Auf Augenhöhe mit der Freiheit
Hannan Salamat wird den Muslimen hierzulande ein junges Gesicht geben. Sie ist die neue Fachleiterin Islam am Zürcher Institut für interreligiösen Dialog.

Hannan Salamat ist seit Anfang Jahr Fachleiterin Islam am interreligiösen Institut. Die 33-Jährige ist als Tochter iranischer Eltern in München aufgewachsen. Sie hat Nahost- und Religionswissenschaften studiert und ihre Masterarbeit zur Ideologisierung des Islam geschrieben. Vor zwei Jahren zog sie nach Zürich und arbeitete in St. Gallen für das Rote Kreuz als interkulturelle Mediatorin mit traumatisierten Flüchtlingen.
Soweit die biografischen Daten der deutschen Muslimin. Wer sie darüber hinaus kennen lernen will, dem macht sie es nicht einfach. «Ich passe in keine Schublade», sagt sie von sich selber und bekundet Mühe mit Labels wie «liberal». Trotz ihrer iranischen Wurzeln sagt sie dezidiert: «Ich bin nicht Schiitin, auch nicht Sunnitin, ich bediene mich aus allen Rechtsquellen.» Also eine Kulturmuslimin? Das auch nicht, sie sei praktizierende Muslimin, die die fünf Säulen des Islam eigenständig interpretiere. Sie gehöre keiner bestimmten Moschee an und habe ihre spirituelle Heimat in der Schweiz noch nicht gefunden. Natürlich sieht sie die grossen Benachteiligungen für Frauen im patriarchalen Mainstream-Islam, sie interessiert sich für islamischen Feminismus und feministische Koranlektüre. Eine Aktivistin aber ist sie nicht.
Sie praktiziert Yoga
Was sie gelten lässt: Sie sei «eine europäische Muslimin». Als solche fordert sie einen Islam, der sich in deutschsprachigen Ländern deutsch artikuliert. Insgesamt ist Salamat ein Kind des Westens und ihrer Generation: freiheitsliebend, individualistisch, eklektisch. Sie praktiziert auch Yoga, «das beruhigt mich». Und bilanziert: «Zu all dem gibt mir der Islam die Freiheit.»
Am Zürcher Institut für interreligiösen Dialog findet sie den gewünschten freiheitlichen Rahmen. Das Bildungshaus an der Pfingstweidstrasse ist unabhängig von religiösen Verbänden und Moscheevereinen. Als Fachleiterin Islam löst sie Rifa'at Lenzin ab. Salamat wird gesellschaftsbezogene Themen rund um den Islam, zu dessen Grundlage und Geschichte, aufgreifen. Andererseits hält sie auf Anfrage Vorträge oder vermittelt bei Konflikten an Schulen. Die Farsi und Arabisch sprechende Muslimin lässt sich für Mediationen aufbieten bei heiklen Fragen wie Dispens vom Schwimmunterricht oder der Verweigerung des Handschlags. Was würde sie in letzterem Konfliktfall tun? «Wenn ein Jugendlicher glaubt, dass ihn der Handschlag in die Hölle bringen könnte, muss ich mir die Grundidee anschauen. Ich würde beide Parteien treffen, den Kontext beurteilen und einen Vorschlag auch in Form eines individuellen Kompromisses machen – auf Augenhöhe, nicht von oben herab.»
«Das ist das Problem des Mannes, nicht meines.»
Dass Lehrerinnen Kopftuch tragen, findet Salamat in Ordnung – «das müssen wir aushalten». Denn das Kopftuch könne ganz unterschiedlich interpretiert werden, als Flagge des politischen Islam, aber auch als frei gewähltes Kleidungsstück. Auf ihre eigene Kopfbedeckung angesprochen, betont sie: «Ich trage kein Kopftuch, das ist ein Turban», wohlwissend, dass dieser für viele etwas Neues und schwer einzuordnen ist. Ihr gefällt das jüdische Symbol der Kopfbedeckung als Grenze zwischen Mensch und Gott. Vom Kopftuch als Schutz aber gegen begehrliche Männerblicke hält sie nichts: Das ist das Problem des Mannes, nicht meines.»
Das subversive Potenzial
Sie weiss, dass sie die freiheitliche Interpretation des Islam im arabischen Raum oder im Iran nicht praktizieren könnte. Salamat, die unmittelbar nach dem Arabischen Frühling in Kairo Arabisch lernte, bedauert die «politische Entwicklung, die viele talentierte junge Menschen ins Ausland treibt». Für den Iran bleibt sie zuversichtlich: 40 Jahre nach der Iranischen Revolution sei Hoffnung auf Veränderung angezeigt – nicht zuletzt dank dem subversiven Potenzial der Digitalisierung und der sozialen Medien.
Was für sie der Euroislam ausmacht, sind Moscheen, in denen die Landesprache gesprochen wird: Deutsche und Schweizer Muslime sollen in jeder hiesigen Moschee das gesprochene Wort verstehen. «Die dritte Generation will keine türkischen oder albanischen Import-Imame mehr, die sie nicht verstehen.» Daraus folgert Salamat: Imame sollen an hiesigen Universitäten ausgebildet werden, gewiss auch im Austausch mit islamischen Universitäten. Sie bedauert, dass in der Schweiz Lehrstühle für islamische Theologie fehlen, wie sie Deutschland in den letzten Jahren eingerichtet hat.
Sonst überlasse man das Feld extremistischen Gruppierungen, die gut Deutsch sprächen, online versiert seien und Jugendliche mit Digitalmedien köderten, so Salamat. Dass gewisse Türken der dritten Generation statt auf die hiesige Regierung lieber auf Erdogan hörten, habe damit zu tun, dass dieser ihnen sage: Die wollen euch nicht, kommt zu mir, kommt zu Papa. Und so folgten ihm viele aus Protest gegen die Mehrheitsgesellschaft.
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