Korrupt, skrupellos, zerstritten
Auch globale Konzerne sind dem Sog der Korruption unter Südafrikas Präsident Jacob Zuma erlegen. Jetzt muss ein Nachfolger gefunden werden.

McKinsey, das klingt nach Perfektion, nach Unfehlbarkeit. Die globalen Unternehmensberater bieten «strategische Topmanagement-Beratung auf höchstem Niveau», sie «setzen anspruchsvolle Ziele und fahren hohes Tempo» (Eigenwerbung). Sie schnappen sich die besten Universitätsabsolventen und machen sie zu smarten, nicht selten arroganten Beratern, die Manager in Grosskonzernen zum Zittern bringen.
Umso erstaunlicher, was McKinsey Mitte Oktober in Südafrika über sich selbst veröffentlichte. «Diese Fehltritte sind uns peinlich, und wir entschuldigen uns beim südafrikanischen Volk», heisst es in einer Erklärung. «Wir werden unsere Anstrengungen verdoppeln, um ein aktives, positives und verantwortungsvolles Mitglied der Gesellschaft zu sein.» Aber: «Es wird Zeit und Anstrengung erfordern, unser Ansehen wiederherzustellen.»
Millionen abgezweigt
Das umfassende Schuldbekenntnis war notwendig, weil auch McKinsey sich im Gestrüpp der Korruption um Südafrikas verrufenen Präsidenten Jacob Zuma verfangen hat. Ein Auftrag über etwa 100 Millionen Franken für den staatlichen Stromkonzern Eskom war auf zwielichtige Weise zustande gekommen – und Dutzende Millionen wurden für «Vermittlerdienste» abgezweigt. Sie landeten bei der Familie Gupta, jenem Clan mit indischen Wurzeln, der Zuma, dessen Angehörige und Verbündete grosszügig versorgt im Tausch für lukrative Staatsaufträge und politischen Einfluss. Sogar die Ernennung eines neuen Finanzministers sollen die Guptas gesteuert haben.
McKinsey beteuert, von alldem nichts gewusst, niemals für «die Gupta-Familie oder ein Unternehmen, das öffentlich der Gupta-Familie zugeordnet wird», gearbeitet zu haben. Auch Bestechungsgelder – «Zahlungen, die direkt oder indirekt Aufträge sichern» – habe die Beraterfirma nie gezahlt. Und das Geld, das McKinsey von Eskom erhalten habe, sei auf ein Sperrkonto transferiert worden. Es solle erstattet werden, sobald ein Gericht entscheidet, dass der entsprechende Vertrag illegal war. Ein McKinsey-Partner – so nennt der Konzern seine Führungskräfte – habe sich entschieden, das Unternehmen zu verlassen, heisst es. Andere Mitarbeiter seien bestraft oder freigestellt worden.
McKinsey befindet sich in renommierter Gesellschaft. KPMG, einer der weltweit grössten Wirtschaftsprüfungskonzerne, hat im September seine gesamte Chefetage in Südafrika ausgewechselt. Das Unternehmen hatte für verschiedene Gupta-Unternehmen gearbeitet und dabei zweifelhafte Geschäftspraktiken abgesegnet. Inzwischen kündigen südafrikanische Klienten reihenweise ihre Beziehungen zu KPMG.

Auch der Softwarekonzern SAP suspendierte seine südafrikanische Führung, nachdem bekannt geworden war, dass SAP an ein Unternehmen, das einem Zuma-Sohn und den Guptas gehört, etwa 10 Millionen Franken «Vermittlungsgebühr» gezahlt hatte, um Aufträge von staatlichen Konzernen zu erhalten. Nun hat SAP eine Selbstanzeige bei den US-Behörden eingereicht – die Bestechung verstösst gegen amerikanische Gesetze.
Auch Liebherr, der Schweizer Hersteller von Kränen und Baufahrzeugen, sowie chinesische Bahnbauer sollen Schmiergelder an Gupta-Firmen gezahlt haben. Es geht um Aufträge für Kräne in südafrikanischen Häfen und Lokomotiven für den Güterverkehr.
Und die britische Bell Pottinger, eine der weltweit bekanntesten PR-Firmen für politische Auftraggeber, ist zusammengebrochen, nachdem ihr Auftrag für die Guptas bekannt geworden war: Sie hatte – unter anderem mit fingierten Twitter-Accounts – Kritiker der Guptas als «weisse Monopolkapitalisten» diffamiert und damit ausgerechnet in Südafrika Rassismus geschürt.
200'000 geleakte E-Mails
Fast täglich werden neue Vorwürfe gegen den 75-jährigen Präsidenten bekannt, gespeist aus einer Sammlung von etwa 200'000 E-Mails, die aus dem innersten Kreis der Gupta-Familie stammen und der Presse zugespielt wurden. Zwar bestreiten Zuma und die Guptas alle Vorwürfe. Aber die Zahl der laufenden Verfahren und Untersuchungen ist kaum zu überblicken. Im Parlament konnte die Regierungspartei ANC (Afrikanischer Nationalkongress) trotz ihrer grossen Mehrheit nicht verhindern, dass sich mehrere Untersuchungskommissionen mit der Aushöhlung staatlicher Kontrolle beschäftigen. Immer wieder erscheinen die vorgeladenen Mitglieder der Regierung nicht zu den Anhörungen – auch wenn sie dazu verpflichtet sind. Treten sie doch auf, machen sie sich über die Kompetenzen des Parlaments lustig oder verweigern die Aussage.
Schon vor einem Jahr hatte die unabhängige staatliche Ombudsfrau einen Bericht vorgelegt, der darlegt, dass in der südafrikanischen Regierung Hinterzimmerdeals längst wichtiger geworden sind als Kabinettssitzungen. Sie forderte eine Untersuchung durch einen führenden Richter. Präsident Zuma hat das im Parlament schon vor Monaten zugesagt. Seit Wochen versucht er jedoch, eine richterliche Untersuchung per Gerichtsentscheid zu verhindern – und verzögert die Ermittlungen um Jahre.
Gleichzeitig nutzt der Präsident seine Vollmachten, um Kritiker loszuwerden. Südafrikas Bundesanwaltschaft ist längst mit schwachen Juristen besetzt, die Zuma hörig sind. Ebenso geschwächt ist die Bundespolizei. Seine Getreuen kontrollieren den staatlichen Rundfunk, die zentrale Steuerbehörde, die Polizei, das Militär, den Geheimdienst, sogar das staatliche Amt für Statistik.
Südafrikas Presse und Gerichte behaupten ihre Unabhängigkeit.
Aber die Macht des Präsidenten scheint an ihre Grenzen zu stossen. In den USA greift das FBI ein, weil Schmiergelder an Mitglieder der Gupta-Familie in Amerika geflossen sind. In Grossbritannien ermitteln die Behörden wegen Geldwäsche, da britische Banken einen grossen Teil der Gupta-Geschäfte abgewickelt haben – etwa nach Dubai und Hongkong.
Innerhalb Südafrikas behaupten die Presse und die Gerichte ihre Unabhängigkeit. Gerade musste Zuma in letzter Instanz, vor dem obersten Berufungsgericht, eine schwere Niederlage hinnehmen: Mehr als 700 Anklagepunkte wegen Korruption gegen den Präsidenten müssen wieder aufgenommen werden. Die Vorwürfe, die die Bundesanwaltschaft bis 2009 erhoben hatte, wurden auf politischen Druck fallen gelassen, damit Zuma überhaupt Präsident werden konnte. Die Klage einer Oppositionspartei hat seitdem ihren langen Weg durch die Gerichte gemacht – und war nun erfolgreich.
Das setzt den Präsidenten zusätzlich unter Druck, während das Ende seiner zweiten und letzten Amtszeit ohnehin absehbar ist. Anfang 2019 wird Zuma abtreten müssen – aber ein Nachfolger wird schon nächsten Monat ernannt. Ein ANC-Parteitag wählt Mitte Dezember einen neuen Parteichef, der automatisch Spitzenkandidat und damit mit grosser Wahrscheinlichkeit neuer Präsident des Landes werden wird. Denn trotz aller Schwächen bleibt der ANC die bei weitem beliebteste Partei.
Proteste der Verbündeten
Im ANC ist ein bitterer Kampf um Zumas Nachfolge entbrannt. Die endlosen Skandale um den Präsidenten haben die Partei schwer in Mitleidenschaft gezogen. Ihre engsten Verbündeten, die Gewerkschaften und die Kommunistische Partei (SACP), haben sich von Zuma losgesagt. Auch die Parteiführung ist tief gespalten.
Südafrikas Vizepräsident Cyril Ramaphosa, der gleichzeitig ANC-Vizepräsident ist, will Nachfolger von Zuma werden. Er hat sich in den letzten Monaten mit immer deutlicherer Kritik an die Öffentlichkeit gewagt. Ramaphosa ist ein renommierter ehemaliger Gewerkschafter und Anti-Apartheid-Aktivist, der den Übergang vom System der Rassentrennung zu ersten demokratischen Wahlen 1994 entscheidend mitbestimmte. Er verbrachte Jahre ausserhalb der Politik und wurde als Geschäftsmann wohlhabend. Und er gehört nicht zum Korruptionsnetzwerk des Präsidenten. Sollte Ramaphosa gewählt werden, könnte das für Jacob Zuma gefährlich werden.

Um sich auch über seine Amtsabgabe hinaus Einfluss und Schutz zu sichern, hat Zuma eine seiner Ex-Frauen als Nachfolgerin aufgebaut (Zuma praktiziert als Zulu Polygamie; er hat derzeit vier Frauen). Nkosazana Dlamini-Zuma, mit der der Präsident vier Töchter hat, ist eine ehemalige Aussenministerin Südafrikas und war bis Anfang 2017 Vorsitzende der Kommission der Afrikanischen Union, des Verbands afrikanischer Länder. Obwohl sie im ANC seit fünf Jahren kaum eine Rolle gespielt hat, gilt sie als einflussreiche Frau in der Partei. Im September wurde ihr ein Parlamentsmandat zugeschoben, sodass sie auch wieder für ein Ministeramt infrage kommt.
Um Parteichef zu werden, müssen die Kandidaten möglichst viele Delegierte aus den Provinzen für sich gewinnen – und deren Auswahl läuft in diesen Tagen. Ein landesweites System von politischen Abhängigkeiten und einträglichen Posten bis in die Gemeindeverwaltungen wird neu justiert. Dabei wird mit allen Mitteln gekämpft. In Zumas Heimatprovinz KwaZulu-Natal, die auch die grösste Delegation zum Parteitag schickt, sind Dutzende Lokalpolitiker in internen ANC-Disputen ermordet worden. Mitgliederlisten wurden gefälscht, Wahlen in Ortsverbänden manipuliert. Kommissionen ermitteln, Gerichte ordnen Wiederholungen an. Zumas Ex-Frau scheint sich hier trotz aller Wirren wunschgemäss durchzusetzen.
Aber auch Cyril Ramaphosa kann wichtige Regionen für sich gewinnen, etwa das Gebiet um Johannesburg, die grösste Stadt des Landes. Der Ausgang der Wahl des neuen Parteichefs scheint keineswegs vorbestimmt zu sein. Es könnte knapp werden für Zuma.
Milliarden für russische Atomkraft
Dennoch versäumt es der Präsident nicht, sich um die wirklich wichtigen Angelegenheiten zu kümmern. Ende Oktober bildete er das Kabinett um. Der SACP-Generalsekretär, der den Präsidenten immer wieder kritisiert hatte, wurde als Bildungsminister abgesetzt. Wichtiger aber war die Ernennung eines engen Zuma-Verbündeten zum Energieminister. Der soll den Kauf von Atomkraftwerken aus Russland endlich abschliessen. Zwar ist der Stromkonzern Eskom praktisch bankrott; Südafrika kann sich die Anlagen gar nicht leisten. Aber es winken lukrative Aufträge. Es geht um Milliarden.
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