Weltfremder Populismus
Der britische Premier David Cameron will, dass seine Dienste jegliche Kommunikation mitlesen können.

Im Jahr 2 nach Edward Snowden kommt der blutige Anschlag in Paris auf «Charlie Hebdo» dem britischen Premier David Cameron gerade recht, um die Verschärfung der Überwachungsgesetze zu propagieren. Die BBC berichtete, Cameron wolle sicherstellen, «dass wir Terroristen keine sicheren Räume zur Kommunikation gestatten».
Was das genau heisst, kann man sich anhand einer zweiten Aussage zusammenreimen. Laut Cameron soll es keine Kommunikationsmittel geben, bei denen die Regierung nicht mitlesen darf. Das lässt sich nur als Kampfansage gegen E-Mails und Nachrichten-Apps mit Verschlüsselung verstehen. Die Hersteller müssten entweder eine Hintertür für die Ermittlungsbehörden und Spionagedienste öffnen oder aber sich aus dem Vereinigten Königreich zurückziehen.
Das würde den populären Instant-Messenger Whatsapp genauso betreffen wie die mit dem iPhone gelieferte iMessage-App. Auch die Schweizer App Threema wäre ohne behördliche Hintertür in Grossbritannien illegal. Sie erlebte nach den NSA-Enthüllungen im Juli 2013 einen wahren Höhenflug. Während sich Ed Miliband von der Labour-Partei, der bei den Wahlen im kommenden Mai als Herausforderer des Premierministers antreten wird, vage ablehnend zu den Plänen Camerons äussert, verurteilt die Chefin der Bürgerrechtsorganisation Big Brother Watch die Pläne. «The Independent» zitiert Emma Carr mit den Worten, es sei total inakzeptabel, die Tragödie von Paris dazu zu missbrauchen, die Rückkehr des Schnüffelgesetzes zu fordern.
Lästig, aber unverzichtbar
Nun darf man auch von einem populistischen Politiker im Wahlkampf erwarten, ein paar Gedanken auf die Konsequenzen seiner Forderungen zu verschwenden. Es ist zwar tatsächlich so, dass Verschlüsselungen aus Sicht der Geheimdienste als lästiges Hindernis erscheinen mögen, das die Aufklärungsarbeit erheblich erschwert. Dass sich die Verschlüsselung nicht eindämmen lässt, weiss man allerdings von den «Krypto-Kriegen» aus den 1990er-Jahren.
Verschlüsselungspionier Phil Zimmermann umging die gesetzlichen Bestimmungen, indem er seinen Programmcode als gedrucktes Buch veröffentlichte.
Verschlüsselungen lassen sich nicht wegregulieren. Wenn man sie verbietet, nützt das nur Terroristen und Kriminellen, die eine Krypto-App gerne auch illegal benutzen. Selbst als Law-and-Order-Anhänger sollte man um die Bedeutung der Kryptografie für unsere digitale Gesellschaft wissen. 1999 hielten die Autoren des gut dotierten libertären Cato Institute die Bedeutung für Wirtschaft, Privatsphäre und den digitalen Handel fest: «Es ist Zeit, die Unverzichtbarkeit von starker, nicht zu widerrufender Kryptografie anzuerkennen, ihren gesellschaftlichen Nutzen zu fördern und vernünftig mit den weniger erfreulichen Eigenschaften zu verfahren», schrieb der Thinktank.
Seitdem hat sich das Onlinebanking durchgesetzt. Patientendossiers werden elektronisch erfasst, und Selfies aus dem Schlafzimmer sind eine Art Volkssport. Da hat auch das alte, faule Argument: «Wer nichts zu verbergen hat, muss nichts fürchten», ausgedient. Wer das nicht glaubt, darf gern in einem Selbstversuch seine Cloud-Logins ins Netz stellen.
(Tages-Anzeiger)
Erstellt: 15.01.2015, 18:18 Uhr
Artikel zum Thema
Die Redaktion auf Twitter
Stets informiert und aktuell. Folgen Sie uns auf dem Kurznachrichtendienst.
Kommentare
Das Neuste International
Die Welt in Bildern

Sie wird gross gefeiert: Miss Universe 2018 Catriona Gray winkt bei einer Parade in Manila ihr zu Ehren ihren Fans zu. (21. Februar 2019)
(Bild: Noel CELIS)
Mehr...
4 Kommentare