Kommt jetzt das Misstrauensvotum gegen May?
Erst Rücktritte, jetzt wird ihre Führung infrage gestellt. Premierministerin Theresa May gerät wegen des Brexit-Abkommens unter Druck.
Ein führender Brexit-Befürworter der britischen Konservativen will ein Misstrauensvotum gegen Premierministerin Theresa May im Parlament anstrengen. Jacob Rees-Mogg werde die Abstimmung offiziell beantragen, sagte ein Vertreter von Rees-Moggs konservativer Parlamentariergruppe am Donnerstag vor Journalisten.
Damit die Abstimmung stattfindet, sind 48 entsprechende Briefe von Parlamentariern aus Mays Partei notwendig. Diese Zahl war Medien zufolge bereits seit Monaten beinahe erreicht.
Rees-Mogg steht einer Gruppe von rund 80 Brexit-Hardlinern in der Fraktion vor. Unklar ist, ob die Gruppe May wirklich stürzen kann. Sie braucht dafür eine Mehrheit der 315 konservativen Abgeordneten.
Eine Misstrauensabstimmung kann nur einmal pro Jahr stattfinden. Sollte May als Siegerin daraus hervorgehen, wäre ihre Position bis auf Weiteres gefestigt.
Mehrere Rücktritte
Aus Protest gegen die Regelung zum künftigen Status von Nordirland erklärte Brexit-Minister Dominic Raab am Donnerstag seinen Rückzug. Auch Arbeitsministerin Esther McVey, Nordirland-Staatssekretär Shailesh Vara und Brexit-Staatssekretärin Suella Braverman traten zurück.
Die Vorschläge zum Status Nordirlands stellten eine «echte Bedrohung für die Integrität des Vereinigten Königreichs» dar, begründete Raab seinen Rücktritt im Kurzbotschaftendienst Twitter. Er könne den Deal nicht mit seinen Versprechungen gegenüber den Bürgern vereinbaren. Das Land brauche jedoch einen Brexit-Minister, der die Einigung überzeugend vertreten könne.
Unmittelbar nach dem Rücktritt Raabs fiel das britische Pfund deutlich. Die britische Währung notierte am Donnerstagvormittag bei 1,2831 Dollar – vor der Ankündigung war das Pfund noch bis auf 1,30 Dollar geklettert.
Die Übereinkunft, die May dem Kabinett vorgelegt habe, entspreche nicht dem Brexit-Votum der Bürger, begründete derweil McVey ihren Rücktritt in einem bei Twitter veröffentlichten Schreiben an May. Der Vertragsentwurf enthalte zu viele Zugeständnisse an die EU und bedrohe die Integrität des Vereinigten Königreichs. Vara erklärte ebenfalls, er könne den Vertragsentwurf nicht unterstützen. Das geplante Abkommen lasse offen, wann das Vereinigte Königreich «endlich ein souveräner Staat» werde, schrieb er bei Twitter. Auch Braverman beklagte in einem Brief an die Premierministerin, dass die «Zugeständnisse» an Brüssel nicht dem Willen des britischen Volkes entsprächen.
May: Einzige Alternative
Kurz nach Bekanntwerden der Rücktritte trat May in London vor das Parlament, um den Deal zu verteidigen. Sie warnte die Abgeordneten, dass die einzige Alternative zu der Einigung ein Verbleib Grossbritanniens in der EU sei. «Wir können uns dafür entscheiden, ohne Abkommen auszutreten, wir können riskieren, dass es zu gar keinem Brexit kommt, oder wir können uns dafür entscheiden, uns zu einigen und den besten Deal unterstützen, der verhandelt werden kann», sagte May.
Video: Theresa May erklärt den Brexit-Deal
Die britische Premierministerin hat im britischen Parlament die Pläne und Vereinbarungen präsentiert. (Video: AP/Tamedia)
EU-Ratspräsident Tusk kündigte am Donnerstag einen raschen Sondergipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs für den 25. November an. «Wenn nichts Aussergewöhnliches passiert, werden wir ein Treffen des Europäischen Rates abhalten, um das Brexit-Abkommen formell zu besiegeln», sagte Tusk in Brüssel.
Die Brexit-Unterhändler von EU und Grossbritannien hatten nach monatelangen Verhandlungen am Dienstag einen Durchbruch erzielt und sich auf einen Vertragsentwurf verständigt. Am Mittwochabend billigte nach rund fünfstündigen Beratungen das britische Kabinett den Entwurf.
Der Streit um die künftige Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und der britischen Provinz Nordirland hatte die Verhandlungen monatelang blockiert. Laut Entwurf soll nun durch drei Optionen eine «harte Grenze» vermieden werden. Über die Optionen wird während der Übergangsphase bis Juli 2020 entschieden.
Reicht die Zeit nicht, kann die Übergangsphase verlängert werden oder es greift eine Auffanglösung, in der das gesamte Vereinigte Königreich bis auf weiteres in einer Zollunion mit der EU bleibt. Für Nordirland würden zudem die Bestimmungen des EU-Binnenmarktes weiter gelten.
Noch weitere Hürden
Das Abkommen muss nach einer möglichen Unterzeichnung beim Sondergipfel aber noch weitere Hürden nehmen, vor allem im britischen Parlament. Dort muss May mit erheblichem Widerstand rechnen.
Ob sie auf eine Mehrheit hoffen kann, ist ungewiss. Sie hat keine eigene Mehrheit und mehrere Mitglieder ihrer eigenen Fraktion haben Widerstand angekündigt. Auch die nordirische DUP, die Mays Regierung in der Regel unterstützt, will das Abkommen ablehnen. Oppositionschef Jeremy Corbyn kündigte ebenfalls an, den Entwurf nicht zu unterstützen.
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