Wie Journalistin Susanne Craig zu Trumps Steuerpapieren kam
Und plötzlich hatte die «New York Times»-Reporterin die Zettel im Postfach. Zuvor gab es Witzeleien vom Team.
Es gab zuletzt kaum eine US-Präsidentschaftsdebatte, in der sie nicht Thema war: Donald Trumps Steuererklärung. Das wohl bestgehütete Geheimnis im Kampf um Amerikas höchstes politisches Amt.
Viele fragen sich: Weshalb verweigert der Republikaner den Einblick in seine Privatbuchhaltung? Zumal die Transparenzmassnahme bisher von jedem Präsidentschaftskandidaten widerstandslos gewährt wurde. Was hat der schwerreiche Geschäftsmann zu verbergen? Ist er gar ein Steuerbetrüger? Eine ganze Nation verlangte Einblick in die Papiere. Vergeblich. Bis Susanne Craig vor knapp zwei Wochen ihr Postfach überprüfte. «Ich glaubte zunächst nicht, dass die Papiere echt sind, und vermutete, dass sich jemand einen Scherz erlaubte», sagt die «New York Times»-Reporterin dem National Public Radio. (Hier geht es zum Auszug der Steuererklärung)

Die Journalistin schildert die Ereignisse rund um die unerwartete Briefpost. Ihre Kollegen hätten sich schon über sie lustig gemacht, schreibt Craig. Über ihre Obsession, ihr persönliches Postfach mehrmals am Tag zu prüfen – nicht das digitale, sondern jenes, das bei der «NY Times» scherzhaft als «Snail Mail» bezeichnet wird – Schneckenpost. «Insgeheim erhoffte ich mir ständig den Eingang brisanter Dokumente», sagt Craig. Doch in der Regel hätten sich darin nur unerwünschte Werbung oder handgeschriebene Briefe von Häftlingen aus New Yorks Strafanstalten befunden.
Der mehrseitige Auszug von Trumps Steuererklärung aus dem Jahr 1995 liess ihr Herz höherschlagen. Craig eilte zu ihrem Journalistenkollegen David Barstow. Der dreifache Träger des Pulitzerpreises unterbrach sogleich ein Telefongespräch, als Craig mit den Papieren vor seinem Gesicht rumwedelte. Ins Auge stach ihnen vor allem eine Zahl: 915,7 Millionen Dollar. So viel betrug Trumps Nettoverlust an versteuerbarem Einkommen in diesem Jahr. Es war bereits bekannt, dass er in dieser Zeit viel Geld verloren hatte. Doch die Verluste von derartigem Ausmass hätten Trump gemäss Medienberichten ermöglicht, 18 Jahre lang seine Steuern zu umgehen – legal. Sofort war klar: Die Dokumente sind von hoher Brisanz. Doch ihre Echtheit musste erst überprüft werden.

Das Recherche-Team der «NY Times» trug alle Informationen zusammen, die sie zu den damaligen Geschäften von Trump finden konnte. So wurde ersichtlich, dass er 1995 tatsächlich mit Verlusten zu kämpfen hatte – doch niemand ausserhalb Trumps Vertrautenkreis wusste, wie hoch sie waren. Die Journalisten fertigten eine Liste von Personen an, welche die Steuererklärung hätten verifizieren können. Einer davon war Jack Mitnick – der Mann, der vor 30 Jahren Trumps Steuern abgewickelt hatte.
David Barstow traf den 80-jährigen Pensionär in Florida. Dabei konnte er auch die Frage klären, weshalb die ersten beiden Ziffern im Verlustposten einen anderen Font haben: Damals hätte das Computersystem nur siebenstellige Zahlen aufnehmen können. Also 5'729'293 Dollar. Mitnick fügte auf dem Ausdruck zwei Ziffern per Schreibmaschine an und so wurden es 915'729'293. Die Höhe von Trumps Schulden überforderte das Computersystem.
Mitnick bestätigte die Echtheit der Dokumente und wurde über Nacht zum Star in den sozialen Medien. Viele hegen offenbar die Hoffnung, dass seine Verifizierung den umstrittenen Präsidentschaftskandidaten zu Fall bringen könnte:
Auch Susanne Craig dürfte nun viel Lob aus dem Anti-Trump-Lager erhalten (und eine Klage von Trumps Anwalt). Natürlich habe sie sich gefragt, weshalb gerade sie dazu auserwählt wurde, jene Papiere zu veröffentlichen, die den aktuellen Wahlkampf wohl mehr prägen werden als alles andere zuvor. Craig berichtete zuvor intensiv über Trumps Steuerrückzahlungen und machte sich so einen Namen als Expertin. Doch warum genau Trumps Steuererklärung von 1995 den Weg an die Öffentlichkeit fand, bleibt ein Geheimnis. Der Absender ist und bleibt unbekannt.
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