Aufbruch bei den Grasshoppers
Der Rekordmeister versprüht dank einiger Transfers Zuversicht und erklärt ein ambitioniertes Ziel.

Thorsten Fink sieht fit aus, so braungebrannt und mit Bart. Seine Energie ist spürbar, als er an diesem Mittwoch im Campus von Niederhasli sitzt. Irgendwann sagt der Trainer: «Wir wollen das nicht mehr wie im letzten Jahr.» Ein kurzer, einfacher Satz, aber er ist prägnant und soll Distanz schaffen zu diesem Frühjahr, als bei den Grasshoppers das grosse Chaos ausbrach und sportlich zum Absturz auf Platz 9 führte.
Auf eine personalintensive Saison mit insgesamt 34 Zu- und Abgängen ist nun ein personalintensiver Sommer mit bislang 8 Zu- und 9 Abgängen gefolgt. Optimismus ist spürbar, wenn Fink sagt: «Die Europa League ist unser Ziel, ganz klar.»
Die Aufarbeitung: Sticheln gegen Yakin
Die Saison 2017/18 war prägend, vor allem im Negativen. Es gab diesen zerstörerischen internen Kampf um die Macht. Präsident Stephan Anliker redete von einer Schattenorganisation, die sich «wie ein Geschwür breitmachte». Der angegriffene Erich Vogel warf Anliker «Verantwortungslosigkeit» vor und bezeichnete ihn als «schlechtesten Präsidenten seit 1949». Murat Yakin stellte als Trainer die eigenen Spieler wiederholt bloss, was in der Aussage gipfelte: «Die eine Hälfte kann nicht lesen, die andere versteht es nicht einmal.»
Das ist die Erinnerung daran, auf welchem Niveau sich der Club vor wenigen Monaten noch bewegte und welchen Weg er hinter sich bringen musste, um gesunden zu können. Im Hintergrund gibt es immerhin kein Brodeln mehr wie im Frühjahr, aber immer noch ein Grummeln. Denn noch immer ist nicht klar, wie es bei den Aktionären weitergeht, die Anliker, Peter Stüber und Heinz Spross heissen und je 30 Prozent am Club besitzen. Anliker und Stüber wollten zur Befriedung der Lage den Anteil von Spross übernehmen, doch der lehnte ab, und darum hält sich weiter das Gerücht, Vogel suche als Vertrauter von Spross nach neuen Geldgebern.
Ein wichtiger Schritt zur Beruhigung war die Trennung von Yakin am 10. April und die Einstellung von Fink lediglich zwei Wochen später. Auf den Trainer, der sich auf eigener Flughöhe bewegte, folgte ein Trainer, der den Spielern auf Augenhöhe begegnen will.
Fink sagt nun: «Wir wollen das nicht mehr wie in der letzten Saison. Wir wollen die Spieler mit Respekt behandeln. Wenn einer nicht eingesetzt wird, müssen wir ihm das offen erklären. Dann muss einer vielleicht auch einmal gehen. Es muss unser Ziel sein, dass es heisst: Bei GC wirst du gut und respektvoll behandelt, du wirst nicht einfach zur Jugend abgeschoben. Letzte Saison gab es ein paar Stinkereien. Das soll es so nicht mehr geben. Wir müssen sorgfältig handeln.»
Vielleicht will es Fink nicht so verstanden haben. Aber deutlicher könnte die Kritik an Yakin nicht tönen.
Finks Philosophie: Immer schön offensiv
Die neue Saison beginnt für GC mit einem Programm, das gleich zur Standortbestimmung wird. Meister YB, der FC Zürich und Basel sind die ersten drei Gegner, «drei Knaller», sagt Fink. Und verspricht trotzdem: «Wir wollen uns nicht verstecken.»
Das würde auch nicht zu einem Trainer passen, der mit viel Selbstvertrauen gesegnet und von wenig Selbstzweifeln belastet ist. Seine Jahre als Spieler bei Bayern München haben Spuren hinterlassen. Fink sagt: «Wir wollen Freude am Fussball haben, wir wollen frech und offensiv spielen. Die Mannschaft hat die Qualität, um unter die Top 4 zu kommen. Sie hat einen guten Charakter. Wir wollen auch vor dem FCZ stehen, nur schon wegen unserer Fans.»
Unter Yakin gab es die Devise, dass die Defensive über allem steht. Die Unterhaltung bei GC-Spielen blieb an einem kleinen Ort zurück. Fink hat anderes im Kopf und setzt dabei auf ein 4-1-4-1-System. Im Tor steht der bewährte Heinz Lindner. Die zentrale Abwehr dagegen ist nach den Abgängen von Bergström und Vilotic schmalbrüstig an Erfahrung, eine Verstärkung wird darum weiter gesucht.
Nedim Bajrami ist der erste Anwärter im defensiven Mittelfeld, zumal sich Marko Basic noch bis ins neue Jahr von seinem zweiten Kreuzbandriss erholen muss. Davor sind für den Moment Jeffrén, Runar Mar Sigurjonsson, Raphael Holzhauser und Nabil Bahoui sowie als Spitze Marco Djuricin erste Wahl.
Sigurjonsson, Bahoui: Zurück nach dem Frust
Vor einem Jahr gab es einen Umbruch aus der Not heraus. Im Winter, inzwischen unter Yakin, folgte ein Umbruch ohne jede sportliche Not. Sieben Spieler mussten gehen, unter ihnen Sigurjonsson und Bahoui, die ausgeliehen wurden. Der Isländer reagierte, warf Yakin «verdammte Kindergartenspiele» vor und fing sich in St. Gallen wieder auf, Bahoui rehabilitierte sich in seiner schwedischen Heimat bei AIK Solna.
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Die wichtigsten Transfers der Super League:
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Diesen Sommer sassen die beiden im Büro von Mathias Walther. Der Sportchef las in ihren Gesichtern den Frust der letzten Saison, «da brauchen wir nichts schönzureden». Er begann mit der Arbeit, sie von einer Rückkehr zu überzeugen, vom Konzept, vom neuen Trainer, von dessen Ideen. «Entweder passt es oder es passt nicht», sagte sich Walther.
Und es passt, weil Fink von den beiden Spielern überzeugt ist. Sigurjonsson, das ist für ihn «ein toller Fussballer mit guten Standards» und ein Kandidat, um Captain zu werden. «Er ist ein wenig grummelig, aber er muss auch nicht immer lachen. Ich brauche nicht Führungsspieler, die viel reden, sondern im richtigen Moment etwas sagen.» Von Bahoui ist er fussballerisch und menschlich überzeugt. Und wenn es um den Vorwurf der taktischen Defizite geht, die Bahoui vom alten Trainer unter die Nase gerieben wurden, gibt sich Fink entspannt: In dieser Beziehung müsse jeder Offensivspieler noch an sich arbeiten.
Frage an Sportchef Walther: Was ist jetzt anders als in der vergangenen Saison? «Ich habe einen Top-Trainer, und ich habe eine Top-Mannschaft.»
Holzhauser: Der Königstransfer
Walther und sein Chefscout Paul Bollendorff fragten Fink diesen Sommer: «Wieso empfiehlst du uns nicht diesen Spieler? Der war doch bei dir. Er ist ablösefrei und hat einen Marktwert von drei Millionen Euro. Wir wollen den. Bist du dafür?»
Es ging um Raphael Holzhauser, früherer Bundesligaspieler bei Stuttgart und Augsburg, zuletzt lange bei Austria Wien. Fink rief den 25-jährigen Österreicher an, mit dem er fast drei Saisons in Wien gearbeitet hatte. Offenbar hatte Holzhauser lukrativere Angebote. Am Ende entschied er sich trotzdem für GC. «Natürlich auch wegen mir», sagt Fink, «aber vor allem wegen des Projekts und wegen des Spasses am Fussball, den er hier haben wird.»
Holzhauser, 1,93 m gross und Linksfüsser, soll seine Stärken aus einer defensiven Position heraus ausspielen. Walther bezeichnet ihn als Königstransfer. Das braucht noch nichts zu heissen. Im letzten Winter schien das Rifet Kapic zu sein, er wurde deshalb mit einem Vertrag bis 2022 nach Zürich gelockt. Aber GC und er passten nicht zusammen. Der Bosnier ist nun nach Moldau ausgeliehen worden.
Die Verrücktheit: 1,5 Mio für einen Junior
Das erste Angebot für Julian von Moos betrug 250'000 Franken, das nächste 500'000. So ging es weiter, bis der FC Basel bereit war, 1,5 Millionen für ihn zu bezahlen. Julian wer?
17 ist der Junge aus dem Thurgau, Stürmer mit der Erfahrung von ein paar Einsätzen in der Schweizer U-17. Jetzt ist er auf einmal beim FCB, und GC hat viel Geld eingenommen, das es ganz gut gebrauchen kann, und das für einen Junior, für den es in der Profi-Mannschaft vorderhand keinen Platz gesehen hat.
Da nehmen sich die gut 300'000 Franken, die GC für Florian Kamberi vom Hibernian FC aus Edinburgh erhält, schon fast kümmerlich aus. Kamberi war einer dieser Spieler, für die Yakin im Winter keine Verwendung fand, er ging nach Schottland, schoss da seine Tore und bekam sein eigenes Fanlied.
Er tat sich nun schwer mit der Entscheidung, ob er zu GC zurückkommen sollte. Aber Fink konnte ihm keine Versprechungen machen, was seine Position bei GC betrifft. Und weil in Schottland der erträumte Weg nur schon in die zweite englische Liga kürzer ist, entschied sich Kamberi für Edinburgh.
Dafür hat Shani Tarashaj den Weg zurück nach Zürich gefunden. Vor zwei Jahren war der frühere Nationalspieler ausgezogen, um bei Everton die Premier League zu erkunden. Schnell wurde er für eine Saison zu Eintracht Frankfurt ausgeliehen, und das letzte Jahr spielte er gerade zweimal bei den Reserven Evertons und war sonst öfters körperlich angeschlagen. Fink sagt: «Er ist ein toller Fussballer. Der Körper ist sein grösstes Problem. Wir kriegen ihn vielleicht in einer Saison wieder hin.»
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