Gipfel der Weltverbesserer
Die Abschlusserklärung des G-20-Gipfels kommt als eierlegende Wollmilchsau daher: 2 Billionen Dollar für die Wirtschaft, Millionen von neuen Jobs, Frauenförderung, Klimaschutz und Kampf der Steuerflucht.
Neben viel Kritik an Wladimir Putins Ukrainepolitik haben die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer auch mehrere Projekte auf den Weg gebracht. Insbesondere haben sie sich zum Abschluss ihres Gipfeltreffens im australischen Brisbane auf Reformen für mehr Wirtschaftswachstum und gegen Steuerflucht verständigt.
Innerhalb des G-20-Raums wollen die mächtigsten Wirtschaftsnationen bis 2018 zusätzliche 2,1 Prozent Wachstum erreichen. «Die Vorteile dieses Wachstums werden weltweit zu spüren sein», sagte der australische Premierminister und Gipfelgastgeber Tony Abbott. Für die globale Wirtschaft soll sich daraus ein BIP-Schub von umgerechnet 1918 Milliarden Franken (2 Billionen Dollar) ergeben. Das entspricht mehr als dreimal der jährlichen Wirtschaftsleistung der Schweiz. Dadurch würden mehrere Millionen neue Arbeitsplätze entstehen.
Bis 2025 will die G-20 rund 100 Millionen mehr Frauen in die Arbeitswelt eingliedern. Noch bestehende Barrieren gegen weibliche Arbeitskräfte sollen fallen. Das Vorhaben würde die Armut und Ungleichheit reduzieren sowie das Wirtschaftswachstum anschieben. Allerdings sagt die Abschlusserklärung nicht, wie dieses Ziel erreicht werden soll.
Ausbau der Infrastruktur
Starke Impulse erhofft man sich von Investitionen in die Infrastruktur. Zu diesem Zweck wird zunächst für vier Jahre eine Hilfsplattform für grosse Infrastrukturprojekte eingerichtet. Sie soll Regierungen, Entwicklungsbanken, Privatfirmen und die Weltbank zusammenbringen und ihren Hauptsitz in Sydney haben.
Besonders Entwicklungsländer haben einen grossen Bedarf an einer besseren Infrastruktur bei Stromversorgung, Strassen, Zugverbindungen oder Häfen. Allein in Asien, so schätzt die Asiatische Entwicklungsbank, werden die Entwicklungsländer im Zeitraum 2010 bis 2020 rund acht Billionen Dollar investieren müssen, damit ihre Wirtschaften weiter laufen.
G-20 für verbindliches Klimaabkommen
Gegen den Willen der Ölmacht Saudiarabien und von Gastgeber Australien, das zu den grossen Umweltsündern gehört, hat die G-20 bei ihrem Gipfel in Brisbane Tempo beim Klimaschutz gemacht. Die G-20-Länder versprachen, ein für alle Mitgliedsstaaten der UNO-Klimakonvention «rechtlich verbindliches» Abkommen anzustreben. Konkrete Zielmarken, welche Emissionsreduktionen die einzelnen Länder anstreben sollen, blieben aber aus.
Beim UNO-Klimagipfel Ende 2015 in Paris soll ein neues bindendes Klimaabkommen für die Zeit nach 2020 erreicht werden. Bei einer Pressekonferenz mit dem australischen Premierminister Tony Abbott in Sydney sagte Merkel: «Wir können uns ein zweites Kopenhagen nicht leisten.» Der Klimagipfel im Dezember 2009 in der dänischen Hauptstadt war ergebnislos zu Ende gegangen, verbindliche Emissionsziele blieben aus.
Lob von Umweltschützern
Die USA und Japan sagten am Rande des Gipfels zusammen 4,5 Milliarden Dollar für den Grünen Klimafonds zu. Er soll armen Staaten beim Aufbau einer klimafreundlicheren Industrie helfen. Die UNO-Klimachefin Christiana Figueres lobte die US-Zusage als «neuen Massstab» und «Inspiration» für andere Staaten.
Mehrere Umweltschutzorganisationen äusserten sich positiv über die Ergebnisse des G-20-Gipfels. Der Australiendirektor des WWF, Dermot O'Gorman, sagte, das Treffen in Brisbane werde womöglich eines Tages bekannt als der «eigentliche Klimagipfel». Auch David Ritter, Vorsitzender des australischen Greenpeace-Verbandes, sagte, ein Klimaabkommen sei «fraglos» wahrscheinlicher geworden.
Steuerhinterziehung
Die G-20 stellte sich auch hinter Reformvorschläge der Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit in Europa (OECD) im Kampf gegen Steuerflucht. Diese sehen vor, dass Firmen ihre Unternehmenstransparenz verbessern und Gewinne künftig in dem Land versteuern, wo sie erzielt wurden. Die jüngste Berichterstattung über in Luxemburg operierende Firmen hatte deutlich gemacht, dass viele Konzerne Gewinne innerhalb des eigenen Unternehmens verschieben, um sie künstlich kleinzurechnen und den Rest am Standort mit dem niedrigsten Steuersatz zu versteuern.
Über die Unterstützung der OECD-Vorschläge herrschte in Brisbane zwar weitgehend Einigkeit. Verhandlungskreisen zufolge wurde hinter den Kulissen aber lange gestritten, bis die Kritik an sogenannten Tax-Ruling-Praktiken Eingang in den Abschlusstext fand. Derartige Absprachen zwischen Behörden und Unternehmen zur Steueroptimierung waren Teil der sogenannten Luxleaks-Enthüllungen.
Kritik von Nichtregierungsorganisationen
Während der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank die Ergebnisse von Brisbane begrüssten, übten Nichtregierungsorganisationen massive Kritik. «Im Kampf gegen Steuerflucht und Korruption hat den G-20-Führern auf der Zielgeraden der Mut gefehlt», beklagte die Organisation One. Da es kein öffentliches Register für Firmenauskünfte zur Gewinnversteuerung gebe, sei effiziente Kontrolle unmöglich. Auch der Dachverband Financial Transparency Coalition vermisste «echte Lösungen».
Die Organisation Oxfam kritisierte, dass Entwicklungsländern durch Steuerflucht jährlich einhundert Milliarden Dollar entgingen. Auch bei den Wachstumszielen sei zu befürchten, dass das reichste Zehntel der Staatengemeinschaft mehr davon profitieren werde als die ärmsten 40 Prozent.
Geldüberweisung und Korruption
Das Geld, das im Ausland arbeitende Menschen an ihre Familien in der Heimat überweisen, ist entscheidend, um Millionen Menschen und Betriebe in den Entwicklungsländern zu unterstützen. Die G-20 will die Kosten für solche Überweisungen reduzieren. Derzeit verschlingen die Gebühren rund acht Prozent des Geldbetrags, 2011 waren es noch zehn Prozent. Die G-20 empfiehlt, dass die Kosten auf fünf Prozent fallen. Dieses Ziel wurde bislang verfehlt.
Die G-20-Länder haben sich darauf verständigt, sich darüber auszutauschen, mit welchen Massnahmen sie den Missbrauch von Mantelgesellschaften zu vermeiden gedenken. Solche Firmenkonstrukte können, etwa in Form von Briefkastenfirmen, für kriminelle Aktivitäten wie Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Korruption genutzt werden. Dieses Versprechen bleibt weit hinter den Hoffnungen zurück, nationale Register zu führen. Es könnte aber helfen, diejenigen Länder ins Rampenlicht zu stellen, die zu wenig Fortschritte im Kampf gegen die Korruption machen.
Bankenregulierung und Handelserleichterungen
Beim Gipfel sind nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel bedeutende Fortschritte bei der Finanzmarktregulierung und der Liberalisierung des Welthandels erzielt worden. Die systemrelevanten Banken seien jetzt international reguliert, sagte Merkel am Sonntag im australischen Brisbane. «Nie wieder wird es notwendig sein, dass Steuerzahler dafür eintreten müssen, dass grosse Banken zusammenbrechen.» Zudem sei ein Fahrplan vereinbart worden, um bis 2016 auch eine bessere Aufsicht über sogenannte Schattenbanken, also Hedgefonds und andere Kredithändler ausserhalb der regulären Bankenwelt, zu erreichen.
Auch beim sogenannten Bali-Prozess im Welthandel sei aufgrund einer Einigung zwischen den USA und Indien «ein Durchbruch» erzielt worden. Nun sei es möglich, die Verhandlungen über globale Handelserleichterungen abzuschliessen. Nach «Jahren der Stagnation» in diesem Bereich sei dies «ein Lichtblick».
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