stellung gegen eine Atommüll-Entsorgung auf Zürcher Kantonsgebiet – ob im Unterland oder im Weinland. «Ungleich verteilte Lasten sind keine gute Voraussetzung, um den Standortentscheid zu treffen.» Sprich: Im interkantonalen Vergleich habe Zürich auch ohne Atomendlager grosse Lasten zu tragen. Dieser Argumentation schlossen sich die Unterländer nur zu gerne an. Die Region sei durch den Fluglärm und den Kiesabbau mehr als genügend belastet, hiess es.
Der Hochfelder Gemeindepräsident Reto Riedberger (SVP) sprach von einem «doppelten Pech» der Gemeinden, die sich im «Sandwich» befänden zwischen dem Lärm der Flugzeuge und dem Atommüll, der möglicherweise in ihrem Boden gelagert werde.
Der Glattfelder Gemeinderat Bruno Suter (SVP) wies darauf hin, dass die Nagra schon 1983 Probebohrungen im Grenzgebiet zu Weiach durchführte. Daraus zu schliessen, dass Glattfelden und Weiach automatisch in die engere Auswahl kommen, sei aber falsch.
Die anwesenden Behördenvertreter waren sich einig, dass es in der nächsten Phase darum gehe, mit vereinten Kräften gegen den Standort Unterland zu argumentieren. Laut Hanspeter Lienhart soll so schnell wie möglich eine Studie in Auftrag gegeben werden, die sich mit den Auswirkungen des Endlagers auf die Region, den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen befasst. Er warne aber davor, schon zu diesem frühen Zeitpunkt Partikularinteressen zu verfolgen, so Lienhart.
Das geologische Standortgebiet «Nördlich Lägern» umfasst eine Fläche von rund 65 Quadratkilometer. Im Perimeter sind 12 Unterländer Gemeinden sowie die Aargauer Gemeinden Fisibach, Siglistorf und Schneisingen. Wo genau das Endlager gebaut würde, ist nicht bekannt. In den nächsten fünf Jahren soll der Standort mit den anderen verglichen werden.
Sollte dereinst ein konkretes Gebiet im Unterland bestimmt werden, könnte sich die Klammer der Solidarität zwischen den Gemeinden lösen, so die Befürchtung einzelner Behördenvertreter. Dabei sei es wichtig, mit einer Stimme aufzutreten. Man komme trotzdem nicht umhin, in der Behörde die eigene Haltung zu diskutieren und diese nach aussen zu tragen.
Für die Oberweninger Gemeinderätin Melissa Hösli, Vorstandsmitglied der Unterländer Planungsgruppe, ist klar: «Ein solches Endlager darf keinerlei negative Auswirkungen auf das Leben der Menschen im Zürcher Unterland haben.» Im Namen der Arbeitsgruppe Tiefenlager rief sie die Bevölkerung auf, sich aktiv an der Diskussion zu beteiligen.
Zur Meinungsbildung beitragen, soll eine professionell geführte Medienstelle, die den Unterländern vom Kanton zur Verfügung gestellt wird. Diese Aufgabe sei an eine PR-Agentur aus Zollikon übertragen worden, weil der Kanton nicht selber für die Gemeinden kommunizieren könne. Die Baudirektion werde über die Tätigkeit der Medienstelle informiert, nehme aber keinen Einfluss, hiess es am Freitag. Die Kosten der Öffentlichkeitsarbeit trage vorläufig der Kanton. Dies sei auch beim Forum Opalinuston – dem Weinländer Pendant zur AG TiZU – der Fall. In Zukunft sollen die Kosten aber auf die Verursacher abgewälzt werden.
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