Der traurige erste Geburtstag des Südsudan
Ein Jahr nach seiner Unabhängigkeitserklärung hat der jüngste Staat der Welt kaum etwas zu feiern. Die Spirale aus Flüchtlingselend, Grenzkämpfen und Korruption dreht sich immer weiter.

Der Südsudan ist nach seiner geradezu euphorisch begrüssten Loslösung vom Sudan nicht der finale Befreiungsschlag gelungen. Ganz im Gegenteil: Aus dem Teufelskreis aus Grenzkämpfen, Korruption und Flüchtlingselend scheint es für das Land kein Entrinnen zu geben. Angesichts der teils katastrophalen Sicherheitslage zog der UN-Sicherheitsrat kurz vor dem Jahrestag der Unabhängigkeit die Reissleine und verlängerte das Mandat für die dortige Friedensmission.
Am dramatischsten ist die Lage Zehntausender Flüchtlinge aus dem Norden, die vor Kämpfen in den Südsudan geflohen sind. Einmal angekommen, finden viele von ihnen nicht genügend Trinkwasser vor. Entwicklungshelfer berichteten von unzähligen Flüchtlingen, die an Dehydrierung und Durchfall gestorben seien. Die Zahl der Todesopfer zu nennen, sei unmöglich, sagte Tara Newell, Nothilfekoordinatorin bei der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen. Ihr Team habe den Tod eines Kleinkinds mit ansehen müssen. «Wir kamen gerade an, als das Kind im Sterben lag und konnten es nicht wiederbeleben», erzählte sie. «Zuschauen zu müssen, wie ein Kind an Dehydrierung stirbt, ist traurig. An einer tropischen Krankheit zu sterben, ist traurig. Aber an Wassermangel zu sterben, ist einfach nur skandalös.»
Streit um Grenze und Öl
Auslöser der Flüchtlingsströme gen Süden sind nach UN-Angaben Gefechte zwischen den sudanesischen Streitkräften und Aufständischen, die traditionell mit der Rebellengruppe Sudanesische Befreiungsbewegung Nord (SPLM-N) in Verbindung steht. Einen Streitpunkt bildet die ölreiche Grenzregion Region Abyei. Der Konflikt zwischen den beiden Seiten flammte neu auf, als sich der Süden am 9. Juli nach einem Referendum auf Basis des Friedensvertrags von 2005 vom Norden abspaltete. Seitdem ist der Status von Abyei unklar.
Auch zwischen dem Südsudan und dem Sudan ist der Streit um den Grenzverlauf und die Aufteilung der Einnahmen aus dem Ölexport in den vergangenen Monaten eskaliert. Immer wieder kommt es zu neuen Gefechten mit vielen Toten. Es droht ein ausgewachsener Krieg, der den Friedensvertrag von einst ad absurdum führen könnte.
Die «giftigen Insekten» aus dem Süden
Ungeachtet internationaler Forderungen nach einer Waffenruhe flogen sudanesische Flugzeuge nach südsudanesischen Militärangaben Luftangriffe gegen den Süden. Beide Länder wollten ihre Differenzen eigentlich im April bei Gesprächen klären. Dann nahm der Südsudan aber die Ölanlagen von Heglig ein, die der Sudan für sich beansprucht und seitdem wieder erobert hat. Sudans Präsident Omar al Baschir zeigte sich daraufhin in einer flammenden Rede unnachgiebig und lehnte Verhandlungen mit «den giftigen Insekten» im Süden kategorisch ab.
Zumindest im Streit um Abyei zeichnet sich eine mögliche Entspannung ab: Der Sudan zog Ende Mai seine Soldaten aus der Grenzregion ab und übergab das von Südsudan beanspruchte Gebiet internationalen Truppen. Zuvor hatte der Süden seinerseits eingelenkt und etwa 700 Polizisten nach UN-Angaben aus Abyei zurückbeordert. Echte Fortschritte auf Verhandlungsebene lassen jedoch bislang auf sich warten.
Im Würgegriff der Korruption
Ein Teil der südsudanesischen Misere ist hausgemacht: Das Stichwort lautet Korruption. Ein ungewöhnlich deutlicher Brief von Präsident Salva Kiir vom 3. Mai macht die schockierenden Ausmasse deutlich, die Filz und Vetternwirtschaft in den höchsten Ebenen erreicht haben. Darin rief er mehr als 75 frühere und amtierende Regierungsvertreter dazu auf, geschätzte vier Milliarden Dollar (rund drei Milliarden Euro) an gestohlenen Geldern wieder an den Staat zurückzugeben.
«Wir kämpften für Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit», schrieb Kiir. «Doch einmal an der Macht, vergassen wir, wofür wir einst kämpften und begannen, uns auf Kosten unseres Volkes zu bereichern.» Die südsudanesische Bevölkerung und die internationale Gemeinschaft sei angesichts der Dimension der Korruption alarmiert. «Die Glaubwürdigkeit unserer Regierung steht auf dem Spiel», erklärte Kiir. Amtsträgern, die das gestohlene Geld zurückgeben würden, sicherte er Straffreiheit und Anonymität zu.
Für die normale Bevölkerung dürfte das nur ein schwacher Trost sein. Seit der lang ersehnten Unabhängigkeit hat sich wenig geändert. Der Südsudan gehört weiterhin zu den ärmsten Ländern der Welt.
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