Türkische Medien feiern Erdogan-Besuch als Erfolg
Nach einem denkwürdigen Auftritt beim Staatsbankett in Berlin, reist Erdogan nach Köln weiter – wo es weniger Demonstranten hat, als erwartet.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den türkischen Staatspräsidenten am Samstag zum Frühstück im Kanzleramt empfangen – Auftakt zum letzten Tag eines Staatsbesuchs unter schwierigen Vorzeichen. Sonderlich erfolgreich wirkte der Versuch eines Neuanfangs im deutsch-türkischen Verhältnis bislang nicht: Bundeskanzlerin Merkel und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mahnten am Freitag die Einhaltung der Pressefreiheit und der Menschenrechte an, Erdogan wies die Vorwürfe zurück.
Bei einem Staatsbankett am Abend legte Steinmeier noch einmal nach: In seiner Rede forderte er die Freilassung von inhaftierten deutschen Staatsangehörigen und von türkischen Journalisten. «Wir wünschen uns, dass die Türkei zwei Jahre nach dem Trauma des Putschversuchs zum Ausgleich zurückfindet», sagte Steinmeier und fuhr, an Erdogan gerichtet, fort: «Ich hoffe, Herr Präsident, Sie verstehen, dass wir darüber nicht zur Tagesordnung übergehen.»
Erdogan weicht vom Manuskript ab
Der türkische Präsident reagierte verärgert und bezichtigte im Gegenzug die Gastgeber, verurteilte Terroristen zu schützen. Erdogan wich dafür von seinem Redemanuskript ab und schimpfte: «Hunderte, Tausende» von Terroristen liefen in Deutschland frei herum. «Sollen wir darüber etwa nicht sprechen? Sollen wir dazu nichts sagen?», fragte Erdogan. Zum Schluss suchte er dann aber doch die Versöhnung: Die Liebe der Deutschen und der Türken zueinander sei so gross, dass sie nie zerbrechen könne. Ein Zitat von Otto von Bismarck – Erdogan sagte es auf Deutsch.
Viele türkische Medien feiern den ersten Tag von Erdogans Besuch in Deutschland trotz der Differenzen als Erfolg. Die Treffen mit Merkel und Steinmeier waren am Samstag Thema auf fast allen Titelseiten. Die meisten Zeitungen und Fernsehsender sind seit dem Putschversuch von 2016 allerdings auf Regierungslinie gebracht worden. Während eines zweijährigen Ausnahmezustands hatte die Regierung ausserdem Dutzende Medienhäuser schliessen lassen.
Händeschüttelnder Erdogan
In der regierungsnahen Zeitung Sabah hiess es, mit der Reise habe ein neues Kapitel in den Beziehungen begonnen. Die Begegnungen seien «warm» gewesen. Die regierungsnahen Zeitungen Star und Günes berichteten von einer «neuen Ära». Viele Zeitungen druckten ein Bild, das Merkel und Erdogan händeschüttelnd zeigt und den Staatspräsidenten mit einem Lächeln – was bei dem Besuch eher selten zu sehen war.
Die kritischen Worte von Merkel und Steinmeier fanden sich vor allem in traditionell regierungskritischen Blättern. Auf der Titelseite der Cumhuriyet stand «Differenzen in Berlin» – ein Bezug auf eine Kernaussage Merkels nach ihrem Gespräch mit Erdogan. Die regierungskritische Birgün titelte «Angespanntes Treffen». Merkel habe Probleme bei Pressefreiheit und Menschenrechten angesprochen.
Weniger Demonstranten als erwartet
Am letzten Tag seinen Besuchs sollte Erdogan nach dem Treffen mit Merkel nach Köln weiterreisen und am Nachmittag die Ditib-Zentralmoschee eröffnen. Eine geplante Veranstaltung vor der Moschee wurde aus Sicherheitsgründen untersagt. Die Zeremonie soll nun nur mit geladenen Gästen stattfinden. Menschen, die am Samstagmittag dennoch Richtung Moschee strömten, wurden an den Polizeisperren abgewiesen. Dabei gab es einzelne Rangeleien, wie eine Polizeisprecherin sagte.
An den Protesten in Köln haben sich bis zum Samstagmittag in der Domstadt weniger Menschen beteiligt als zunächst vermutet. Zu einer Kundgebung im rechtsrheinischen Stadtteil Deutz versammelten sich zunächst rund 1500 Menschen, wie ein AFP-Reporter berichtete. Erwartet wurden bei der Veranstaltung mindestens 5000 Teilnehmer.
Auch bei einer Protestkundgebung der alevitischen Gemeinde in Deutschland in der nördlichen Kölner Innenstadt lag die Teilnehmerzahl mit mehreren hundert Menschen zunächst unter den erwarteten 3000 Demonstranten. Dagegen wuchs im Verlauf des Vormittags die Zahl der Erdogan-Anhänger, die sich trotz der kurzfristigen Absage einer Aussenveranstaltung im weiteren Umfeld der Zentralmoschee des Moscheeverbands Ditib in Köln-Ehrenfeld versammelten.
Programm umgeworfen
Das Programm des türkischen Präsidenten in Köln war kurz vor Beginn seines Besuchs nochmal umgeworfen worden. Für das Treffen mit Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), das ursprünglich auf Schloss Wahn stattfinden sollte, musste eilig ein neuer Ort gefunden werden, weil die Schlossbesitzer einen Empfang Erdogans aus politischer Überzeugung abgelehnt hatten. Nun soll es auf dem militärischen Teil des Flughafens stattfinden.
Laschet hat bereits deutlich gemacht, dass er kritische Themen wie die Pressefreiheit in der Türkei und die Lage der dort inhaftierten Deutschen ansprechen will. Den Verband Ditib forderte er auf, sich zurückzuhalten: «Grundsätzlich muss Ditib sich wieder auf die theologische, seelsorgerische Arbeit konzentrieren, nicht Politik machen», sagte der CDU-Politiker der «taz am Wochenende». «Nicht Gülen-Leute beobachten oder für die Besetzung von Syrien beten. Da ist eine Grenze überschritten», sagte Laschet.
Auch der SPD-Politiker Martin Schulz warnte vor einer Politisierung des Islam durch den Verband. «Täte es diese staatliche Religionsbehörde trotzdem, wäre Deutschland gezwungen, Ditib nachrichtendienstlich zu beobachten», warnte der frühere SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch