«Auch wir sind Familie»
In Österreich und Deutschland sollen Stiefkind-Adoptionen für homosexuelle Paare künftig erlaubt sein. Die heutigen Gesetze verstossen laut Gerichtsurteilen gegen das Diskriminierungsverbot.

Mit ihrem heute verkündeten Urteil haben die deutschen Verfassungshüter Schwule und Lesben ein Stück weit mehr in der Normalität ankommen lassen: Homosexuelle dürfen nun auch ein von ihrem Partner zuvor angenommenes Kind adoptieren, wenn sie in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben.
«Auch wir sind Familie», freute sich Axel Blumenthal von der Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule und Lesbische Paare (SLP) nach der Urteilsverkündung in Karlsruhe. Dass die sogenannten Regenbogenfamilien nun in diesem Punkt, der sogenannten Sukzessivadoption, Ehen rechtlich gleichgestellt werden, verdanken sie auch dem Blick der Richter auf die heutige gesellschaftliche Realität.
Homosexuelle als Elternpaar
Die deutschen Verfassungshüter stellten fest, dass sich der besondere Schutz von Ehe und Familie im Grundgesetz nicht auf das Geschlecht der Eltern bezieht. Zwar müsse man davon ausgehen, dass 1949 bei der Abfassung des Grundgesetzes, ausschliesslich an verschiedengeschlechtliche Eltern gedacht war und der Gedanke schwuler oder lesbischer Eltern «schlicht ausserhalb des damaligen Vorstellungshorizonts» lag, heisst es in dem Urteil. Doch mittlerweile habe sich nicht nur die rechtliche Position Homosexueller, sondern auch «die Einstellung der Gesellschaft zur Gleichgeschlechtlichkeit erheblich gewandelt».
Zwei Homosexuelle können deshalb laut Gericht als Elternpaar angesehen werden und der eine das angenommene Kind des andern adoptieren. Solch eine Adoption unterscheide sich auch nicht von der durch einen Ehepartner. Denn: Eine eingetragene Lebenspartnerschaft von Schwulen oder Lesben sei ebenso wie eine Ehe auf Dauer angelegt und durch eine verbindliche Übernahme von Verantwortung geprägt.
Verstoss auch in Österreich
Auch in Österreich müssen die Gesetze wohl angepasst werden. Die Grosse Kammer des Europäischen Gerichtshofs urteilte, Österreich verstosse mit der fehlenden Möglichkeit einer Stiefkind-Adoption für homosexuelle Paare gegen das Diskriminierungsverbot.
Das Gericht gab einem lesbischen Paar Recht, das seit längerem in einer stabilen Beziehung lebt. Die österreichische Gesetzgebung behandle homosexuelle Paare gegenüber unverheirateten heterosexuellen Paaren schlechter.
Für diese gibt es in Österreich nämlich die Möglichkeit, ein leibliches Kind des Partners oder der Partnerin zu adoptieren. Im Vergleich zu verheirateten Ehepaaren liege aber wegen der Sonderstellung der Ehe keine Diskriminierung vor.
17-jährigen Sohn adoptieren
Geklagt hatte ein lesbisches Paar, das bisher jahrelang vergeblich um die Stiefkindadoption gekämpft hatte. Eine der beiden 45-jährigen Frauen wollte den heute 17 Jahre alten leiblichen Sohn ihrer Partnerin adoptieren.
Die österreichischen Behörden lehnten dies ab, obwohl die Frauen den Jungen gemeinsam aufziehen. Die Wiener Regierung wurde nun angewiesen, den Klägerinnen zusammen 10'000 Euro Schmerzensgeld sowie 28'000 Euro für Prozesskosten zu zahlen.
Der EGMR kann keine nationalen Gesetze «kippen». Das bleibt dem betroffenen Land überlassen. Gegen dieses Urteil der 17 EGMR-Richter ist keine Berufung möglich. Österreich muss nun die entsprechenden Gesetze ändern.
Schweiz passt Adoptionsrecht an
In der Schweiz wird das Adoptionsrecht für Homosexuelle wohl demnächst angepasst. Im Parlament ist eine Motion in Arbeit, welche das Recht der Adoption von homosexuellen Einzelpersonen auf gleichgeschlechtliche Paare ausweiten soll. Der Bundesrat befürwortet die Stiefkindadoption für Paare in eingetragenen Partnerschaften.
sda/AFP/wid
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch