Auf Tuchfühlung mit den wilden Affen
Uganda gilt als die «Schweiz Afrikas». Das Land am Äquator ist nicht nur sicher, sondern auch äusserst fruchtbar. Und Heimat der letzten Berggorillas.

Und plötzlich steht er da. Keine zwei Meter entfernt. Schwarz, mächtig, furchteinflössend. Mahane, 21 Jahre alt, knapp 200 Kilo schwer und Chef der zwölfköpfigen Familie, die sich um ihn gruppiert. Er ist einer der letzten Berggorillas auf unserem Planeten. Gerade noch 1000 Exemplare dieser Primatenart gibt es weltweit. Doch die Zahl nimmt wieder zu, nachdem die Population während zahlreicher Bürgerkriege in ihrem natürlichen Lebensraum, dem Dreiländereck von Ruanda, dem Kongo und Uganda, massiv zurückgegangen war. Silberrücken Mahane lässt sich durch die Touristen, die zuerst zaghaft, dann immer bestimmter ihre Handys zücken, nicht provozieren. Er blinzelt nur kurz und wendet sich dann wieder den beiden Gorilla-Babys zu, die geräuschvoll um ein paar heruntergefallene Feigen streiten.
Am frühen Morgen haben sich die Touristen im kleinen Dorf Buhoma beim neuen Besucherzentrum versammelt – die meisten von ihnen übernachteten in einer der zahlreichen kleinen Lodges im und um den Park. Und sind nach einer kurzen Einführung durch einen der Ranger aufgebrochen auf der Suche nach den seltenen Tieren. Der Weg führt zuerst entlang des malerischen Munyaga-Flusses. Das Wasser glitzert im Licht der aufgehenden Sonne, Dunst liegt in der Luft, der die Sonnenstrahlen bricht und das bis zu zwölf Meter hohe Heidekraut in eine mythische Bilderwelt verzaubert.
Es ist kühl hier auf rund 2000 Meter über Meer im Regenwald von Uganda. Nach einer Dreiviertelstunde verlässt die Truppe den Weg und steigt hinein in das Dickicht des Waldes. Bergschuhe, Handschuhe und feste Kleider sind unabdingbar. Sie schützen nicht nur vor den Dornen, sondern auch vor den unzähligen Insekten, die einen geheimnisvollen Sound-teppich über das intensive Grün des Waldes legen.
Allein der Eintritt in den Park kostet 600 US-Dollar
Der Weg wird steiler und erinnert an Bergpfade in unseren Alpen. Nur noch langsam geht es vorwärts. Die Ranger und Träger helfen den Touristen beim Aufstieg. Für Handicapierte wird gar eine Sänfte angeboten, auf der man sich bequem zu den Affen schaukeln lassen kann. Ein allerdings ziemlich teurer Spass, was ein solches Gorilla-Trekking sowieso ist. Allein der Eintritt in den Park kostet 600 US-Dollar. Viel Geld, das man aber für die artgerechte Pflege der Tiere und zum Schutze des Parks einsetzt. Und das dafür sorgt, dass der Park nicht überlaufen wird. Denn der Andrang ist enorm. Für bestimmte Reisetermine sind die Trekkings auf über ein Jahr hinaus ausgebucht. Rund 300 Mitarbeiter sind für das Wohl der Tiere besorgt. Selbst ein Gorilla-Spital gibt es in der Region.
Die Sonne ist inzwischen stärker geworden und leuchtet über die Spitzen der bis zu fünfzig Meter hohen Bäume. Und dann, endlich, nach einem zwei- bis fünfstündigen Marsch, je nachdem, wo sich die Gorillas gerade aufhalten, steht er da. «Psst», flüstert Goreth, die seit sieben Jahren als Ranger im Park arbeitet. Sie hält den Finger an die Lippen. Und schärft nochmals ein: «Blickkontakte mit den Primaten vermeiden und nicht näher als sieben Meter zu ihnen hingehen.» Das ist gar nicht so einfach. Die Berggorillas umzingeln das Touristengrüppchen geradezu, strecken hin und wieder ihre dürren, schwarzen Finger aus, um dann quietschend und kichernd in den Bäumen zu verschwinden.
Dass die Tiere nicht vor Menschen zurückschrecken, ist einem aufwendigen Habituations-Programm zu verdanken. Rund drei Jahre werden die Affenfamilien trainiert, bis sie die Angst vor den Touristen verloren haben. Von den rund zwei Dutzend Gorilla-Familien, die zurzeit in den Regenwäldern des Bwindi-Parks leben, sind 16 habituiert. Ob auch die restlichen Gruppen diesem Prozess unterzogen werden, ist noch ungewiss. Kritik kommt vor allem von Tierschützern, die verhindern wollen, dass noch mehr Touristen den seit 1994 zum Unesco-Weltnaturerbe gehörenden Nationalpark besuchen. Dabei sind die Bestimmungen schon heute rigoros. Nicht mehr als acht Touristen, begleitet von ein paar Rangern und Trägern, dürfen pro Tag eine Affenfamilie besuchen. Und: Nach einer Stunde ist Schluss.
Das scheinen auch die Gorillas zu wissen. Nach exakt 58 Minuten pfeift Mahane zum Rückzug. Behänd schwingt er sich von einer Liane herab und stellt sich mit geschwollener Brust vor seine Gruppe. Augenblicke später ist die einzigartige Begegnung vorbei, und nur noch schwarze Schatten sind auszumachen, die im dichten und steilen Regenwald verschwinden. Still, fast andächtig bleibt die Touristengruppe zurück.
Trekking zu den Löwen, die auf Bäumen schlafen
Wer noch mehr Primaten sehen möchte, fährt vom Bwindi-Nationalpark Richtung Norden zum800 Quadratkilometer grossenKibale Forest, einem weiteren der zehn Nationalparks Ugandas. Hier ist die Landschaft lieblicher mit ihren dichten Wäldern, den Savannen und Sumpfgebieten, wo man über 300 Vogelarten antrifft und in mehrstündigen Trekkings Schimpansen-Familien aus nächster Nähe beobachten kann.
Anstrengend sind sie, die Expeditionen durch den Dschungel von Uganda. Aber nicht gefährlich, wie viele immer noch glauben. Aids, Ebola, Bürgerkriege und Kriminalität lauten die gängigen Vorurteile über dieses Binnenland im Osten von Afrika, das ungefähr die Grösse Grossbritanniens aufweist und auf durchschnittlich 1000 bis 1500 Meter über Meer liegt. Und ja, es gab Bürgerkriege, vor allem während und nach der Diktatur von Idi Amin, doch das ist lange her. Heute präsentiert sich Uganda als eines der stabilsten Länder Afrikas – Staatspräsident ist seit über 30 Jahren der ehemalige Guerilla-Kämpfer und Revolutionär Yoweri Museveni.

Uganda ist aber auch eines der sichersten Länder mit einem funktionierenden Bildungssystem und einer Alphabetisierungsrate von über siebzig Prozent. Und: Im Gegensatz etwa zu den Nachbarländern gibt es keine Hungersnöte in der «Schweiz Afrikas» mit ihren ausgedehnten Bananen-, Kakao-, Tee- und Kaffeeplantagen.
Ein Bild davon machen kann man sich auf der rund sechsstündigen Fahrt von Entebbe am Viktoriasee, wo sich der internationale Flug-hafen befindet, über die boomende Hauptstadt Kampala zum Queen-Elizabeth-Nationalpark im Westen des Landes. Er ist bekannt für seine Elefanten, Wasserböcke, Büffel – und die berühmten Löwen, die hier in die Höhe klettern und in den verzweigten Ästen der Euphobia-Bäume schlafen. Ein weltweit einzigartiges Phänomen.
Die weltbeste Schachspielerin kommt aus Uganda
Die Hauptstrasse bis in die Provinzstadt Mubende ist dank chinesischen Geldern in tadellosem Zustand. Die Fahrt durchs Hochland wird dann allerdings etwas abenteuerlicher. Von einem Mietwagen ist sowieso abzuraten, da Wegweiser fast gänzlich fehlen. Empfohlen ist ein geländegängiges Allradfahrzeug mit Fahrer, der zugleich als Guide und Übersetzer hilft. Farouk ist einer von ihnen. Geboren vor 37 Jahren auf einem ärmlichen Hof weit weg von der Hauptstadt, hat er sich durch Beharrlichkeit und Eigeninitiative ein kleines Unternehmen aufgebaut. War er nach dem Studium anfänglich als Guide tätig, verfügt seine Flotte heute über elf moderne Toyota Land Cruiser, jeder mit einem eigenen Fahrer besetzt.
Vom Firmensitz in Kampala aus führt Farouk seit über zehn Jahren die Touristen durch Uganda. Und zeigt ihnen die schönsten Plätze seines Heimatlandes. «Hit the Road» ist sein Motto, das er immer wieder vor sich hinträllert. Während der langen Fahrt durch die Tee- und Kaffeeplantagen bei Fort Portal, vorbei an kleinen, intakten Dörfern und den tiefblauen Vulkanseen von Ndali-Kasenda erzählt er von seinem Land, von seiner Hoffnung für den Tourismus, der im Schatten der weit bekannteren Länder wie Tansania, Kenia oder Botswana steht. «Wir haben mit Stephen Kiprotich immerhin einen Marathon-Olympiasieger und mit der erst 23-jährigen Phiona Mutesi die weltbeste Schachspielerin, deren Karriere Hollywood mit dem Film ‹Königin von Katwe› verfilmt hat», schwärmt Farouk. «Und mit Quiin Abenakyo stellen wir auch die Miss World Africa», fügt er lachend bei.

Später, bei einem Kaffee in der Ndali-Lodge, die, hoch über dem Nyinambuga-See gelegen, vom umtriebigen Engländer Aubrey Price geführt wird und an Karen Blixens «Out of Africa» erinnert, wird Farouk nachdenklicher. Natürlich gebe es auch Probleme. «Das Gesundheitswesen muss verbessert werden, die Strassen abseits der grossen Verbindungswege sind in einem erbärmlichen Zustand. Und die Korruption ist noch nicht verschwunden.» Vor allem der Tourismus aber müsse angekurbelt werden, damit die Welt sein wunderbares Land kennen lerne. Eine Vision dafür hat er schon. Er träumt von der Gründung einer nationalen Airline, mit der sein Land direkt angeflogen werden könnte und das zeitraubende Umsteigen in Addis Abeba überflüssig machen würde.
Die Reise wurde unterstützt vom Uganda Tourism Board und vom Safarispezialisten Abendsonne Afrika.
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