Geld unterm BH und in den Schuhen
Der italienische Staat braucht Geld, viele Bürger verschieben es lieber ins Ausland. Wie früher schmuggeln sie Geld in Koffern und unter Kleidern in die Schweiz. Und sie operieren mit Methoden, die al-Qaida verwendete.

Immer mehr Italiener schaffen ihr Vermögen ins Ausland. Die Kapitalflucht in diesem Jahr beziffern die Behörden auf rund elf Milliarden Euro, wie die Zeitung «La Repubblica» meldet. Das tatsächliche Ausmass der ins Ausland verschobenen Gelder dürfte allerdings deutlich grösser sein. Bei den elf Milliarden handelt es sich lediglich um den Betrag, den die Finanzpolizei ermittelt hat. Nach Ansicht der «Repubblica» passiert in Italien eine «grosse Kapitalflucht». Wie gewohnt landet viel Geld auf Konten von Schweizer Banken.
Der Kapitalabfluss war in den Monaten Oktober und November am grössten – also im Zeitraum zwischen den letzten Wochen der Regierung von Silvio Berlusconi, als der Staatsbankrott drohte, und den ersten Wochen der Regierung von Mario Monti, die neben harten Sanierungsmassnahmen der Steuerhinterziehung den Kampf ansagte.
Ein Geldüberweisungssystem, das keine Spuren hinterlässt
Die Milliarden, die dem Fiskus vorenthalten werden, verschwinden zum Beispiel über Auslandniederlassungen von italienischen Unternehmen. Und es gibt ganz raffinierte Methoden, um Vermögen ins Ausland zu schaffen. Der Zeitung «Repubblica» erzählte ein Finanzbeamter, dass das sogenannte Hawala-System ein italienisches Instrument der Kapitalflucht geworden sei.
Hawala ist ein jahrhundertealtes arabisches Geldüberweisungssystem, das ohne Bankkonto und technische Hilfsmittel funktioniert. Dieses papierlose Bankensystem basiert auf Vertrauen und dem Einsatz von Mittelsleuten. Im Fall der italienischen Kapitalflucht treten Rechtsanwälte oder Treuhänder in der Schweiz als Mittelsmänner in Aktion. Die Hawala war insbesondere beim Terrornetzwerk al-Qaida gang und gäbe, weil bei solchen Transfers der Lauf des Geldes sehr schwierig zu verfolgen ist.
Geld unter dem BH und in den Schuhen versteckt
Die Kapitalflüchtlingen operieren aber auch mit vergleichsweise primitiven Methoden – wie dem Schmuggeln von Geld in Koffern oder unter der Kleidung, das insbesondere in den Siebziger- und Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts zum Einsatz kam.
Gemäss dem «Repubblica»-Bericht hat die Zahl der erwischten Geldkuriere vor der Schweizer Grenze in Chiasso massiv zugenommen. Im zweiten Halbjahr 2011 gelang es der italienischen Polizei, rund 27,3 Millionen Euro zu beschlagnahmen. Erfolgreich waren nicht zuletzt die Polizeieinsätze mithilfe von Spürhunden am Mailänder Flughafen Malpensa. So entlarvten die Fahnder eine distinguiert wirkende Dame, die ins Ausland fliegen wollte, als Geldschmugglerin. Sie hatte das Geld unter ihrem Büstenhalter und in den Schuhen versteckt – und das waren immerhin 65'000 Euro.
Erstellt: 28.12.2011, 14:50 Uhr
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