Wie es um das Impeachment steht
In den nächsten Tagen stehen acht Zeugenaussagen an. Pelosi legt Trump den Rücktritt nahe, dieser twittert sich um Kopf und Kragen.

Im Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump schalten die Demokraten einen Gang hoch. Nachdem letzte Woche drei Zeugen öffentlich vor dem Komitee des Repräsentantenhauses aussagten, stehen nun acht Namen auf dem Programm der nächsten drei Tage. Darunter sind aktuelle oder ehemalige Diplomaten, Politberater und Mitarbeiter von Geheimdiensten.
Drei der acht wurden von den Republikanern auf die Liste gesetzt, sie sollen Trump entlasten. Die anderen stehen bereits vor ihrer öffentlichen Aussage in der Twitter-Schusslinie des US-Präsidenten. So etwa Jennifer Williams, eine Beraterin von Vizepräsident Mike Pence, zuständig für europäische und russische Angelegenheiten. Williams hatte das Telefonat zwischen Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski mitgehört – jenes Gespräch, welches zur Ukraine-Affäre und dem Amtsenthebungsverfahren führte.
Williams nannte das Telefonat vor dem Geheimdienstausschuss bereits «ungewöhnlich» und «unangemessen», wie die Mitschrift ihrer Befragung zeigt. Nun wird sie als nächste Zeugin öffentlich Auskunft geben, am Dienstagmorgen in Washington (15 Uhr MEZ). Trump hat sie deswegen bereits am Sonntag auf Twitter angegriffen und nannte sie dabei eine «Never Trumper», also eine Person, die nicht mit der Politik des Präsidenten einverstanden ist.
Eine Sprecherin des Vizepräsidenten Pence antwortete auf Anfragen der US-Medien zu diesem Tweet lediglich mit dem Statement, dass «Jennifer eine Mitarbeiterin des Aussenministeriums» sei.
Tweet könnte in die Anklage kommen
Trump hatte schon während der Anhörung der Ex-Botschafterin in der Ukraine, Marie Yovanovitch, mit einem Tweet für Aufsehen gesorgt. Noch während die Diplomatin aussagte, schrieb der US-Präsident: «Überall, wo Marie Yovanovitch hinging, hat sich die Lage verschlechtert. Sie war zuerst in Somalia, wie ist das herausgekommen? Und auch in der Ukraine, wo der neue Präsident im zweiten Telefongespräch schlecht über sie geredet hat.»

Trumps Tweet wurde noch während der Anhörung vorgelesen. Yovanovitch bezeichnete die Worte als «sehr einschüchternd». Sie wisse zwar nicht, was der Präsident damit bezwecke, aber das wirke auf sie einschüchternd. Der demokratische Vorsitzende Adam Schiff bezeichnete Trumps Worte als «Zeugeneinschüchterung in Echtzeit» und stellte klar, dass man das «sehr, sehr ernst» nehme.
Selbst auf der republikanischen Seite kam der Tweet nicht gut an, auch Impeachment-Gegner nannten ihn «unüberlegt» und «schädlich». Für das Magazin «The Atlantic» könnten die Demokraten dem Präsidenten aus einer solchen Zeugeneinschüchterung gar einen weiteren Strick im Amtsenthebungsverfahren drehen und in die Anklage einfliessen lassen.
Video: Reaktion auf Trumps Tweet
Für die demokratische Oppositionsführerin Nancy Pelosi hat Trump ohnehin schon zu viele Fehler gemacht, wie sie in einem Interview mit dem Fernsehsender CBS sagte. Der Präsident sei mit seinem Amt überfordert, weshalb er andere herabmindern wolle, um nicht als Hochstapler enttarnt zu werden.
Für sie ist bereits vor der zweiten Anhörungswoche der Bogen überspannt: Was Trump getan habe, sei viel schlimmer als das, was Richard Nixon getan habe, der Präsident, der aufgrund der Watergate-Affäre unter dem Druck eines Impeachment-Verfahrens zurücktrat. Nixon habe sich immerhin genügend um das Land gesorgt, um zu erkennen, dass es nicht so weitergehen könne, sagte Pelosi.

Die Demokratin forderte Trump auf, anstelle von Tweets selber zu einer Aussage zu erscheinen oder diese schriftlich einzureichen. Sie rechnet aber selber nicht damit.
Drei Tage, acht Zeugen
Sicher ist, dass am Dienstag mit Alexander Vindman (15 Uhr MEZ) und Timothy Morrison (ab 20:30 Uhr MEZ) zwei Experten des Nationalen Sicherheitsrats aussagen werden, die das Telefongespräch zwischen Trump und Selenski mitgehört haben (lesen Sie hier, weshalb sich der US-Präsident dabei auf seinen Mann fürs Grobe verlassen kann). Morrison wurde von den Republikanern auf die Zeugenliste gesetzt, zusammen mit Kurt Volker, einem ehemaligen Spezialgesandten in der Ukraine, der ebenfalls am Dienstagnachmittag aussagen wird.
Am Mittwoch sind drei Zeugen vorgeladen, dabei erhoffen sich die Demokraten vor allem vom US-Botschafter in der EU, Gordon Sondland, belastende Aussagen (15 Uhr MEZ). Er sprach direkt mit Trump, unter anderem auch einen Tag vor dem Ukraine-Telefonat. Von Sondland erhoffen sich die Demokraten auch neues Material in der komplizierten Affäre (lesen Sie hier, wie Sondland Trumps Slapstick-Präsidentschaft bereichert).

Am Nachmittag sind Laura Cooper und David Hale an der Reihe (ab 20:30 Uhr MEZ), Letzterer ist der dritte Name, den Schiff auf der Wunschliste der Republikaner zuliess. Trumps Partei wollte auch den Whistleblower oder Joe Bidens Sohn Hunter aufbieten, dies verweigerte der Demokrat allerdings. Auch Alexandra Chalupa und Nellie Ohr werden nicht erscheinen, sie hätten zu republikanischen Verschwörungstheorien über eine ukrainische Wahlkampfeinmischung zugunsten von Hillary Clinton 2016 aussagen sollen.
Am Donnerstag (15 Uhr MEZ) wird mit Fiona Hill voraussichtlich die letzte Zeugin des Geheimdienstkomitees angehört werden. Sie soll dabei erzählen, dass selbst der damalige nationale Sicherheitsberater John Bolton nach dem Ukraine-Telefonat zutiefst alarmiert war.
Das Verfahren in 108 Sekunden erklärt
Danach ist das Impeachment-Verfahren im Repräsentantenhaus aber längst nicht abgeschlossen. Als Nächstes wird der Rechtsausschuss einen Bericht über die bisherige Amtsenthebungsklage erhalten und eigene Anhörungen abhalten. Erwartet wird, dass das Repräsentantenhaus noch vor Ende Jahr über ein allfälliges Impeachment abstimmen wird.
Wenn der Amtsenthebung zugestimmt wird, verlagert sich das Geschehen 2020 in den Senat, der dann in einem eigenen Verfahren entscheiden muss, ob die Vorwürfe gegen Trump reichen, um ihn aus dem Amt zu entfernen. Zwei Drittel müssten dem zustimmen, also auch 20 republikanische Senatoren.
9 von 10 Republikanern für Trump
Öffentlichen Druck verspürt Trumps Partei im Verfahren aber bisher kaum. 46,5 Prozent der Amerikaner sprechen sich für ein Impeachment aus, wie fivethirtyeight.com aus verschiedenen Umfragen schliesst. 45 Prozent sind demnach dagegen.
Noch wichtiger aber: Während bei den Demokraten die klare Mehrheit von 81,4 Prozent Trump weg haben will, sind es bei den Republikanern nur 10,7 Prozent – die Zustimmung für eine Amtsenthebung ist dabei über die letzten Wochen gesehen bei beiden Parteien sinkend.
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