Moskau war «die Spielchen leid»
Rund um den Globus wird Kritik über das Eindringen des russischen Hilfskonvois in die Ukraine laut. Bei einer Dringlichkeitssitzung des Uno-Sicherheitsrats erklärte der russische Botschafter das Vorgehen.
Eine Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrats in der Sache ging in der Nacht auf heute ohne konkrete Ergebnisse zu Ende. Der britische UNO-Botschafter und amtierende Ratsvorsitzende, Lyall Grant, sagte nach der hinter verschlossenen Türen abgehaltenen Sitzung, es gebe eine «weit verbreitete Sorge» über das, «was viele als illegale und einseitige Aktion der Russischen Föderation bezeichnen». Diese könne zu einer Eskalation führen.
Für viele der 15 Mitglieder sei die Grenzüberquerung des russischen Konvois illegal und einseitig. Die USA forderten die Regierung in Moskau auf, den Hilfskonvoi wieder abzuziehen. Andernfalls müsse Russland mit Konsequenzen rechnen, erklärt das US-Präsidialamt. Die ukrainische Souveränität sei verletzt worden. Die Regierung in Kiew und die EU sprachen von einer «direkten Invasion».
Den Antrag zur Dringlichkeitssitzung hatte der baltische Staat Litauen gestellt, dessen Regierung Moskaus Haltung mit besonderem Argwohn verfolgt. Russland hatte seinen seit Tagen von den ukrainischen Behörden festgehaltenen Hilfskonvoi für die notleidende Bevölkerung in der Ostukraine am Freitagvormittag über die Grenze rollen lassen.
Schlimme humanitäre Lage
Moskau setzte sich damit über die Weigerung der ukrainischen Regierung hinweg, dazu ihr Einverständnis zu erklären. Das russische Aussenministerium erklärte, die schlimme humanitäre Lage, insbesondere in Lugansk, habe keinen Aufschub mehr geduldet. Die Geduld mit der Hinhaltetaktik der ukrainischen Regierung sei erschöpft, hiess es weiter zur Begründung. «Die russische Seite hat entschieden, zu handeln». Die ukrainische Führung zögere die Lieferung der humanitären Hilfe ganz bewusst hinaus, bis es eine Situation gebe, in der niemand mehr übrig sein werde, dem man helfen könne, warf das Ministerium der Regierung in Kiew vor.
Die seit drei Wochen von der ukrainischen Armee und paramilitärischen Verbänden belagerte Grossstadt Luhansk wurde am Freitag mit Artillerie beschossen. Bewohner klagen über Engpässe bei Lebensmitteln, Wasser, Medikamenten, über Strom- und Treibstoffmangel sowie über ausgefallene Telefon- und Internetverbindungen.
Keine «Kommandokette» in Kiew
Der russische UNO-Botschafter Witali Tschurkin verteidigte die Entscheidung seiner Regierung. Es gebe zeitweise keine «Kommandokette» in Kiew, sagte Tschurkin in New York. Trotz der Zusicherungen, die Russland von sehr hohen ukrainischen Stellen erhalten habe, seien nicht die nötigen Anweisungen erteilt worden, kritisierte er. Die russische Regierung sei die Spielchen der ukrainischen Behörden schliesslich leid gewesen. «Wir haben lange genug gewartet.» Tschurkin warf zugleich Litauen vor, systematisch russische UNO-Initiativen mit Hilfe der USA und Grossbritanniens unterlaufen zu haben.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel reist heute Samstag erstmals seit Beginn der Ukraine-Krise nach Kiew. In der ukrainischen Hauptstadt trifft sie unter anderen mit Präsident Petro Poroschenko und Regierungschef Arseni Jazenjuk zusammen. Zuvor hatte sie sich mit US-Präsident Barack Obama abgestimmt.
Bei einem Telefonat äusserten beide Unverständnis über die Entscheidung der russischen Regierung, ihren Hilfskonvoi ohne Zustimmung der ukrainischen Regierung und ohne Begleitung durch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz über die ukrainische Grenze in Richtung Lugansk auf den Weg zu bringen.
Burkhalter bedauert Konflikt
Der OSZE-Vorsitzende Didier Burkhalter bedauert, dass sich die Ukraine und Russland nicht in Treu und Glauben über die Bedingungen für einen Hilfskonvoi geeinigt haben. Er rief alle Seiten dazu auf, eine weitere Eskalation zu verhindern und forderte rechtmässige humanitäre Hilfe. Burkhalter betonte in seiner Funktion als Vorsitzender der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Hilfslieferungen dürften nur nach humanitären Grundsätzen und unter Respektierung der ukrainischen Souveränität erfolgen. Das teilte die OSZE am Samstag mit.
Der Schweizer Aussenminister forderte alle Parteien auf, aus der verfahrenen Situation um den russischen Hilfskonvoi wieder ein kooperatives Unterfangen zu machen. Gefragt sei überdies ein höchstes Mass an Zurückhaltung, um die Lage nicht zu verschlimmern.
«In Anbetracht der sich verschlechternden Lebensbedingungen der Bevölkerung in der Ostukraine ist eine Rückkehr zu kooperativen und gesetzmässigen humanitären Anstrengungen dringend nötig», sagte Burkhalter. Die OSZE werde das Internationale Komitee vom Roten Kreuz bei seiner Arbeit in der Region «im Rahmen ihres Mandates und ihrer Möglichkeit» unterstützen.
Hilfskonvoi sei «direkte Invasion»
Der ukrainische Geheimdienstchef Valentin Naliwajtschenko bezeichnete das Eindringen des russischen Hilfskonvois als «direkte Invasion», versprach aber auch, die Ukraine werde den Konvoi nicht beschiessen. Am Abend kamen die ersten Fahrzeuge des Konvois in der umkämpften Stadt Luhansk im Osten des Landes an.
Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk kritisierte das russische Vorgehen scharf. Russland wolle mit den unerlaubt ins Land gefahrenen Lastwagen eine «Provokation» arrangieren, sagte Jazenjuk im Staatsfernsehen. Kritik übte auch Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Den «sogenannten humanitären Konvoi» ohne Erlaubnis der ukraischen Regierung ins Land zu schicken sei ein «eklatanter Verstoss gegen Russlands internationale Verpflichtungen», erklärte er am Freitag in Brüssel.
Diplomat ermordet
Unterdessen ist nach Angaben des litauischen Aussenministers ein diplomatischer Vertreter Litauens von Rebellen getötet worden. Der litauische Honorarkonsul im östlichen Luhansk sei «von Terroristen gekidnappt und brutal getötet» worden, schrieb Aussenminister Linas Linkevicius auf seinem Profil im Internetdienst Twitter, während er sich in Kiew aufhielt.
Er sei «in tiefer Trauer» angesichts der Nachricht vom Tod von Mykola Zelenec, schrieb Linkevicius. Es blieb zunächst unklar, wann und wo genau der Honorarkonsul verschleppt und getötet worden sein soll.
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