Auch sie sind Geiseln von Trumps Shutdown
Nicht nur Staatsangestellte spüren den Stillstand von Teilen der US-Regierung. Wir haben mit Betroffenen gesprochen.

Ihren ersten Arbeitstag im Kunstmuseum hatte Hirut Tsigie vor 25 Jahren. In der Cafeteria der National Gallery of Arts in Washington arbeitet die gebürtige Äthiopierin noch heute. Sie mag ihren Job. Doch seit dem Neujahrstag muss Tsigie zu Hause bleiben. Wegen des Shutdowns bleiben die öffentlichen Museen geschlossen, und die Leute, die dort arbeiten, erhalten keinen Lohn. Was das für Tsigie heisst, erklärt sie am Telefon: «Ich muss entscheiden, welche Rechnungen ich bezahlen kann und welche nicht. Die Miete? Die Kreditkarte?»
Tsigie ist keine Staatsangestellte. Die 57-Jährige aus Maryland arbeitet für das private Catering-Unternehmen, das die Cafeteria des Kunstmuseums betreibt. Auch die Putzfrauen, Hauswarte und Sicherheitsleute im Museum sind von externen Firmen angestellt. Sie alle betrifft der Shutdown – sogar noch stärker als die Beamten. Diese erhalten den entgangenen Lohn nach dem Ende des Shutdowns rückwirkend erstattet – die Angestellten der privaten Firmen nicht. «Wenn ich keine Stunden mache, erhalte ich auch kein Gehalt», sagt Tsigie.
Tsigie hat zwei Kinder im Schulalter, die beide noch zu Hause sind. «Wir leben als Familie von Gehaltscheck zu Gehaltscheck», sagt sie. «Die Situation ist sehr belastend.» Wenigstens hätten sie noch den Lohn ihres Mannes, der vom Shutdown nicht betroffen ist. «Aber mit nur einem Lohn kommen wir nicht durch.»
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Video: Trumps Rede an die Nation
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Bald drei Wochen sind Teile der US-Regierung nun schon lahmgelegt, weil Präsident Donald Trump auf Geld für den Bau einer Grenzmauer besteht. Am Donnerstag reiste er nach Texas, um zu unterstreichen, dass nur eine Mauer die illegale Einwanderung stoppen könne, was selbst viele Republikaner bezweifeln. Um die Mauer auch ohne Einwilligung des Kongresses bauen zu können, überlegt der Präsident nun, den Notstand auszurufen.
Für Trump ist der Shutdown eine abstrakte Sache, ein taktisches Instrument. Für sehr viele Amerikaner hat die Haushaltssperre aber reale Folgen. Ohne die Gehaltschecks, die sie in der Regel alle 14 Tage erhalten, sind viele in einer prekären Lage, denn Erspartes haben sie oft nicht. Und wer in den USA seine Miete nicht pünktlich zahlt, dem droht oft schon binnen weniger Tage der Rauswurf aus der Wohnung.
Auch Tresha Taylor muss in diesen Tagen einige schwierige Entscheidungen treffen. Die 50-Jährige arbeitet für ein Personalunternehmen, das Diplomaten des US-Aussenministeriums in Washington ausbildet. Ihren letzten Arbeitstag hatte sie am 21. Dezember. Seither hat sie kein Gehalt mehr erhalten, doch die Rechnungen kommen natürlich weiterhin. Erst vor einigen Wochen war sie in einen Verkehrsunfall verwickelt und musste ein neues Auto leasen. «Ich habe damit begonnen, Möbelstücke zu verkaufen, um mehr flüssige Mittel zu haben», sagt sie.

Die Firma, für die Taylor arbeitet, ist eine von vielen in der Umgebung der Hauptstadt. Schon lange lagern US-Ministerien und Amtsstellen viele Aufträge an private Dienstleister aus, vor allem im IT- und Personalbereich. Je länger der Shutdown andauert, desto schmerzhafter sind die Einnahmeverluste für diese Firmen. «Manche Angestellte werden ihre Jobs verlieren, selbst wenn der Shutdown vorüber ist», sagt Taylor. Sie habe selbst damit begonnen, sich nach Alternativen umzuschauen. «Es gibt keine Jobsicherheit mehr.»
Bei vielen Betroffenen ist die Wut über die Situation gross. «Trump selbst hat alles, was er zum Leben braucht», sagt Hirut Tsigie, die Cafeteria-Mitarbeiterin. «Aber uns normale Leute macht er zu Gefangenen seines politischen Spiels.» Tresha Taylor sagt, die Demokraten im Kongress täten das Richtige, indem sie dem Präsidenten das Geld für seine Mauer verweigerten. «Ich bin nicht bereit, mit meinen Steuergeldern für diese sinnlose Mauer zu bezahlen. Es geht Trump nicht ums Land, sondern nur um sich selbst.»
Wie viele Menschen genau von der Haushaltssperre betroffen sind, ist nicht klar. In den Medien ist oft nur die Rede von den 800'000 Angestellten der Bundesregierung. Die Zahl der «contractors», jener Leute also, die auf Vertragsbasis über private Firmen angestellt sind, ist aber viel grösser. Paul Light, Politologe an der New York University, schätzt, dass rund 4,1 Millionen Amerikaner auf diese Weise für die Regierung arbeiten. Hinzu kommen Zulieferer und all jene Geschäfte, die auf indirekte Weise von der Regierung leben.
Kostenloser Kaffee für Regierungsangestellte
Eine von ihnen ist die 38-jährige Yael Krigman. Sie betreibt eine beliebte Bäckerei gegenüber dem National Zoo in Washington, dem öffentlichen Zoo. Der Januar sei in der Hauptstadt immer ein ruhiger Monat, sagt sie, doch dass der Zoo nun seit bald drei Wochen geschlossen sei, mache ihrem Geschäft zu schaffen. Sie lebe von Laufkundschaft, den Zoobesuchern, die nun ausbleiben.
Trotzdem behält sie ihren Laden auch während des Shutdowns offen, bezahlt auch weiterhin die Löhne für ihre drei Dutzend Angestellten. Regierungsangestellte erhalten bei Krigman während des Shutdowns kostenlosen Kaffee, und den Freiwilligen, die derzeit die Tiere im Zoo füttern, spendiert Krigman jeden Tag ein Mittagessen. «Ich will der Gemeinschaft auch etwas zurückgeben», sagt sie.

Auch die Regierungsangestellte, die an diesem Nachmittag bei Krigman in der Bäckerei sitzt, ist wegen des Gratiskaffees da – und wegen des kostenloses Backkurses, den Krigman derzeit anbietet. Die Frau Mitte 40 heisst mit Vornamen Roberta, ihren Nachnamen will sie aus Angst um ihren Job nicht sagen. Sie habe schon einige Shutdowns erlebt, aber diesmal sei die Ungewissheit so gross wie nie, sagt sie. Dass sie ihren Lohn vom Staat nachträglich erhalten werde, sei ein schwacher Trost. «Davon kann ich meine Miete diesen Monat nicht bezahlen.» Am vergangenen Wochenende zog Roberta zu Hause Kerzen aus Sojawachs, die sie nun im Internet verkauft. «Das rettet mich auch nicht, aber jeder Dollar hilft.»
So wie Roberta geht es derzeit vielen Amerikanern, nicht nur in Washington. Auch in vielen ländlichen Gliedstaaten wie Montana oder Wyoming ist die Bundesregierung ein wichtiger Arbeitgeber. Hinzu kommen Tausende Jobs bei Behörden wie der Transport Security Authority, die für die Sicherheit des Verkehrs zuständig ist, etwa an Flughäfen. Diese Angestellten müssen trotz Shutdowns zur Arbeit erscheinen, werden dafür allerdings nicht bezahlt. Inzwischen gibt es täglich neue Berichte von Mitarbeitern, die sich deshalb krankmelden.
Roberta weiss von einigen Kollegen, die derzeit Zweitjobs verrichten, um wenigstens ein bisschen Geld zu verdienen, obwohl dies vielen Bundesangestellten untersagt ist. Zum Glück gebe es in der Hauptstadt vielerorts Solidaritätsaktionen, sagt sie. Roberta kennt die Liste auswendig: Wer einen Personalausweis der Regierung zeigt, erhält bei einem Italiener in der 7th Street kostenlose Meat Balls und einen «Hard Times Cocktail» für sechs Dollar. Die Restaurants des Starkochs José Andrés servieren täglich ein kostenloses Sandwich. All dies sei ja schön, und es helfe auch, sagt Roberta. Aber sie hoffe nur eines: dass der Shutdown möglichst bald zu Ende sei.
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