Pekings Volkszählung als Ärgernis
Zum ersten Mal seit zehn Jahren führt China eine Volkszählung durch. Obwohl die Regierung mit Plakaten und Geschenken um Unterstützung in der Bevölkerung wirbt, reagieren nicht alle Chinesen erfreut.

Alle zehn Jahre lässt China sein Volk zählen. Zurzeit läuft die sechste Erfassung der Bevölkerung seit der Gründung der Volksrepublik. Der Versuch einer Volkszählung im bevölkerungsreichsten Land der Welt ist sowieso schon schwierig. Nun kommt offenbar noch erschwerend hinzu, dass immer mehr Chinesen die Privatsphäre schützen wollen oder sich von den Volkszählern schlicht belästigt fühlen. Trotz massiver Propaganda und versprochenen Geschenken seien offenbar nicht alle Chinesen bereit, der Regierung die gewünschten Informationen preiszugeben, berichtet die «Financial Times Deutschland».
Die Volkszähler seien als Testlauf bereits zwischen dem 15. August und dem 15. September von Haus zu Haus gegangen und hätten sich nach Details erkundigt. Doch die Beamten seien nicht nur auf offene Türen gestossen. Einige liessen die Zähler nicht in die Wohnung oder ins Haus herein. Zudem seien Beschwerden eingetroffen, dass die Statistiker die Bewohner im Schlaf gestört hätten oder die Wohnung gar mit schmutzigen Schuhen betreten haben sollen.
Für einige der Volkszähler waren die im Spätsommer gemachten Erfahrungen so unangenehm, dass sie den Job für die echte Volkszählung offenbar gar nicht mehr antraten. Ihnen sei beim Besuch Kälte entgegengeschlagen, war eine der Begründungen. Auch eine Umfrage des Internetportals Chinanews.cn zeige wenig Bereitschaft in der Bevölkerung, bei der Befragung mitzumachen. Nicht einmal die Hälfte aller Teilnehmer klickte bei der Frage, ob man die Arbeit der Volkszähler unterstütze, auf «Ja». Die anderen wählten ein «Nein» oder «Je nach den Umständen».
Wachsendes Bewusstsein der Privatsphäre
Gründe für dieses ablehnende Verhalten sieht Professor Duan Chengrong, Leiter der Abteilung für Demografie an der Renmin Universität, offenbar in einem auch in China wachsenden Bewusstsein für den Schutz der Privatsphäre.
Die Regierung lockt derweil mit Geschenken zum Mitmachen. Jeder gezählte Haushalt oder Mensch bekomme ein kleines Geschenk, auf dem «Chinas Volkszählung» stehe. Auch die Propagandamaschine laufe auf Hochtouren, schreibt die «Financial Times Deutschland». So sei zum Beispiel die in China sehr bekannte Schauspielerin Chen Hao als Botschafterin des Projekts angeworben worden, berichtet die Zeitung weiter. Peking sei voller Plakate mit der Frau, auf denen verkündet werde: «Die Volkszählung betrifft alle Menschen und ist abhängig von allen Menschen». Oder aber: «Alle profitieren von der Volkszählung».
Das wiederum sorge dann selbst bei denjenigen für Kritik, welche die Volkszählung grundsätzlich unterstützen. Sie halten die Ausgaben für Uniformen, Geschenke und Werbung für unnötig.
Auch Ausländer reagieren kritisch
Auch bei den Ausländern, die in China leben und erstmals ebenfalls erfasst werden sollen, stiess die Regierung auf Widerstand. Sie werden dazu aufgefordert, persönliche Daten preiszugeben. Dazu zählen Name, Geschlecht, Geburtstag, Grund und Länge des Aufenthalts in China, Bildungshintergrund, Ausweisnummer und Staatsangehörigkeit. Da immer mehr Ausländer nach China kommen, seien diese ein «wichtiger Faktor bei der künftigen Stadtentwicklung», sagt Zhang Yi, Wissenschaftler bei der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, gegenüber der Zeitung. Doch nicht alle Ausländer seien gewillt, auf diese Art und Weise erfasst zu werden.
«Ich habe mich bereits bei der Polizeistation registriert. Warum muss ich das noch einmal machen?», zitiert das Blatt einen genervten Iraner. Der für die Volkszählung zuständige Sprecher Xing Zhihong sagt dazu: «Die Volkszählung hat das Ziel, herauszufinden, wo Ausländer eigentlich wohnen, aus welchem Grund sie nach China gekommen sind und wie ihre Lebenssituation hier ist.» Betroffene würden davon ausgehen können, dass ihre Angaben geheim bleiben, denn alle Volkszähler hätten Vereinbarungen zur Vertraulichkeit unterschrieben. Ausserdem werde spezielle und sichere Technik eingesetzt, «um einen Verlust von Informationen zu vermeiden», so der Sprecher.
An der Volkszählung sind 6,5 Millionen Helfer in Uniform beteiligt, die derzeit durch das Land schwärmen, um die geschätzten 400 Millionen Haushalte zu erfassen. Die Volkszählung wird Kosten in der Höhe von umgerechnet über 100 Millionen Franken verursachen. Offiziell heisst es, Ziel sei «die Änderung der Zahl, der Struktur, der Aufteilung sowie der Wohnbedingungen der chinesischen Bevölkerung zu untersuchen, um der Durchführung der Strategie der nachhaltigen Entwicklung und dem Aufbau einer harmonischen Gesellschaft eine wissenschaftliche und konkrete statistische Unterstützung anzubieten».
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