Martin McGuinness' Krieg um Nordirland ist endgültig vorbei
Für Katholiken ein Held, für Protestanten ein Terrorist: Der verstorbene nordirische IRA-Kämpfer und spätere Politiker bleibt eine heiss umstrittene Figur.

Martin McGuinness ist gestern gestorben. Sein Tod hat heftige Reaktionen ausgelöst – im Positiven wie im Negativen. Der frühere Stabschef der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) und spätere Vizeregierungschef Nordirlands bleibt vielen Protestanten als ein Untergrundkämpfer in Erinnerung, der für blutige Terroranschläge Verantwortung trug. Seine Anhänger in den republikanischen Gebieten Nordirlands betrachteten ihn dagegen immer als einen Verteidiger der katholischen Minderheit gegen die «britischen Besatzer». Während der nordirischen Unruhen, der «Troubles», war McGuinness eine herausragende und heiss umstrittene Figur.
Von beiden Seiten wurde er respektiert für seine Rolle als Friedensstifter, von den Neunzigerjahren an. In jener Zeit führten er und sein engster Kampfgefährte Gerry Adams den Schwenk vom bewaffneten Aufstand zur Zusammenarbeit mit dem Erzfeind – «den Briten» – durch. Das freimütigste Lob hat ihm Tony Blair, Grossbritanniens früherer Premierminister, gezollt. Ohne Martin McGuinness, sagte Blair, hätte es kein Ende der Troubles in Nordirland gegeben. Dass der Karfreitags-Pakt von 1998 geschlossen werden konnte, auf dem der heutige Friede beruht, sei McGuinness' Verdienst: «Das Friedensabkommen wäre nie möglich gewesen ohne Martins Führungskraft, seinen Mut und sein ruhiges Bestehen darauf, dass die Vergangenheit nicht die Zukunft bestimmen dürfe.» Auch Irlands Staatspräsident Michael D. Higgins würdigte McGuinness' zähe Bemühungen um einen Weg aus dem Konflikt, der über 3000 Menschen das Leben gekostet hat.
Doch nicht alle waren bereit, Freundliches über den toten Republikanerführer zu sagen. Margaret Thatchers früherer Minister Norman Tebbit, dessen Frau ein Opfer der IRA-Bombe auf den Tory-Parteitag in Brighton 1984 war und danach gelähmt blieb, nannte McGuinness «einen Feigling, der nie für seine Verbrechen büsste». Die Tory-Abgeordnete Nadine Gordimer sagte: «Vielen wird es schwerfallen, Tränen zu vergiessen, wenn sie diese Nachricht hören.»
Die bitteren Worte bezogen sich auf die frühen Jahre, in denen der im katholischen Derry aufgewachsene Metzger-lehrling mit der Waffe in der Hand gegen britische Soldaten und protestantische Polizisten kämpfte. Anfang der 70er-Jahre, zu Zeiten krasser Benachteiligung der Katholiken und einer mit Gewalt niedergehaltenen Bürgerrechtsbewegung, war McGuinness ein leidenschaftlicher Verfechter paramilitärischer Aktionen zur «Befreiung der Nation».
Schon in seinen frühen Zwanzigern soll er Kommandant der IRA in Derry gewesen sein und Bombenanschläge auf Soldaten organisiert haben. Noch sehr viel später soll McGuinness dem Army Council, der Kommandoriege der IRA, angehört haben. Doch dann gewann für ihn – wie für Adams – die politische Arbeit in der Republikanerpartei Sinn Fein immer mehr an Bedeutung. In den Neunzigerjahren begannen die Führer der republikanischen Bewegung umzudenken, die zahlreichen Opfer der Troubles waren kaum mehr zu rechtfertigen.
Sie leiteten, gegen Widerstand aus den eigenen Reihen, 1994 den ersten IRA-Waffenstillstand ein und halfen den Boden für den Belfaster Friedensvertrag von 1998 zu bereiten. Später überredeten sie nach und nach die eigenen Truppen zur Abrüstung. Adams, seit langem Sinn-Fein-Präsident, war meist «das Firmenschild» dieser Entwicklung. Ohne McGuinness' Autorität in der IRA wäre diese Entwicklung nie möglich gewesen.
Handshake mit der Queen
Später besiegelte er den Pakt, indem er als Bildungsminister der neuen, beide Bevölkerungsteile repräsentierenden Regierung Nordirlands beitrat und 2007 zusammen mit dem Unionistenführer und ehemaligen «Katholikenfresser» Ian Paisley die Leitung der Regierung übernahm. Paisley und er verstanden sich überraschend gut. Paisleys Sohn Kyle erinnerte sich gestern daran, «wie viel Gutes» beide Politiker zusammen erreicht hatten – entgegen allen Erwartungen.
Als Vizeregierungschef setzte sich McGuinness ebenso beharrlich für Verständigung ein wie früher für bewaffnete Auseinandersetzung. Selbst der Königin, einer alten Hassfigur militanter Republikaner, schüttelte er die Hand. «Mein Krieg ist vorbei», sagte er einmal. «Ich will eine bessere Zukunft für unsere ganze Bevölkerung bauen.»
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