Film-Highlights der WocheAuf dieser Insel leben nur noch wenige
Das Festival Visions du Réel zeigt tolle Filme im Stream, zum Beispiel «Dreaming an Island» über eine entvölkerte Insel. Dazu haben wir weitere Tipps.

Visions du Réel
Es ist wie in einem Postapokalypse-Thriller: grosse Fabrikanlagen und Wohnblöcke, gezeichnet vom Verfall, überwuchert von Pflanzen. «Leute von ausserhalb finden das vielleicht schön», sagt einer, der Führungen durch die Gegend macht, «aber bei den Einwohnern sorgt das für grossen Kummer.»
Wir sind auf der Insel Ikeshima im Süden Japans, ein paar Stunden von Nagasaki entfernt. In den Fünfzigern wurde hier ein Kohlebergwerk erbaut, es war bald das grösste des Landes. In den besten Zeiten lebten gegen 8000 Minenarbeiter mit ihren Familien auf Ikeshima. Doch 2001 wurde das Bergwerk geschlossen, denn ausländische Kohle ist viel billiger. Inzwischen wohnen weniger als 130 Leute auf der Insel, die meisten im hohen Alter. Nur der Tourismus bringt ein wenig Geld. Der Tessiner Filmemacher Andrea Pellerani ist hingefahren, um ein Porträt von Ikeshima zu drehen: «Dreaming an Island» läuft im Schweizer Wettbewerb des Visions du Réel, dem Dokumentarfilmfestival in Nyon. Wie schon die Ausgabe im letzten Jahr findet auch die aktuelle digital statt. Jeden Tag werden mehrere Filme aufgeschaltet, die dann jeweils für 72 Stunden zugänglich sind. Am 24. April stellt sich dann heraus, ob «Dreaming an Island» zu den Preisträgern gehört. (ggs)
Do 15.4. bis So 25.4. visionsdureel.ch. «Dreaming an Island» ab Fr 23.4., 11 Uhr
Big Shot
Dramedy-Serie von David E. Kelley, Dean Lorey und Brad Garrett, USA 2021, 10 Folgen
Kleiner Sport-Ratschlag: Es wird empfohlen, nicht mit Stühlen nach Schiedsrichtern zu werfen. Der impulsive College-Basketball-Coach Marvyn Korn (John Stamos) aus Minnesota tut genau das, worauf er in eine Privat-Highschool in Kalifornien abgeschoben wird – und dort Mädchen trainieren muss. Korn ist fassungslos, und wir sind es auch, denn die Ausgangslage klingt stark nach der Serie «Ted Lasso». Aber dann entpuppt sich Korn als ungleich menschenfeindlicherer Zeitgenosse, worauf es einiges aufzuarbeiten gibt, auch und gerade bezüglich seiner Familienrolle, als Korns Vater stirbt und seine Tochter zu ihm zieht. Das alles wirkt nicht ganz taufrisch, wird aber mit schwungvoller Ernsthaftigkeit erzählt. Nicht nur die Sportszenen sind mitreissend, sondern auch Korns unberechenbare Reaktionen, wenn sein Team ein Spiel gewinnt oder verliert. (zas)
Ab Fr 16.4. auf Disney+
The Nevers
Science-Fiction-Serie von Joss Whedon, USA 2021, 6 Folgen
Haben wir auf einen spekulativen Genremix im viktorianischen England gewartet, in dem eine Kaste von weiblichen «Berührten» wegen ihrer Superkräfte (zum Beispiel Hellsehen) ausgegrenzt wird? Haben wir nicht unbedingt. Aber «The Nevers», die neue Fernsehserie von Joss Whedon («Buffy»), ist ausgesprochen witzig geworden. Schon nur der adelige Trottel, der in Anbetracht von zwei Berührten tuschelt: «Welche von beiden ist die Hässliche?» Das hat Leichtigkeit und wirkt zeitgenössisch, weil die Serie Identitätspolitik und Minderheitenrechte thematisiert, aber ohne uns das die ganze Zeit unter die Nase zu schmieren. So geistreich wie eine Gesellschaftskomödie – einfach mit deutlich höherem Anteil an Übersinnlichem. (blu)
Auf Sky
Silk Road
Thriller von Tiller Russell, USA 2021, 112 Min.
Silk Road war ein Marktplatz im Darknet, ein «Amazon für Drogen», wo mit Bitcoins bezahlt wurde. Der junge Texaner Ross Ulbricht betrieb die Website von 2011 bis 2013, dann wurde er verhaftet. Inzwischen sitzt er eine Strafe von zweimal lebenslänglich plus 40 Jahre ab. In der Verfilmung wird er von Nick Robinson («Jurassic World») gespielt; ein Bundesagent (Jason Clarke) soll ihn zur Strecke bringen. Das ist wenig gehaltvoll, aber unterhaltsam. Vom gleichen Fall erzählt übrigens die Doku «Deep Web» (2015), die Keanu Reeves als Erzähler hat. (ggs)
Auf Apple TV, Blue TV, Google Play etc.
Resident Alien
Komödien-Serie von Peter Hogan und Steve Parkhouse, USA 2021, 10 Folgen
Der titelstiftende Resident Alien ist ein Ausserirdischer, der von seinem Volk auf die Erde geschickt wurde, um die Menschheit auszulöschen. Blöderweise legt er eine Bruchlandung hin, bei der seine Annihilationswaffe Schaden nimmt. Also gibt er sich im Kaff, wo er strandet, per Formwandlung als Mensch «Harry» aus. Auch blöd: Man hält ihn für einen Doktor, was ihn mit allerlei Menschen und deren täglichen Problemchen und moralischen Dilemmata in Kontakt bringt. Dass Harry sein Englisch über TV-Krimis gelernt hat und entsprechend komisch spricht, macht das Zusammenleben nicht einfacher. Das alles ist saukomisch und gipfelt natürlich in der Frage, ob die Menschen es wert sind, gerettet zu werden. Das Beste an der Serie ist aber der grossartige Alan Tudyk, der den abgestürzten Ausserirdischen als eine Art E.T. für Erwachsene spielt: melancholisch und voller Verachtung. (phz)
Auf Sky
Baghdad Central
Kriegsserie von Stephen Butchard, Alice Troughton, Ben A. Williams, GB 2020, 6 Folgen
«Homeland» war gestern. Nicht die Besatzungsmacht steht im Zentrum, sondern ein Einheimischer. Waleed Zuaiter spielt einen Ex-Polizisten aus Bagdad, der nach dem Sturz von Saddam Hussein von einigen als Verräter angesehen wird, von anderen jedoch als Held. Als seine Tochter verschwindet, gerät er zwischen alle Fronten. Die Channel-4-Serie ist überaus spannend und mit einer guten Prise britischem Humor versehen. «Was ist mit deinem Schnurrbart passiert?», wird der Ex-Polizist gefragt. Eigentlich wurde ihm dieser abgerissen, als er gefoltert wurde. Er aber antwortet trocken: «Der Schnauz wurde beschlagnahmt und als irakisches Kulturgut nach Washington geschickt.» (ml)
Auf Arte
Yalom’s Cure
Dokumentarfilm von Sabine Gisiger, CH 2014, 77 Min.
Irvin D. Yalom, der kommenden Juni 90 wird, ist ein bedeutender Psychoanalytiker und Schriftsteller aus den USA; er hat die existenzielle Psychotherapie oder die Gruppentherapie geprägt. Die Schweizer Regisseurin Sabine Gisiger hat ihm vor ein paar Jahren dieses Porträt gewidmet. Im Anschluss an die Online-Vorführung findet ein digitales Gespräch mit Yalom und Gisiger statt. (ggs)
Fr 23.4., 20.15 Uhr, Filmlivestreaming.ch
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