Wie man das höchste Amt der Welt demontiert
Heute ist US-Nationalfeiertag. Doch die Gründerväter würden sich im Grab umdrehen.

Wenn die Vereinigten Staaten heute den Fourth of July, den Nationalfeiertag, begehen, wird es die üblichen Paraden und Feuerwerke geben. Man wird Reden halten und Picknicks veranstalten und so Thomas Jeffersons Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 feiern. Nicht wenige Amerikaner werden jedoch mit Wehmut und Sorge darüber nachdenken, in welchem Zustand sich ihr Land befindet. Tief gespalten ist die Nation, der Kongress ein Ort des Zwistes und der Blockaden. Und die Präsidentschaft ist unter die Räuber gefallen.
Das Amt soll die amerikanische Einheit verkörpern, sein Inhaber zugleich Staatsoberhaupt und Oberkommandierender sein. «Seine Durchlaucht, der Präsident der Vereinigten Staaten und Bewahrer der Freiheit», wollte Gründervater John Adams als Titel. Gott sei Dank wurde sein Vorschlag abgelehnt: Als «Mr. President» wird der erste Mann im Staat angeredet, eine schlichte Formulierung, die sehr gut zu George Washington passte, dem ersten Präsidenten der amerikanischen Republik.
Der ehemalige General strahlte Würde aus, er besass Gravitas. «Er lernte eine ausgeklügelte Sprache von Takt und Protokoll», beschrieb ihn der Historiker Garry Wills. Man rühmte Washingtons Bescheidenheit, seine Reserviertheit wie seinen Charakter. George Washington definierte die Normen und Verhaltensregeln der amerikanischen Präsidentschaft. Donald Trump verletzt diese Normen in Serie.
Bilder – Der US-Präsident im Amt
In den vergangenen vier Wochen widmete das Weisse Haus jeweils eine Woche einem Themenkomplex: der amerikanischen Infrastruktur, der Ausbildung von Arbeitskräften, der Energieversorgung sowie der Hightech. In diesem Zeitraum formulierte Donald Trump 121 Tweets, nur 3 davon aber befassten sich mit der Materie. Viele der Tweets hatten nicht das Geringste mit dem Regieren zu tun.
Nichts hatten sie etwa mit dem Gesundheitswesen oder der Energiewirtschaft oder mit irgendetwas zu tun, das angepackt werden muss. Stattdessen heizten viele dieser Tweets Trumps Krieg gegen die Medien an. Einige waren so vulgär, so verdreht und verdreckt, dass sie auch Republikaner schockten und der amerikanischen Hauptstadt eine selten gewordene Eintracht bescherten. Trumps Feldzug gegen die Mainstream-Medien hat Methode: Die Medien seien «die Oppositionspartei», sagte sein Chefstratege Steve Bannon.
Die Basis des Präsidenten, ein Viertel bis zu einem Drittel der US-Wählerschaft, wird durch diesen Krieg motiviert. Trump profitiert politisch davon, die Medien wiederum profitieren finanziell von Trumps Präsidentschaft. Die «New York Times» schlägt seit Trumps Wahlsieg alle Online-Abonnement-Rekorde. Die Zuschauerschaft des links der Mitte angesiedelten Kabelfernsehsenders MSNBC wuchs 73 Prozent seit Juli 2016. CNN verzeichnete eine Zuwachsrate von 25 Prozent in diesem Zeitraum, Trumps Lieblingskanal Fox News 19 Prozent.
Mit jedem Vulgär-Tweet und jeder Breitseite gegen Journalisten demontiert Trump sein Amt.
Manche Journalisten sind dank Trump zu Stars geworden, andere ergatterten sich lukrative Positionen als Kommentatoren bei den Kabelkanälen. Das Ansehen der Medien wird vielleicht weiter darunter leiden, nichts aber leidet mehr als die Institution der amerikanischen Präsidentschaft. Mit jedem Vulgär-Tweet und mit jeder kindischen Breitseite gegen Journalisten und politische Gegner demontiert Trump ein Amt, dessen Inhaber sich selbst in schwierigsten Situationen um Würde und Anstand bemühten.
Donald Trump hingegen besitzt weder Würde noch Anstand und schon gar nicht jene Gravitas, die Präsidenten wie Abraham Lincoln oder James Madison oder auch den älteren Bush auszeichnete. Als die Gründerväter und Ex-Präsidenten Thomas Jefferson und John Adams am 4. Juli 1826, auf den Tag ein halbes Jahrhundert nach der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, innerhalb von Stunden verstarben, wertete die junge Nation dies als ein günstiges Zeichen des Himmels.
Am heutigen Unabhängigkeitstag wird vielen Amerikanern eher zum Heulen zumute sein. Und wenn sich Washington oder Adams die bisherige Präsidentschaft Donald Trumps anschauen könnten, erlitten sie gewiss einen Schock. Ihr Amt ist an einen Narren gegangen.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch