In der Grabkammer der selbst ernannten Sonnen
In Nordkorea herrscht seit 70 Jahren eine absurde Familiendiktatur – eine Reportage aus dem heiligsten Ort des säkularen Gottesstaates.

Auf dem Weg zum Allerheiligsten hängt der beissende Geruch von Urin im Raum. Weil im Eingangsbereich des Mausoleums einer die Tür zur Herrentoilette hat offen stehen lassen, müssen die Besucher zehn Minuten in schlechter Luft ausharren. So lange dauert es, bis die gut 100 Namen auf der Liste abgehakt sind, nur wer angemeldet ist, darf hinein. Tief ergriffen wartet die Gruppe, der Gestank scheint niemanden zu stören. Die Männer tragen gedeckte Anzüge, die Frauen, was sie im Süden den «Hanbok» und hier im Norden «Joseon-ot» nennen, die traditionelle koreanische Tracht – in Rosa und Hellblau. Mit Bussen hat man sie hergekarrt, für viele von ihnen ist es das erste Mal, dass sie in Pyongyang sind; lediglich die Treuesten der Treuen dürfen in die Hauptstadt reisen, nur ganz wenige werden in den Palast der Sonnen gelassen.