Der erste Mensch auf dem Thron
Japans 85-jähriger Kaiser Akihito legt sich vor seiner Abdankung mit dem nationalistischen Regierungschef Shinzo Abe an.
155'000 Japaner, so viele wie noch nie, sind am Mittwoch in Tokio zum Neujahrsgruss des Kaisers in den Palastgarten geströmt. Sie nahmen Abschied vom 85-jährigen Akihito, der am 30. April aus Altersgründen zurücktreten wird. Mit seiner Bescheidenheit und seiner Wärme für die kleinen Leute hat Akihito Japans Kaisertum in die Gegenwart gerettet. Die Ultranationalisten jedoch hat er gegen sich aufgebracht. Sie träumen von einem starken, männlichen, politischen Kaiser. Akihito ist ihnen zu sanft, sein Sohn, Thronfolger Naruhito, wird es erst recht sein.
Akihitos Vater Hirohito musste bis 1945 als Shinto-Gott verehrt werden. Er war Regierungschef und Oberbefehlshaber der Armee, die unendlich viel Leid über Ostasien brachte. Nach Kriegsende legte er die Göttlichkeit ab und erklärte, er sei nun Mensch. Dennoch blieb er den Japanern bis zu seinem Tod 1989 fremd, eine Figur aus einer anderen Zeit. Erst Akihito, der seinen Vater beerbte, lebt das Menschsein als Kaiser – zumindest so weit, wie das Hofamt es zulässt. Er sei bis heute auf der Suche, wie er den Verfassungsauftrag am besten erfüllen könne, das «Symbol des japanischen Staates» zu sein, sagt er.
Die Verfassung verbietet dem Kaiser jede politische Äusserung, daran hält sich Akihito. Aber die Japaner sind hellhörig. Zwischen seinen Zeilen haben sie vor allem in den letzten Monaten, seit seine Abdankung feststeht, Äusserungen gegen die Politik von Premier Shinzo Abe gehört. Damit hat er noch mehr Sympathien gewonnen. In seiner Pressekonferenz vor seinem 85. Geburtstag am 23. Dezember sagte er, es sei wichtig, dass Japan «die zahllosen Leben nicht vergesse, die im Zweiten Weltkrieg verloren gingen». Deshalb müsse man «den Nachgeborenen die Geschichte korrekt weitergeben». Derweil reden Abe und seine politischen Freunde Japans Aggression im Zweiten Weltkrieg klein. Je mehr Abe von Aufrüstung spricht, desto pazifistischer gibt sich Akihito.
Geburtstag in Werktag umwandeln lassen
Auf der Pazifikinsel Okinawa peitschte der Premier gegen den kollektiven Widerstand einen neuen US-Stützpunkt durch. Der Tenno jedoch äussert Sympathien für «die lange Geschichte der Not» der Menschen auf der geschundenen Insel. Zudem rief er die Japaner auf, die Gastarbeiter, die Abe ins Land holen will, «warm als Teil unserer Gesellschaft willkommen zu heissen». Abe kontert diese leise Kritik auf seine Weise. Er hat den 23. Dezember, Akihitos Geburtstag, von einem Feiertag in einen Werktag umwandeln lassen.
Akihito, der erste Tenno seit 1817, der nicht bis zum Tod im Amt bleibt, wird als «Heisei»-Kaiser in die Geschichte eingehen. «Heisei» bedeutet «Frieden schaffen». Mit seiner Abdankung am 30. April beginnt in Japan eine neue Zeitrechnung. Wie die Ära Naruhitos, des 125. Kaisers, heissen soll, wird das Hofamt erst im April bekannt geben. Dann müssen in aller Eile Millionen Formulare neu gedruckt werden.
Mit Blick auf die Zukunft sagte Akihito im Dezember, er glaube, seine Söhne würden die kaiserlichen Traditionen weiterführen, «aber Schritt halten mit der sich ständig wandelnden Gesellschaft». Auch dies gefällt den Rechtskonservativen nicht. Denn der Kaiser dürfte dabei auch an eine spätere weibliche Thronfolge gedacht haben.
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