An der Mauer spalten sich die linken Gemüter
Die Vergangenheit hat die deutsche Partei «Die Linke» fest im Griff. Einige Radikale wollen den Mauerbau in Berlin als alternativlos bezeichnen.
Nach der Kommunismus-Debatte Anfang des Jahres und dem Streit über die Positionierung zum Nahost-Konflikt lautet die neue Gretchenfrage der Partei «Die Linke»: Wie hältst Du's mit dem Mauerbau?
Den Anstoss zur Diskussion mitten in zwei Landtagswahlkämpfen gab ein Positionspapier einiger Linker aus Mecklenburg-Vorpommern, wo wie in Berlin im September gewählt wird. «Die Entscheidung über den Mauerbau war 1961 für die Führungen der Sowjetunion und der DDR ohne vernünftige Alternative», heisst es in dem Dokument. Der Landesvorsitzende Steffen Bockhahn distanzierte sich umgehend.
Beim Landesparteitag in Rostock bekräftigte er am Samstag – dem 50. Jahrestag – seine Auffassung, dass der Mauerbau nicht zu rechtfertigen sei. Die Linken «haben Verantwortung zu tragen für das Leid, das durch die Mauer entstanden ist», sagte er. Dagegen sprach einer der Mitverfasser des umstrittenen Papiers, Arnold Schoenenburg, erneut von Alternativlosigkeit. Die Gefahr eines neuen Krieges sei damals real gewesen, sagte Schoenenburg. «Heiligt die Verhinderung eines Krieges nicht die Sicherung einer Staatsgrenze?», fragte der frühere Landtagsabgeordnete.
Maurer: Es gibt bessere Gewinnerthemen
Auch Bundespolitiker der Linken griffen bald in die Debatte ein. Der Vizevorsitzende der Linke-Bundestagsfraktion, Ulrich Maurer, sagte, es gebe «bessere Gewinnerthemen». Partei-Vordenker André Brie nannte es «fatal», mit einem Positionspapier den Mauerbau rechtfertigen zu wollen, während Fraktionsvize Dietmar Bartsch die Linke aufrief, in der Debatte ein «hohes Mass an Sensibilität» zu beweisen.
Für Wirbel sorgte dann wieder einmal die Linke-Vorsitzende Gesine Lötzsch, die sich in mehreren Stellungnahmen darauf versteifte, die Teilung Deutschlands sei ein Ergebnis des Zweiten Weltkriegs gewesen. Der Überfall des Deutschen Reichs auf die Sowjetunion vor 70 und der Mauerbau vor 50 Jahren stünden in engem Zusammenhang. Prompt hagelte es Kritik. Die Junge Union sprach von «Geschichtsklitterung», CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt verlangte gar eine verschärfte Beobachtung der Linken durch den Verfassungsschutz.
Parteitag bring keine Klärung
Noch am Samstag hoffte der Spitzenkandidat der Linken in Mecklenburg-Vorpommern, Helmut Holter, auf ein Ende der Debatte und forderte eine klare Distanzierung vom Mauerbau. Doch die bringt der Parteitag in Rostock nicht. Hier wurde lediglich ein Antrag zur Abstimmung eingebracht, der vorsieht, eine Parteikonferenz zum Thema Mauerbau einzuberufen und dort alles ausführlich zu bereden. Da sowohl der Landesvorstand als auch die Autoren des umstrittenen Positionspapiers den Antrag unterstützen, dürfte seine Annahme reibungslos klappen. Damit wäre das Thema dann formal aus dem Wahlkampf entfernt, jedoch nicht mit der von Holter gewünschten klaren Positionierung abgeschlossen.
So viel Kopfschütteln das Gerede vom alternativlosen Mauerbau auch bei Union, FDP und Grünen ausgelöst hat – die SPD gibt sich zumindest in Mecklenburg-Vorpommern gelassen. Der Landesvorsitzende und Ministerpräsident Erwin Sellering erklärte, die Diskussion innerhalb der Linkspartei werfe Fragen auf, mache die Partei aber nicht regierungsunfähig. Eine rot-rote Koalition nach der Landtagswahl will Sellering konsequenterweise nicht ausschliessen.
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